Gemütlich spaziere ich in Richtung Harbourfront Centre, nur ein paar Minuten südlich vom die Silhouette der Stadt prägenden Fernsehturm. Eine Gasthausbrauerei soll es hier geben – direkt am Hafen und schön gelegen, hieß es. Ein paar Schritte noch, einmal rechts abbiegen, und … ich stehe vor einer gewaltigen Halle.
Gasthausbrauerei? Das Amsterdam BrewHouse sprengt dafür alle Maßstäbe. Natürlich – formal ist es ein Brewpub, eine Gasthausbrauerei, aber irgendwie verknüpfe ich mit diesem Begriff doch eher ein kleines, eher verschachteltes Restaurant, in das irgendwo, meistens in der Nähe der Theke, ein kleines Sudwerk integriert ist.
Heute stehe ich aber vor einer großen Halle. Zwei Stockwerke hoch, plus der Dachstuhl. Diese Größe, und dann die Lage direkt am Wasser – die Immobilie muss auch 2013 schon, als die Brauerei errichtet und eröffnet wurde, ziemlich teuer gewesen sein.
Ein paar Sitzgelegenheiten vor dem Eingang in der prallen Sonne ignoriere ich in der Nachmittagshitze und gehe direkt in die große Halle hinein. „Wait to be seated“, heißt es, und während ich auf einen Kellner warte, der mir einen Platz anbietet, sehe ich schon, dass die riesige Halle gut besetzt ist. Es ist am frühen Nachmittag schon rappelvoll.
„Nur eine Person?“ Eine junge Dame mustert mich, schaut dann noch einmal in die große Halle und entscheidet schließlich: „Du kannst Dich vorne mit an die Bar setzen. Keine Sorge, Du bekommst auch dort etwas zu essen. Komm mit, ich zeig Dir, wo!“
Die große Bar teilt die Halle in einen vorderen und einen hinteren Bereich, so dass sie im Inneren nicht mehr ganz so riesig aussieht. Hohe Regale mit Flaschen bilden die Mitte, und eine lange Theke schwingt sich in großem Bogen um diese Regale herum. Von meinem Platz relativ weit am Rand blicke ich auf eine lange Batterie von Zapfhähnen, rechts von mir schaue ich auf rote Eisengestelle mit endlosen Reihen von Holzfässern, und hinter mir sehe ich durch Panoramascheiben auf ein blitzblank poliertes, silbrig glänzendes Sudwerk. Optisch ein Traum.
Kleckern, nicht klotzen, so lautete seinerzeit wohl das Motto des Bauherrn. Ich bin beeindruckt.
Die Begeisterung verfliegt aber recht rasch. Nachdem sie mich eine ganze Weile hartnäckig ignoriert hat, kommt die Barfrau irgendwann doch noch zu mir und fragt recht kurz angebunden nach meinem Wunsch. Ob es einen Bierflight gebe, möchte ich wissen, und wortlos schiebt sie mir einen Zettel zu, bevor sie wieder ans andere Ende der Bar verschwindet.
Vier Viererflights bietet die Karte auf den ersten Blick. Sechzehn Biere. Immerhin! Bei genauerem Hinsehen schrumpft die Zahl aber rasch. Es sind vier angebotene Kombinationen, in denen das eine oder andere Bier zwei oder gar drei Mal auftaucht. Ganz so groß ist die Auswahl dann also doch nicht.
Der Sommerhitze angepasst, entscheide ich mich für den ersten vorgeschlagenen Flight, dessen Biere alle noch einen gemäßigten Alkoholgehalt haben. Dazu bestelle ich einen Salat mit gebackenem Ziegenkäse und Hühnerbruststreifen.
Der Flight kommt, aber nicht als Tasting-Tray oder Probierbrettchen, sondern einfach in Form von vier lustlos auf die Theke geknallten Gläsern. „Von links nach rechts trinken“, weist mich die Barfrau noch an, ohne mehr zu erläutern, und stellt mein Essen dann hinter die Gläserreihe, so dass ich erst umsortieren muss, um an beides, Essen und Bier, überhaupt heranreichen zu können.
Missmutig ziehe ich den Salat an mich ran, werde geschmacklich aber positiv überrascht. Schmackhaft, knackig, schön gewürzt. Prima!
Sehr schade allerdings, dass es beim Bier völlig anders aussieht. Die Lustlosigkeit der Barfrau spiegelt sich in den Bieren wider. Sie schmecken irgendwie langweilig, und keines der vier Biere kann auch nur annähernd überzeugen oder gar mit dem guten Essen konkurrieren.
Bier Nummer 1, das 3 Speed Lager mit 4,2% ist wässrig und dünn, und es bestätigt alle Vorurteile, die man gegen ein Leichtbier haben kann. Man nehme ein ohnehin schon recht glattes Lagerbier ohne Ecken und Kanten und verdünne es einfach mit 20% klarem Wasser. Als Resultat erhält man ein Bier, das so ähnlich wie dieses 3 Speed Lager schmeckt. Nicht gerade zum Weitertrinken ermunternd.
Bier Nummer 2 ist ein wenig besser. Das Natural Blonde Lager hat 5,0% Alkohol und ist einfach ein bisschen erwachsener. Man hat den Eindruck, als sei es das unverdünnte Original. Immer noch zu glatt, zu gefällig, aber wenigstens nicht wässrig.
Ein bisschen zögerlich gehe ich an das dritte Bier heran. Rapsberry Wheat, ein Himbeerweizen mit 4,5% Alkohol. Ich befürchte ein völlig übersäuertes Fruchtbier und bin erleichtert, als ich feststelle, dass der pH-Wert dieses Biers immerhin noch einen Konsum zulässt, der nicht gleich mit einer Magenschleimhautentzündung endet. Die Himbeeraromen wirken ebenfalls nicht so künstlich wie befürchtet, und so entpuppt sich dieses Bier zwar nicht als absoluter Überflieger, aber doch als geschmacklicher Gewinner dieses Flights.
Das vierte und letzte Bier, das 4,9%ige Cruiser All-Day Pale Ale, enttäuscht mich leider auf ganzer Linie. Zum einen passt es überhaupt nicht in diesen Tasting Flight, gliedert sich nicht harmonisch in die Geschmacks- und Aromenreihe ein, und ich grübele, wer wohl die Idee gehabt hat, diese Bierauswahl als Vorschlag in die Getränkekarte aufzunehmen. Zum anderen ist es auch isoliert betrachtet keine Offenbarung. Muffig und dumpf schwappt es im Glas lustlos hin und her, und nach ein, zwei kleinen Schlucken habe ich eigentlich keine Lust mehr, weiterzutrinken. All-Day? Ich weiß nicht, woher dieser Optimismus kommt, dass dies ein Bier für den ganzen Tag sein soll. Mir genügen die fünf Minuten, die ich mit ihm verbringe … verbringen muss.
Wirklich zufrieden bin ich also nicht. So schön das Ambiente, so schmackhaft mein Essen – so mäßig war die Bierqualität. Dazu die abweisende, schon an Unhöflichkeit grenzende Schmallippigkeit der Barfrau. Nee, kein Brauereibesuch zum Wohlfühlen. Ich signalisiere der Dame hinter der Bar, dass ich zahlen möchte.
Und, oh, Wunder, plötzlich kommt sie wie verwandelt herangeschwebt. Freundlich lächelnd, nein, über das ganze Gesicht strahlend, scheint sie mit mir zu flirten, schiebt mir neckisch-spielerisch das Kreditkartenlesegerät hin, zieht es wieder weg, um es mir wieder hinzuschieben. Unter großem Wimpergeklimper erläutert sie mir die Trinkgeldfunktion und stellt schon mal 25% ein. Nein, junge Dame, so nicht. Die Lustlosigkeit und Genervtheit bei der Bestellung und beim Servieren machst Du so nicht wieder wett. Verarschen kann ich mich allein – das, was ich hier erlebt habe, war auch angesichts der in Nordamerika üblichen Trinkgeldregeln keinen einzigen Extracent wert…
Beim Gehen drehe ich mich noch einmal um. Eigentlich schon schön und eindrucksvoll hier, und dann auch noch so idyllisch direkt am Wasser gelegen. Und der schlechte Service an der Bar war, wenn auch unangenehm, so doch vermutlich nur ein Ausreißer. Aber die Bierqualität? Nein, sie hat mich heute nicht überzeugt.
Das Amsterdam BrewHouse ist mit Stand 20. Juli 2019 täglich ab 11:30 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Die Light Rail genannte Straßenbahn hält mit den Linien 310 und 509 nur ein paar Schritte entfernt an der Haltestelle Queens Quay West at Rees Street. Besonders stilvoll wäre allerdings die Anreise mit der eigenen Jacht.
Amsterdam BrewHouse
245 Queens Quay W
Toronto
ON M5J 2K9
Kanada
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