Gilbert Delos
Piwa Świata

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Gilbert Delos
Piwa Świata

Das Jahr 2000. Zwanzig Jahre ist das schon her.

Ein Jahr, in dem noch niemand von Craftbier sprach, geschweige denn wusste, was das sein solle.

Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits zwei Jahre in Warschau gelebt, in einem Polen, das gerade erst in die NATO eingetreten war. Ein EU-Beitritt schien noch unendlich weit weg. Man war viel zu sehr mit dem eigenen Wirtschaftswunder beschäftigt, und für exotische Biersorten hatte man den Kopf gar nicht frei. Es war schon spannend genug, wenn neben zwei, drei Dutzend polnischer Lager- und Starkbiere plötzlich auch mal ein paar deutsche Industriebiere im Verkaufsregal standen.

Weißbiere allerdings nicht. Da war der Sozialismus noch zu gut in Erinnerung, die Zeit, in der Biere innert drei, vier Tagen nach der Abfüllung begannen, trüb und sauer zu werden.

Noch im Jahr 2000 konnte man Kunden in den Supermärkten sehen, die jede Flasche Bier auf den Kopf stellten und gegen das Licht hielten, bevor sie sie in den Einkaufswagen legten. Und wehe, da war eine Trübung zu sehen. Nicht nur, dass die Flasche dann nicht gekauft wurde – nein, es wurde auch lautstark gezetert und geschimpft und der Supermarkt, sein unfähiges Personal, seine geldgierigen Besitzerbonzen und überhaupt der ganze Staat verflucht.

Kein Wunder, dass naturtrübe Weißbiere mit gewolltem Bodensatz keinen Marktanteil erringen konnten…

Ja, solche Zeiten waren das damals. Zeiten, in denen es mir gelungen war, alle, ja wirklich alle auf dem polnischen Markt verfügbaren Biere getrunken zu haben und ein Vierteljahr lang kein neues Bier in meine persönliche Datenbank eintragen zu können.

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in solchen Zeiten träumt man von Bieren aus aller Welt

In solchen Zeiten haben dann große Bieratlanten Hochkonjunktur. Bücher, die Biere aus aller Welt vorstellen und den Eindruck erwecken, wenn ein Bierliebhaber nur ehrgeizig genug wäre, sei er in der Lage, alle Biere der Welt kennen zu lernen und zu verkosten. Eine Herkulesaufgabe zwar, aber nicht völlig unlösbar.

Gilbert Delos hat mit dem Atlas Piwa Świata, Biere der Welt, genau das gemacht: Ein großformatiges, farbiges Buch herausgegeben, das nach Ländern und Kontinenten sortiert, eine Biermarke nach der anderen vorstellt. Wie ein riesiges Telefonbuch.

Leider durch diese Fülle dann auch ähnlich gut lesbar – bereits nach wenigen Seiten beginnt man, hin und her zu blättern und nur noch ziellos durch das Buch zu stöbern. Strukturiertes Lesen? Fehlanzeige. Eher schon urlaubszielabhängig Reisevorbereitungen zu treffen und Einkaufstouren durch die dortigen Supermärkte zu planen.

Natürlich fängt auch er mit der Geschichte der Bierherstellung bei den alten Sumerern an. Es gibt kaum ein Bierbuch, das auf diese Einleitung verzichtet… Dann kommt eine kurze Betrachtung der Rohstoffe, eine – mittlerweile natürlich veraltete – Übersicht der Pro-Kopf-Verbrauchszahlen und der Bier-Jahresproduktionen ausgewählter Länder, und dann beginnt auch schon der katalogartige Teil des Buchs.

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im Mittelpunkt steht Europa, und dabei, ganz wichtig, natürlich auch Belgien

Im Mittelpunkt und daher zu Beginn steht Europa. Rund 180 Seiten werden den Ländern des alten Kontinents gewidmet. Warum dabei Großbritannien und Schottland separat dargestellt werden, wird wohl auf immer ein Geheimnis des Autors bleiben, die Darstellung eines ehemaligen Jugoslawien hingegen aus dem Kontext der Zeit heraus verständlich.

Angesichts des großzügigen Umgangs mit den verfügbaren Seiten für den alten Kontinent verwundert es, dass die Beschreibung der Neuen Welt insgesamt nur 20 Seiten umfasst. Auch im Jahr 2000 umfasste die Bierszene in den Vereinigten Staaten sicherlich schon mehr als die hier vorgestellten Industriebiere, und man bekommt als Leser den Eindruck, als hätte Delos den Kontinent schlicht und einfach nicht bereist, sondern sein Buch für diesen Teil der Welt nur auf ein paar oberflächliche Recherchen beschränkt.

Japan, China und der gesamte Ferne Osten schrumpfen auf acht, Australien auf vier und Afrika auf sechs Seiten zusammen. Auch hier: Wenig Details, nur ein Kratzen an der Oberfläche. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, das Buch nicht Piwa Świata, Biere der Welt, sondern höchstens Piwa Europy, Biere Europas, zu nennen.

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das hemalige Jugoslawien bekommt ähnlich viel Platz eingeräumt wie der ganze Kontinent Afrika

Die allerletzten, ebenfalls sehr, sehr kurzen Kapitel befassen sich mit Sprache und Bräuchen, damit, wie man ein Etikett richtig liest und versteht, mit dem richtigen Verkosten des Biers (hier bleibt der Autor leider ganz besonders oberflächlich) und mit einer Handvoll Rezepten für Kochen mit und zum Bier.

Richtig ärgerlich ist das Adressverzeichnis am Ende. Lange Listen von Bierbars und Cafés in Frankreich und nur summarische Betrachtungen von möglichen Adressen in den klassischen Bierländern Deutschland, Belgien, Tschechien oder Großbritannien. Ein so starker Fokus auf Frankreich hätte nicht sein müssen, auch wenn es ein Buch ist, das in Frankreich entstanden und lediglich ins Polnische übersetzt worden ist.

So bleibt ein etwas schaler Beigeschmack. Eine durchaus schöne und ihrem zeitlichen Kontext angemessen breite Betrachtung der Bierszene Europas, aber alle weiteren Kapitel sind oberflächlich dahingeschludert.

Ich habe das Buch seinerzeit von einem guten Freund geschenkt bekommen und werde es insbesondere deswegen in meiner Sammlung in Ehren halten.

Gilbert Delos
Piwa Świata
Wydawnictwo Książkowe Twój Styl
Warszawa, 2000
ISBN 83-7163-233-9

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