Jürgen Roth
Das perfekte Wirtshaus

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Dreihundert Seiten Text, keine Abbildungen. Recht eng bedruckt. Das soll ein Bierbuch sein?

Nein, ist es nicht.

Bierbücher enthalten Bilder von Bieren, ein kurzes, obligatorisches Kapitel über die Geschichte des Bierbrauens, das bereits im alten Mesopotamien begonnen hat, weitere Bilder von Bieren, eine mehr oder weniger falsche Darstellung des Brauprozesses, ein paar Bilder von Bieren und ein Faksimile der Urkunde des Reinheitsgebots vom 23. April 1516. Und noch mehr Bilder von Bieren.

Also kein Bierbuch?

Naja, eigentlich doch.

Aber ein indirektes.

Das perfekte Wirtshaus. Über siebzig kurze Kapitel, in denen es um Berichte und Erlebnisse in Wirtshäusern und anderen „öffentlichen Trinkorten“, wie sie Jürgen Roth nennt, geht. Das Sitzen in einer Bierkneipe oder Brauerei, die Philosophie, die sich aus den dort geführten Gesprächen ergibt. Die Suche nach einer guten Lokalität, die oft völlig anders endet, als geplant. Der gepflegte, organisierte oder spontane Suff, das schnelle Bier im Stehen, der gemütliche Genuss in tiefer Entspannung.

Und immer wieder Lebensphilosophie des Alltags. Fein beobachtet und für die Nachwelt festgehalten oder selbst erlebt und weitergesponnen.

Das alles in der von Jürgen Roth gewohnten außerordentlich hohen Sprachqualität. Sein gewaltiger Wortschatz, sein komplexer, aber stets überkorrekter und trotzdem gut lesbarer Satzbau, sein gelegentlich weit ausholend und gemächlich wieder zurückmäandrierender Duktus machen die kurzen Reportagen, Berichte, Schilderungen, Anekdoten, Geschichten ungemein lesenswert.

Man kann, wenn man denn mag, das Buch mehr oder weniger in einem Rutsch verschlingen. Danach brummt dem Leser der Kopf, wenn er zurückgekehrt ist von einer Reise um und durch die Welt des Trinkens im öffentlichen Raum. Schwerpunkt Frankfurt und Umgebung, aber auch ganz Hessen, Deutschland, Europa und die Welt.

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Oder man genießt immer nur eines der kurzen Kapitel am Stück. Nimmt sich danach Zeit, die Gedanken fortzuspinnen, oder erinnert sich an Erlebnisse, die man so oder ähnlich selbst ebenfalls schon hatte.

In beiden Fällen bleibt der Genuss der trefflichen und plastischen Beschreibung des unprätentiösen Lebens, des Lebens, wie es sich allerorten und zu jeder Zeit einfach ereignet. Und nur selten von Chronisten festgehalten wird.

Ich habe das Buch gerne gelesen.

Gibt’s was zu kritisieren?

Ja!

Die Cover-Gestaltung. Ich habe das Buch nur des Autorennamens wegen gekauft, weil Jürgen Roth für mich ein Qualitätsmerkmal ist. Aber die zwar lustige, aber doch sehr merkwürdige Karikatur auf dem Titelblatt passt nicht zum Titel, weckt die falschen Assoziationen, und hätte ich das Buch im Regal oder auf dem Grabbeltisch eines Buchladens liegen sehen, hätte ich es vermutlich nicht weiter beachtet.

Aber das war es auch schon. Abgesehen davon: Unterhaltsam!

Lesenswert!

Jürgen Roth
Das perfekte Wirtshaus
Oktober Verlag
Münster 2009
ISBN 978-3-938568-89-7

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