Helmut Hochrain
Bayrisch Bier

Helmut Hochrain: Bayrisch Bier, Bier vor Ort, Bierreisen, Craft Beer, Bierbuch
Bayrisch Bier

Die fünfziger Jahre. Nachkriegszeit, dann die ersten wirtschaftlichen Erfolge. Deutschland kämpft sich von einem Pro-Kopf-Bierverbrauch von 35,6 Litern (1950) auf 94,7 Liter (1960) hoch. Man gönnt sich wieder was, und man kann es sich endlich wieder leisten.

In diesem Jahrzehnt erschien das kleine Büchlein „Bayrisch Bier“ von Helmut Hochrain. „Ein vergnügliches Brevier“, wie der Untertitel verspricht. Knapp 130 Seiten, durchaus eng bedruckt, mit humoristischen, hintersinnigen, gelegentlich dem Zeitgeist entsprechend die Frauen herabwürdigenden (heute würde man „sexistischen“ sagen), philosophischen und sonstigen Betrachtungen.

Kurzweilig zu lesen. Eine einfache, anschauliche Sprache. Etwas altmodisch wirkend, wenn man die Texte mit sechzig Jahren Abstand liest, manchmal aber auch überraschend aktuell – so zum Beispiel auf Seite 24:

„Wir, Kinder des ‚schnellsten‘ Jahrhunderts der Menschheitsgeschichte, nehmen uns längst keine Zeit mehr, über das Wesen der Dinge nachzudenken, die uns umgeben und uns täglich Genuß schenken. Dabei würde uns nichts besser tun, als hin und wieder ein wenig Sand in das rasende Getriebe des Motors ‚Zeit‘ zu schütten, um z.B. in Ruhe darüber nachsinnen zu können, was uns so anspruchslose Freuden verschafft, wie es der Genuß eines frischen Glas Bieres ist.“

Ein Text, den man, an die neue Rechtschreibung angepasst, durchaus auch für das 21. Jahrhundert noch gelten lassen könnte. Noch mehr hat sich unser Leben beschleunigt, das, was in dem Büchlein als „‚schnellstes‘ Jahrhundert der Menschheitsgeschichte“ bezeichnet wird, gilt uns heute als beschauliche, ruhige und „gute alte“ Zeit, und oft vergessen wir in der Tat, über das herrlich frische Glas Bier in unserer Hand nachzusinnen.

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gelegentlich sind kleine Karikaturen eingestreut

Natürlich befolgt auch Hochrain das ungeschriebene Gesetz und blickt zu Beginn seines Büchleins zurück ins historische Mesopotamien, wo das Bier erfunden worden sein soll. Kein ernstzunehmendes Bierbuch lässt sich die Chance auf einen solchen historischen Rückblick nehmen. Keines!

Kleine Szenen, Geschichtchen, Anekdoten füllen dann Seite um Seite. Leichte Kost. Man schmunzelt hier, lächelt da, schüttelt den Kopf oder runzelt auch mal die Stirn. Letzteres beispielsweise im Abschnitt über die Reinheit des Biers „Die Panscher und ihre Plempe“. Opfer der auch in den fünfziger Jahren schon erfolgreichen Gehirnwäsche der bayerischen Brauer und ihres vehementen Einsatzes für das sogenannte „Reinheitsgebot“ zieht Hochrain über die vermeintlich untrinkbare Sude zusammenkochenden Brauer der Jahrhunderte vor dem Erlass von 1516 her:

„So laborierten sie auf die abenteuerlichste Weise am Bier herum und fabrizierten in ihren Schwefelküchen Wermut- und Salbeibier und brauten aus Lavendel, Eichenblättern, Fenchel, und was der Grundstoffe mehr gewesen sein mögen, Getränke, die selbst einem Verdurstenden die Lust am Trinken hätten verleiden können.“

Er spricht von „abergläubigem Dilettantismus“ und übersieht, dass gerade die von ihm aufgezählten, rein natürlichen und biologischen Zutaten, in Maßen eingesetzt, ganz wunderbare Kräuterbiere entstehen lassen können. Aber damit befindet er sich in bester Gesellschaft…

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auch heute noch aktuell:
zehn Gebote für den Wirt und zehn Gebote für den Gast

Lässt man diese kleinen Verirrungen einmal unberücksichtigt und sich selbst auf den Zeitgeist der fünfziger Jahre ein, so ist das Buch aber ein schöner Zeitvertreib. Für wenige Euro kann man es noch in Antiquariaten oder im Online-Gebrauchtbuchhandel erwerben.

Helmut Hochrain
Bayrisch Bier
Bayerischer Landwirtschaftsverlag
München, 1957
ISBN -ohne-

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