Gemeinsam sich mit Freunden auf ein Bier zu treffen? Eine schöne, systematische Bierverkostung machen? Oder einfach nur ganz unsystematisch ein paar Halbe leeren und dabei über das Gute und Böse der Welt philosophieren? In Zeiten von CoViD-19-bedingten Ausgangssperren nahezu unmöglich.
Was bleibt, sind virtuelle Treffen mit Bierfreunden, Fachsimpeleien per Skype und Bierverkostungen aus sicherer Distanz.
Aber ach, aller Anfang ist schwer. Hunderte von Kilometern liegen zwischen unseren Wohnorten. Was wollen wir denn gemeinsam verkosten? Gibt es das Augustiner Hell bei Euch? Oder das Hessenquell bei Dir? Kriegt man das Allgäuer Büble Bier bundesweit? Wollen wir überhaupt alle gemeinsam dasselbe verkosten? Fragen über Fragen, und selbst ein Päckchenversand des nur lokal in Hessen und dem angrenzenden Rheinland-Pfalz verkauften Hessenquell Landbier der Licher Privatbrauerei fand schnell noch statt.
Dann aber sitzen wir endlich am 18. April 2020 um 20:00 Uhr vor unseren Bildschirmen, vor uns ein Probierglas und neben uns ein paar gekühlte Bierflaschen. Bayerisches Helles, auf diesen Stil hatten wir uns geeinigt. Ein paar Flaschen haben wir wirklich alle gemeinsam vor uns stehen, ein paar andere werden einfach so getrunken.
Den Reigen eröffnet das Allgäuer Büble Bier Bayerisch Hell, das zünftig in der Halbliter-Bügelflasche vermarktet wird und, wie alle Büble-Biere, einen kleinen Allgäuer Bergbuben mit Trachtenhut, Trachtenjanker, kurzen Hosen und einem riesigen, schäumenden Bierkrug in seinen kleinen Händen auf dem Etikett trägt. Wir alle haben die Flaschen vor uns stehen, ploppen mit dem Bügelverschluss um die Wette, runzeln dann allerdings rasch die Stirn. Blassgelb, fast schon wässrig wirkend, fließt das Bier ins Glas. Ein so helles, farbloses Bier haben wir schon lange nicht mehr gesehen, und leider folgt dem dünnen optischen Eindruck ein ebenso dünner Geschmack. Ohne Fehlaromen und Fehlgeschmäcker, da sind wir uns schnell einig. Aber irgendwie auch fast ganz ohne Aromen und Geschmäcker, stellen wir genauso schnell fest. Wo nix ist, kann auch nix falsch schmecken oder riechen. In großen Zügen leeren wir unsere Gläser, schmecken noch einmal aufmerksam hinterher, und außer dem Gefühl, jetzt etwas gegen den ersten Durst getan zu haben, bleibt nichts. Rein gar nichts.
Als zweites rücken wir dem Augustiner Lagerbier Hell zu Leibe. Ein Kultbier aus München. Wer in der Stadt etwas auf sich hält, trinkt kein Löwenbräu, Paulaner, Hofbräu oder Spaten, sondern, weil die Schickeria sich eben nicht wirklich auskennt, statt der Giesinger Erhellung aus der aufstrebenden Kleinbrauerei eben das Augustiner, immerhin ja auch eine Familienbrauerei. Das klassische Wegbier der Münchner, die perfekte Begleitung für einen Grillabend am Flaucher, die ideale Wegzehrung in der U-Bahn, der kleine Genuss am Kiosk oder der Bushaltestelle. Kultbier, halt.
Auch hier haben wir alle dasselbe Bier vor uns stehen. Die Farbe ist etwas kräftiger als beim Büble-Bier, und der Geruch ebenfalls. Aber … was spüren wir denn da? Ist das ein Hauch von Diacetyl? Oder doch eher DMS, Dimethylsulfid? Irgendetwas ganz leicht Buttriges (oder ist es doch eher gemüseartig?) schwebt als zarter Hauch über dem Bier. Nicht wirklich störend, aber doch so, dass man es beim bewussten Verkosten merkt. Rasch ist es wieder verflogen, und nun folgt ein recht weicher, runder Gesamteindruck. Nicht allzu intensiv, das erwarten wir beim Bayerischen Hellen aber auch gar nicht, aber schön ausgewogen. Ob die paar Sinneseindrücke genügen, um das Bier zum Kultbier zu machen? Oder ist es nicht doch einfach nur die Gewissheit, nicht konzernabhängig zu trinken, dass die Münchner zu diesem Bier treibt?
Na, eins geht noch, dann trinken wir schnell noch das Hessenquell Landbier. Zwar nicht ganz ein bayerisches Helles, aber stilistisch doch nicht sehr weit davon entfernt. Ein bisschen dunkler, ein Goldgelb, statt eines Blassgelbs. Ein bisschen runder und voller, etwas vollmundiger und malziger. In der Summe sehr gefällig, schön trinkbar, und wir sind uns einig: Im von uns nicht wirklich goutierten Portfolio der Licher Privatbrauerei sicherlich zur Spitze gehörend. Ein schönes, rundes, nahrhaftes Alltagsbier.
Zwei weitere Biere könnte ich noch aufbieten, signalisiere ich meinen Mitverkostern, aber das sind dann Biere, die oben im Nassauer Land nicht zu kaufen gewesen sind:
Das Hofbräuhaus Helles Vollbier als Standardbier in der bekanntesten Bierschänke der Welt, in der aufgrund ihres Touristenimages von den Einheimischen oft als Nepp unterschätzten Schwemme, in der bei durchaus würzigem Bier, solider regionaler Küche und kräftiger Blasmusik Menschen aus aller Welt zusammenfinden und -feiern. Zumindest in Vor-Corona-Zeiten…
Und das Original Hell der Meckatzer Brauerei, ein typisches Allgäuer Alltagsbier. Wenig Hopfenbittere, gerade nur so viel, dass die Süße des Malzes nicht klebrig wirkt und den Durst zu früh löscht. Mild und rund, weich und fein ausgewogen.
Aber fünf Halbe sind vielleicht doch des Guten zu viel, und so werden diese beiden Biere nicht mehr gemeinsam verkostet, sondern separat geprüft (und für gut befunden).
Fast drei Stunden gemeinsamer Genuss, Fachsimpeleien über das Bier, Anekdotisches aus gemeinsamen Bier- und Brauerlebnissen und das Schwelgen in Erinnerungen – das Internet macht es auch in Pandemie-Zeiten möglich. Es ist nicht ganz das volle Biergartenerlebnis, aber besser als ganz allein vor der Bierflasche zu hocken, ist es allemal!
Ein virtuelles „Cheers!“ klingt einmal quer durch Deutschland.
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