Express de Lyon
Paris
FRA

Die Bar Express de Lyon direkt vor dem Gare de Lyon in Paris ist so viel mehr als nur eine Bierbar. Sie ist Frühstücksraum, Nachbarschaftstreffpunkt, Lunchbar, Anlaufstelle für Reisende, ein Platz zum Abendessen, Sammelbecken für Nachtschwärmer und …

… natürlich ist sie auch eine ausgezeichnete Bierbar.

Ich laufe auf den Lyoner Bahnhof in Paris zu und sehe schon von weitem den typischen Uhrenturm auf seinem Dach. Aus Stein gemauert ist er, und die riesigen altmodischen Zifferblätter leuchten weit durch die regentrübe Nacht. Und kurz bevor ich den Bahnhof erreiche, liegt sie rechter Hand vor mir, die Bar Express de Lyon. Die typische Markise, die einen Teil des Bürgersteigs überdacht und Platz bietet für ein paar winzige Bistrotischchen, ist beschriftet mit den großen und berühmten Biermarken Belgiens: Chimay, Karmeliet, Leffe, Duvel, Chouffe lese ich. Und – Schreck lass nach! – Heineken. Fast wäre ich auf der Stelle umgekehrt. Heineken … Die Perfektion der Abwesenheit jeglichen Geschmacks …

Express de Lyon

Mutig betrete ich die Bar trotzdem. Die Belgier haben mich überzeugt. Und die positiven Berichte im Internet. Sofort umfängt mich eine bunte und warme Atmosphäre. Stimmengewirr in vielen unterschiedlichen Sprachen. Menschen unterschiedlicher Abstammung und Nationalität. Die Welt ist so wunderbar bunt, und hier sind alle Farben und Formen vertreten. Der aalglatte Geschäftsmann im Nadelstreifenanzug; der altmodische Pariser mit Mantel, Hut und Ledertasche; Jugendliche schwarzafrikanischer und arabischer Abstammung; zerzaust-ungepflegte Intellektuelle. Aber natürlich auch das weibliche Geschlecht. Die nuttengleich zu stark geschminkte, zu stark wasserstoffblondierte Gespielin eines mürrischen, offensichtlich russischen Geschäftsmanns; die Sekretärin im schwarzen Kostüm; die etwas ältere und robuste Mama aus der Nachbarschaft, im groß geblümten Kleid; die jungen Studentinnen, von der kleinen, gerade einmal 1,55 m großen und hoffnungslos übergewichtigen Kampfkugel bis zur dürren Bohnenstange. Ich verstehe, warum so viele Zeichner und Cartoonisten hier in den Pariser Bars ihre Anregungen und Vorbilder gefunden haben und immer noch finden.

ein Schmelztiegel von Typen, Ethnien und Nationen

Ich finde eine kleine Lücke und stelle mich an die Theke. Die Kreidetafel an der Rückwand listet eine spannende Mischung von Bieren aus aller Welt auf. Kanada, Belgien, Großbritannien, Dänemark, USA. Bekannte und weniger bekannte Biermarken sind dabei. Ich muss laut auflachen, als ich lese: Königsbacher Pils aus Koblenz. „Ausgerechnet …“, denke ich mir, „das passt allerdings nahtlos zur Heineken-Reklame draußen auf der Markise!“

Der Barmann schaut mich ob meines Lachens erstaunt an. Ich wedle mit der Hand. „Nee, nee, alles in Ordnung“, grinse ich noch und bestelle mir eine Hopfenweisse. Nicht aus Kelheim von der Schneiderbrauerei, sondern aus Kanada, von der Brauerei Les Trois Mousquetaires in Quebec. Kräftig herb und ausgeprägt hefig macht es seinem Namen alle Ehre, lässt aber ein wenig Spritzigkeit vermissen und wirkt etwas kantig, unausgewogen.

heute nur ein Bier

Von meinem Platz hier an der Theke kann ich die ganze Bar einsehen. Die Sportfans, die gebannt auf den Bildschirm starren, wo irgendwelche alten Tennisspiele wiederholt werden. Die Studenten, die sich im Dutzend um einen winzigen runden Tisch zwängen. Immer wieder kommt noch einer dazu, der sich dazwischendrängt und die Runde noch größer, noch fröhlicher macht. Die Pärchen, die an den kleinen Tischen am Fenster sitzen und turteln. Und der russische Geschäftsmann, der schlecht gelaunt mit seinem Telefon hantiert, viel zu laut spricht und seine sich zu Tode langweilende Blondine hartnäckig ignoriert.

die Bar hätte noch eine große Auswahl geboten

Stundenlang könnte ich hier stehen, die Menschen beobachten und mich durch die interessante Bierkarte verkosten. Keine Minute würde mir langweilig. So viel buntes Leben, so viele leckere Biere. Eine schöne Bar. Und eine, die eigentlich immer offen ist, vom frühen Morgen bis spät in die Nacht. In der sich das Leben der Großstadt wie unter einem Brennglas widerspiegelt. Tag für Tag. Nacht für Nacht.

Die Bar Express de Lyon ist täglich ab 06:30 Uhr bis weit nach Mitternacht geöffnet; sonntags „erst“ ab 07:30 Uhr. Kein Ruhetag. Sie liegt genau gegenüber vom Gare de Lyon auf der anderen Seite des Bahnhofsvorplatzes und ist somit – na, wie wohl? – am besten mit der Bahn zu erreichen. Vom TGV über RER bis Metro hält hier so ziemlich alles.

Bilder

Express de Lyon
1, Rue de Lyon
75 012 Paris
Frankreich

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