Man kann auch auf kleinen und simplen Sudwerken hervorragende Biere brauen. Wenn man weiß, wie’s geht. Und einer, der weiß, wie’s geht, das ist der Brauer im Lichtenthaler Bräu. Gut gelaunt und bescheiden steht er vor uns, fast beiläufig zeigt er auf das kleine Dreher-Sudwerk an der Seite des Schankraums und erzählt uns, dass er ziemlich oft brauen müsse – die Nachfrage sei recht hoch, und das Sudwerk recht klein. Aber jetzt sollten wir erst einmal was essen und seine Biere verkosten, und danach würde er uns gerne alles im Detail zeigen.
das kleine Sudwerk stammt von der Firma Dreher
Das lassen wir uns nicht zweimal sagen – immerhin haben wir schon einen langen Tag in Wien hinter uns und sind richtig hungrig. Deftiges Essen verspricht die Speisekarte, und dazu, hm, mal blättern, ein gutes halbes Dutzend verschiedene Biere. Na, dann wollen wir mal.
Die freundliche und gut gelaunte Kellnerin zeigt sich flexibel. Große Biere, kleine Biere, wir wollen aber ein Bier, das wir uns teilen – jeder Sonderwunsch kann berücksichtigt werden. Selbst der Wunsch einer gesundheitlich angeschlagenen Mitreisenden nach Pfefferminztee. Spöttisch missbilligende Blicke nur seitens der Biergenießer, die Kellnerin nimmt es gelassen.
Eine Minute später ist sie schon wieder da. „Aha, war also doch zu kompliziert“, lästern wir in Gedanken. Aber nein, ganz im Gegenteil: Sie denkt mit. „Das Roggen ist gleich aus“, sagt sie. „Ich kann Euch noch ein großes Glas zapfen, und dann mal sehen, wie viele kleine Probiergläser ich noch mit dem Rest vollbekomme. Ist das in Ordnung für Euch!“ Und wie in Ordnung das ist. Probiergläser. Jawoll, die gute Frau hat verstanden.
Probierglas
Wir bekommen also unsere Probiergläser mit dem Roggenbier, daneben aber auch „normale“ Glasgrößen mit Hellem und mit Dinkel, letzteres frisch angestochen, als Nachfolger des Roggens. Die Eindrücke sind gemischt. Das Roggen ist ganz leicht säuerlich, hat vielleicht schon einen leichten Stich, gut, dass es alle ist. Das Helle ist ein solides Alltagsbier, zum Zischen gegen den Durst. Das Dinkel hingegen vermag zu überzeugen. Ein würziges, fruchtiges und sämiges Bier. Sättigend und nahrhaft, und doch gleichzeitig auch erfrischend. Prima!
Das Essen kommt und unterbricht unsere Bierprobe. Ordentliche Portionen, gute Qualität. Wir sind zufrieden, hauen ordentlich rein, und mit gefülltem Bauch können wir uns nun der weiteren Verkostung widmen.
Das IPA 60 steht als nächstes auf dem Programm, ein leckeres und sehr kräftig gehopftes India Pale Ale. Schöne, aber nicht zu dominante Fruchtnoten im Aroma und eine sehr kernige Bitter. Der Name spricht für sich – die 60 steht für die 60 Bittereinheiten dieses Biers. Ein Hammer.
Als nächstes das Coffee Break, ein dunkles, kräftiges Bier mit prägnanten Kaffeenoten. Frisch, röstig, duftig. Gut gelungen. Die Kaffeekränzchenfraktion ist begeistert, hätte am liebsten jetzt eine Sachertorte dazu. „Oder einen Klecks Schlagobers auf das Bier?“, frage ich, ernte aber nur ein müdes Lächeln.
ab in den Braukeller!
Bevor es mit zwei letzten Bierspezialitäten weiter geht, die nur in der Flasche erhältlich sind, geht es jetzt aber in den Braukeller.
„Das Sudwerk brauche ich Euch ja nicht zu zeigen“, meint der Brauer, dessen Name dem Chronisten – Asche über mein Haupt – entfallen ist. „Das ist Dreher Standard. Steht so x-fach in allen möglichen Gasthausbrauereien in Europa. Die Anlage mit der Schublade. Kennt jeder.“ Und recht hat er. Also auf in den Keller. Wir laufen um das Gebäude herum und tauchen ab in den engen, vollgestellten Keller. Jede Menge Malzsäcke liegen sorgfältig sortiert in jeder freien Ecke herum. Für ein separates Malzlager reicht der Platz im Keller nicht aus. Dazwischen die Schrotmühle oder Getreidequetsche, wie sie sich laut Typenschild nennt. Daneben die kleinen liegenden Lagertanks und davor die aufrechtstehenden, viereckigen Gärbottiche. Offene Gärung. Nur eine Plexiglasplatte liegt lose auf dem Gärbottich und verhindert, dass versehentlich mal irgendetwas in das gärende Jungbier hineinfällt. Vorsichtig hebe ich eine Platte an, luge darunter, mache ein Foto und nehme einen Atemzug. Sehr fruchtig riecht es; ein obergäriges Bier. Vielversprechend.
offene Gärung
Der Hopfen und die KEGs, die direkt mit dem Ausschank darüber verbunden sind, stehen separat in einem kleinen Kühlraum. Und dann ist in einer Ecke noch Platz für ein Holzfass. „Hm, eichenholzgelagertes Bier? Ab wann wird es das denn im Ausschank geben?“, fragen wir. „Leider gar nicht“, lautet die enttäuschende Antwort. „Das ist ein Privatprojekt meines Vorgängers, der das Fass irgendwann noch abholen wird. Aber keine Sorge, ich habe ja erst vor wenigen Wochen hier angefangen. Sowie ich den Produktionsprozess im Schlaf beherrsche, werde ich auch mit exotischen Spezialitäten anfangen und herumexperimentieren. Dann gibt es bestimmt auch mal was im Holzfass Gereiftes!“
Er ist bescheiden, haut nicht auf den Putz. Denn natürlich hat er schon längst angefangen, zu experimentieren, und das ist auch der Grund, warum es die eine oder andere Spezialität nur in der Flasche gibt. Winzige Sude, bei denen es sich nicht gelohnt hätte, ein KEG zu füllen. Zwei Sorten gibt es, wie uns die Kellnerin erzählt, als wir wieder oben sitzen, und natürlich kommen beide auf den Tisch. Ein Salbei Stout, grundsätzlich ein tolles Bier, nur dass der Salbei ein wenig zu dominant ist. Ein dezenterer Einsatz wäre besser gewesen. Und ein Kartoffelbier, bei dem ein Teil der Malzschüttung durch Kartoffeln ersetzt worden ist. Eine etwas raue, kantige Bittere ergibt sich dadurch. Nicht schlecht, aber auch keine wirkliche Offenbarung. Als Experiment interessant, muss man mal probiert haben, aber sicherlich kein Renner, auf den die Kundschaft fliegen wird.
Trotzdem: Hut ab vor der Experimentierlust. Weiter so! Nicht umsonst hat das Lichtenthaler Bräu im vergangenen Jahr die eine oder andere Auszeichnung errungen und wurde von der österreichischen Kampagne für gutes Bier zum Sieger des Lokalaugenscheins 2015 gekürt.
Das Lichtenthaler Bräu ist täglich ab 16:00 Uhr geöffnet; sonntags ist Ruhetag. Zu erreichen ist es bequem mit den Straßenbahnlinien D und 33, Haltestelle Augasse, direkt vor der Tür.
Lichtenthaler Bräu
Liechtensteinstraße 108
1090 Wien
Österreich
Be the first to comment