Ich bekomme mal wieder eine Art Pressemitteilung: „Lieber Volker, tu Gutes und sprich darüber (…) Wir würden uns freuen, wenn unsere Initiative auf euer Interesse stößt und einen Platz in eurer Berichterstattung findet.“
Okay, das habe ich verstanden.
Aber worum geht es eigentlich?
Bunte Farben, wichtige Schlagworte. Aber: Worum geht es eigentlich?
„Vier internationale Künstler“ gestalten „mit der bayerischen Craft-Beer-Brand AND UNION“ eine Limited Edition von Art Crates „für die Kitchen Guerilla und ihren guten Zweck.“ Art Crates – Kunst-Bierkisten oder künstlerische Bierkisten, also. Aha! Mit einer Craft-Beer-Brand, einer Art Scheinbrauerei, also. Das ist etwas, das so tut, als sei es eine Brauerei, ist aber in Wirklichkeit nur eine Marke. Nochmal aha!
Wenn ich nun aber denke, dass sich irgendwo ein Text findet, der mir in einem Absatz erklärt, was Art Crates sind, was sie kosten und wie und mit welcher Summe sie zu welchem guten Zweck beitragen, dann habe ich mich geirrt.
Ich irre durch die zum Download angebotenen Informationsmaterialien. Ich klicke mal hier, lade da mal was runter, und mit viel Mühe setzt sich ganz langsam ein Bild zusammen.
Ich entdecke zum Beispiel eine Datei namens „full_information_project_deutsch“. Mal abgesehen davon, dass sie ihren sprachlichen Widerspruch schon im Namen trägt, verrät sie mir immerhin, dass es nicht um Art Crates, also um künstlerische Bierkisten geht, sondern lediglich um 30 mal 40 cm² große Holzplatten, die eine normale Plastik-Bierkiste in ein Kunstwerk verwandeln. Klingt leider nur noch halb so aufregend wie die Idee eine künstlerischen Bierkiste.
Ein schönes Holzbrettchen.
Aber unter einer künstlerischen Bierkiste habe ich mir etwas anderes vorgestellt.
Aber klicken wir mal weiter. Viele bunte Bildchen finde ich. Die vier verschiedenen bemalten Holzplatten in unterschiedlicher Umgebung, zum Beispiel. Knallbunte Rechtecke mit Schlagworten, denen man anmerkt (Vorsicht, Sarkasmus!), dass sich Heerscharen von kreativen Köpfen nächtelang mit ihnen beschäftigt haben: „A Charity Collaboration“, „4 International Artists, 1 Mission“, „1000 Meals for People in Need“ und „A Limited Edition for Unlimited Support“. Hinter den Worthülsen immerhin eine (!) brauchbare Information: Es geht um 1000 Mahlzeiten für Menschen in Not.
Wer kocht die? Ich klicke weiter.
Kitchen Guerilla lese ich, aber auch SoliKüche. Ist das jetzt dasselbe? Das Gleiche? Zwei verschiedene Projekte? Ich muss erstmal googeln, um das herauszubekommen – die vielen Megabytes an Dateien mit so kryptischen Namen wie „._c_xuli_v1“ helfen da nicht weiter, sondern führen eher zu Fragen wie „Wer kotzt denn solche Dateinamen einem Dritten einfach so vor die Füße?“
Respekt vor diesen aussagekräftigen Dateinamen!
Kitchen Guerilla ist „eine mobile Kocheinheit und Kreativagentur für Essen und Trinken“, erklärt mit Onkel Google. SoliKüche hingegen ist ein Hashtag und ein Projekt von Kitchen Guerilla: „In der #SoliKüche bereiten wir einzeln verpackte Essens-Pakete für Wohnungslose und Bedürftige zu.“
So langsam, nach viel Klickerei und Sucherei, formt sich ein Bild. Durch den Verkauf der Holzbrettchen soll so viel Geld zusammenkommen, dass damit 1000 Mahlzeiten für Bedürftige finanziert werden können. Das ist lobenswert, hätte man aber auch schon mit einem einzigen Satz in der Ursprungs-eMail so schreiben können.
Bleibt noch die Frage, wie sich die Finanzierung zusammensetzt. Erneut viel Klickerei. 100 Holzbrettchen gibt’s. Auf der Seite von Kitchen Guerilla erfahre ich, dass eine Mahlzeit mit sieben Euro angesetzt wird – damit wird den Obdachlosen und anderen Menschen in Not ein Essens-Paket geliefert und es bleibt noch ein bisschen für Kitchen Guerilla übrig. Macht bei 1000 Mahlzeiten 7000,- EUR, also pro Holzbrettchen 70,- EUR.
Kosten tun die Holzbrettchen (aber auch das finde ich erst, wenn ich auf die Website von AND UNION gehe) 149,- EUR, schließen dann aber eine Plastikkiste (einen neutralen Logipack-Kasten) und zwanzig Halbliterflaschen Bier mit ein. 79,- EUR also für zehn Liter Bier, den Anteil für die Künstler, die die Holzbrettchen entworfen haben, und die Herstellung.
Kann man machen. Wenn man zum Beispiel davon überzeugt ist, dass es einem Designprofessor zu Gesichte steht, dass er „aussagekräftige Botschaften und plakative Typographie“ fusioniert und so zum Schriftzug „NOW? YES!“ kommt.
So sehen die Holzbrettchen aus,
wenn sie mit Logipack-Bierkästen zu Art Crates zusammengefügt werden.
Ich für meinen Teil bin aber nach all diesem Zusammensuchen von Informationen dieses Projekts erstmal müde – trotz der zweifelsohne löblichen Absicht dahinter. Liebe Kreativagentur Karl Anders, halt nein, Ihr schreibt Euch ja laut eMail-Footer so schrecklich kreativ wie alle anderen Kreativen auch, lieber klein und in einem Wort, also karlanders GmbH, haha, wie originell …
Also, nochmal von vorn: Liebe Kreativagentur karlanders, lernt bitte, Eure Pressemitteilungen so zu schreiben, dass sie auf den Punkt kommen, und die dazugehörigen Materialien professionell aufzubereiten (das Künstlerkollektiv Chu Doma ist bei Instagram sicher nicht unter @sozyone zu finden, und der Künstler Sozyone sicherlich nicht unter @chudoma, auch wenn Ihr das in diesem Dokument „full_information_project_deutsch“ behauptet), und dann unterhalten wir uns nochmal. Okay?
._.DS_Store weißt auf Apple-Benutzer hin, die wissen halt nicht, was sie tun.
Hallo, Horst,
das weiß ich schon, c_xuli_v1 ist aber beispielsweise eine Windows-Datei und auch nicht sinnvoller benamt. Vernünftigerweise hätte man jeder Mediendatei einen auch für Außenstehende nachvollziehbaren Namen gegeben (Art Crate Design Xuli, zum Beispiel), dann alles in zwei Ordner sortiert (einen für Apple, einen für Windows), auf Ordner der Zwischenebene mit Benennungen wie „6-er“ verzichtet, weil die auch niemandem weiterhelfen, und dann zwei Links für den Download in die Werbe-eMail gepackt – einen für Apple- und einen für Windows-Nutzer.
Das, was hier gelaufen ist, ist in hohem Maße unprofessionell. Ärgerlich, da eine Kreativagentur für diese laienhafte Arbeit ja Geld erwartet.
Mit bestem Gruß,
VQ
Ich wollte damit nicht die völlig berechtigte Kritik von dir an der komischen technischen Umsetzung diskreditieren, sondern nur zum Ausdruck bringen, dass von Apfelnutzer*innen der organisierte und sinnvolle Umgang mit Datei(struktur)en eher nicht erwartet werden kann. Das hat man denen schon sehr früh abtrainiert. (Aus beruflichen Gründen muss ich mich leider seit über zwei Jahrzehnten mit den Obstkisten rumplagen.) Und selbstverständlich kann man auch mit Windows, ja sogar Linux den gleichen Mist verzapfen.
Keine Sorge, das hatte ich schon richtig verstanden, Horst. Alles gut!
Man sollte von einer bezahlten Kreativagentur halt trotzdem etwas mehr verlangen können …