Esther Isaak:
Unsere Freiheit wird wo verteidigt?

Freiheit?

Fragen kann ich mich das schon, was eigentlich Freiheit sei. Es gibt sie, die Freiheit zu tun und zu lassen, worauf ich Lust habe, aber diese Freiheit hat ihre Grenzen. Die Grenzen sind genau da, wo die Freiheit des anderen anfängt.

Beispielsweise darf ich gegen das Reinheitsgebot wettern, darf darauf hinweisen, dass es dieses so gar nicht gibt, darf es einen Verbraucherbetrug nennen, darf die ca. 60 Hilfsmittel aufzählen, die der Produktion eines Industriebieres zur Verfügung stehen, darf darauf hinweisen, dass Weizen und Hefe nie ein Bestandteil des 500 jährigen Reinheitsgebotes waren usw. Das alles darf ich.

Natürlich darf ich mich auch vom Reinheitsgebot befreien, indem ich nur unreine Biere, also Biere, die ohne chemische Hilfsmittel gebraut sind, trinke.

Wie ist es jedoch, wenn ich behaupte, dass die unreinen Biere, die Kreativbiere, und zwar die kaltgehopften, theoretisch pestizidbelastet sein müssten, und zwar mehr als ein Industriebier. Wie komme ich darauf? Beim Hopfenkochen hätten manche Gifte noch die Chance, zu verdampfen. Wohl gemerkt: Ich habe es nicht untersuchen lassen, ich halte es nur für wahrscheinlich.

Darf ich solche Vermutungen äußern? Ich glaub schon, aber es würde mir keine neuen Freunde bringen. Ich verlöre vielleicht sogar welche. Jedoch steht es mir zu, mich auch dahingehend zu befreien, dass Freunde mir nicht wichtig sind, sondern einzig und allein die Wahrheit zählt.

Freiheit ist ein großes Gut. Wer frei ist, darf sich alles erlauben. Wirklich? Darf ich beispielsweise sagen, dass die meisten Artikel und viele Bierauszeichnungen gekauft sind. So lange ich nicht Ross und Reiter nenne geht das durch. Wahrscheinlich.

Freiheit zu Offenheit. Ich hätte kein Problem damit, über manche Brauereien im Auftrag zu schreiben, wenn es die Anmerkung gäbe: „Dieser Artikel wurde von der Brauerei Sowieso mit einer Anzeige finanziert.“ Jedoch hätte ich hier auch eine Einschränkung: Ich muss das wiedergeben dürfen, was ich vorgefunden habe.

Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten! Oder?

Während des Nachdenkens über Freiheit, kommt mir ein anderer Begriff in Erinnerung: „Gewerbefreiheit“. Gewerbefreiheit ist ein Gut, um das es schon in der Französischen Revolution ging. Jeder hat die Freiheit, seinen Beruf so auszuüben, wie es ihm gefällt.

Das würde im Bierkontext heißen:

Jeder darf das brauen, was ihm schmeckt und was er kann. Natürlich ist es verboten, andere zu vergiften. Da fängt die Freiheit des anderen an. Jeder darf sich selber, aber nicht andere vergiften. In Deutschland kommen dann ein paar Gesetzesparagraphen zum Tragen, die das Vergiften anderer zu verhindern wissen. Da aber britische und belgische Bierstile den Germanen nicht vergiften, gilt hier anzumerken, dass die aktuelle Gesetzeslage die Gewerbefreiheit der Brauer behindert. Hat sich schon jemand dahingehend befreit?

Das ist nämlich auch eine Form von Freiheit: Ich kann mich von etwas und zu etwas hin befreien.

Also fordere ich heute: „Gewerbefreiheit für das Deutsche Brauwesen!“

Autor: Esther Isaak
wiederveröffentlicht von Bierguerilla
mit freundlicher Genehmigung der Autorin

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