Für wen Bier und Brauen mehr als nur ein Hobby ist, der wird ob kurz oder lang bei der Brauwelt landen, einer Wochenzeitschrift, die seit sage und schreibe 160 Jahren über das Brauen berichtet – und zwar querschnittlich.
Zielgruppe sind diejenigen, die in diesem Business arbeiten. Brauer, Vertriebsleute, Abfüller, Mälzer, Forscher, … Eher nicht die, die einfach nur mal gerne ein Bier trinken.
Aber es geht schon los, wenn man als Biergenießer mehr über sein Lieblingsgetränk erfahren möchte. Wie wird es hergestellt? Welche biologischen und chemischen Prozesse spielen sich da ab? Warum sind kreative Bier manchmal so wahnsinnig teuer?
Oder, nach einem Besuch in einer größeren Brauerei, wenn sich das technische Interesse meldet: Eine Flaschenabfüllanlage beeindruckt in ihrer Komplexität schon auf den ersten Blick. Von der Annahme des unsortierten und verschmutzten Leerguts bis zum Verpacken der frisch gefüllten, verschlossenen, etikettierten und vielleicht auch noch pasteurisierten Flaschen in Kästen, Kartons oder Sixpacks laufen so viele Prozessschritte präzise gesteuert auf kleinstem Raum ab, dass es in den Fingern juckt, zumindest Teile dieser Abläufe daheim mit dem Fischertechnik-Baukasten doch einmal nachzustellen.
Letztendlich kann sich jeder Bierinteressierte in dieser Zeitschrift festlesen. Ein Sammelsurium von Artikeln, vom mehrteiligen Bericht über historische Bierstile wie das Grutbier über Personalien im Brauwesen, wenn in einer regionalen Familienbrauerei ein neuer Chef übernimmt, bis hin zum komplexen, wissenschaftlichen Aufbereiten des Metabolismus verschiedener Hefearten ist alles dabei.
Nicht jedes Heft spricht jeden an, aber meistens sind – auch für mich als Hobbybierliebhaber und Bierautor – immer mindestens ein paar spannende Berichte und Informationen enthalten, und mit den Jahren wächst ein faszinierendes Archiv heran.
Nun, es wird wohl kaum jemand alle 160 Jahrgänge seit der ersten Ausgabe der Allgemeinen bayerischen Hopfenzeitung (so hieß die Zeitschrift ursprünglich einmal) von 1861 daheim im Bücherregal stehen haben, aber Fachbibliotheken können durchaus auf viele Jahrzehnte dieser Zeitschrift zurückgreifen.
Heute, am 28. März 2020, daher durchaus eine Leseempfehlung.
Jedoch nicht ganz ohne Kritik. Zum einen ist die Brauwelt recht teuer – das Jahresabonnement haut mit über 180,- EUR ganz schön rein. Dann ist allerdings auch der elektronische Zugriff auf das Brauwelt-Archiv mit enthalten. Zum anderen gibt es kein rein elektronisches Abonnement. Wer die Zeitschrift also gerne auf dem Arbeitsplatzrechner oder dem Tablet lesen würde und der Umwelt viel Papier ersparen möchte, hat dafür keine spezielle Option. Entweder beides, Papier und Datenarchiv, oder gar nichts. Möglicherweise ist die Zielgruppe doch noch recht konservativ und blättert lieber anstatt zu wischen.
Ach, und dann gibt es noch, wie bei vielen anderen Fachzeitschriften auch, die Unsitte der Schwerpunkthefte. Das habe ich persönlich noch nie gemocht, egal in welchem Fachgebiet. Da wird ein ganzes Heft einem Leitthema gewidmet, und all diejenigen, die sich ausgerechnet für dieses Thema nicht interessieren, bekommen dann eine Ausgabe geliefert, die ungelesen ins Regal oder ins Altpapier wandert. Das ist mir im wissenschaftlichen Bereich leider viel zu oft der Fall, und die Brauwelt macht hier auch keine Ausnahme. Das „Hefe-Special“, die Ausgabe 10/20 vom 5. März 2020 beispielsweise, ist so ein Leitthemenheft. Wer sich für die Hefe speziell interessiert: Ganz toll. Wer nicht: Fünf Euro fast umsonst investiert. Da wäre es doch schöner gewesen, ein solches Leitthema auf ein paar Ausgaben zu strecken – als kleine Artikelserie über fünf oder sechs Ausgaben.
Brauwelt. Nennt sich Wochenzeitschrift, erscheint drei Mal pro Monat und umfasst etwas mehr als dreißig durchgängig farbige Seiten pro Heft (die Seitenzahlen laufen für jeweils einen Jahrgang hoch, nicht pro Heft wieder bei Seiten 1 beginnend).
Nachtrag 23. Mai 2020: Ich habe in den Social Media ein Heft der Brauwelt, die Ausgabe 20/20, wegen eines Artikels über Aluminiumdosen als Getränkeverpackung („Litfaßsäulen im Miniaturformat“) kritisiert, da mir dieser Artikel doch sehr einseitig erschien. Spannend, welche weitere Reaktionen diese Kritik unter anderem auch beim Bierpapst Conrad Seidl hervorrief, der unter der Überschrift Kontroverse um Fachartikel zu Bierdosen sich ebenfalls diesem Thema widmete.
Brauwelt
Wochenzeitschrift für das Getränkewesen
Fachverlag Hans Carl GmbH
Nürnberg, 2020
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