300 Seiten, ein handliches Format, schönes, weißes Papier, durchgehender Farbdruck – das Buch „Die neue Bierkultur 4.0“ gefällt sofort.
Das Autorenteam, alle drei Autoren sind in der Bierwelt als Koryphäen bekannt und beliebt, hat sich mit diesem Buch das Ziel gesetzt, „ein Handbuch für die immer zahlreicher werdenden Biersommeliers und Bierfans ins Leben zu rufen“, und das ist gut gelungen. Der thematische Bogen spannt sich von der Geschichte des Biers und des Brauens (das ist ein Thema, ohne das kein Bierbuch auszukommen scheint), seinen Rohstoffen, der Technologie seiner Herstellung bis zum Ausschank, bevor es dann über die Sensorik und Vielfalt der Stile zum Marketing und zu einer Analyse des Biertrinkers, des Konsumenten, kommt, dabei Aspekte der Gesundheit und des Sports nicht auslässt und natürlich auch einen Ausblick in die Zukunft wagt.
Ein sehr umfassender Ansatz, dem es zum Glück aber auch gerecht wird.
Markus Fohr, Axel Kiesbye, Wolfgang Stempfl
Die neue Bierkultur 4.0
Begeisterung, Leidenschaft, Faszination
Zwar fällt ein gelegentlich etwas ungleichmäßiger Detaillierungsgrad auf, in der Summe ist dies allerdings nur von geringer Bedeutung: Werden einerseits die Rohstoffe zur Bierherstellung sehr ausführlich dargestellt und sogar deren chemische Parameter eingehend diskutiert, bleibt beispielsweise der Aspekt „Biermarketing“ zunächst eher im plakativen, unverbindlichen Bereich, wenn beispielsweise „Zehn Thesen für erfolgreiches Biermarketing in der Gastronomie“ vorgestellt, diese dann aber nicht wirklich erläutert oder gar operationalisiert werden.
Auf derart in ihrer Rhetorik simple und oftmals hinter eindrucksvollen Schlagworten nur wenig nutzbaren Inhalt verbergende Darstellungen reagiere ich persönlich aufgrund meines hauptberuflichen Hintergrunds (der hohe Führungsverantwortung einschließt) empfindlich.
Auch wenn diese Thesen sicherlich ihre Berechtigung haben, harmonieren sie in ihrer von mir primär als Oberflächlichkeit empfundenen Vereinfachung nicht so richtig mit dem Stichwort „Bierkultur“ im Titel des Buchs. Die detaillierte Rohstoffkunde ist nicht unbedingt zwingender Bestandteil einer Darstellung von Bierkultur, aber erfolgreiches Marketing wäre für das Etablieren einer solchen, insbesondere einer „neuen“, essentiell.
Den Wert des Buchs schmälert dies zum Glück nur wenig, zumal einzelne Aspekte des Marketings in den auf die zehn Thesen folgenden Abschnitten dann doch noch, wenn auch spät und damit etwas aus dem Zusammenhang geraten vertiefend dargestellt werden. Die Freude an der Lektüre ist also trotzdem da.
vielleicht ein bisschen zu plakative „Zehn Thesen für erfolgreiches Biermarketing in der Gastronomie“
Größten Gefallen habe ich an den Abschnitten, die sich mit der Sensorik und der Kombination von Bier und Speisen befassen – hier sehe ich persönlich auch den weitesten Raum für eine erfolgreiche Entwicklung hin zu einer „neuen Bierkultur“, weg von Bier als einem unauffälligen Begleiter, der als Getränk „einfach nur da ist“ und wenig Beachtung erfährt, hin zu einer wertgeschätzten Delikatesse, die sich auch in komplexere Menüfolgen hervorragend integrieren lässt und diese sogar zu bereichern weiß. Sehr schön.
Für einen Moment irritierend ist, dass die Kombination Bier und Käse auf den Seiten 215 und 216 schon überraschend detailliert dargestellt wird, nur um ab Seite 227 noch einmal vertiefend behandelt zu werden. Hier kommt es, vermutlich durch das Zusammenführen von Bausteinen unterschiedlicher Autoren, zu einer gewissen Doppelung der Informationen (Festbier passt zu würzigem Bergkäse, Schwarzbier zu Käse mit Nussaromen). Schlimm wäre es allerdings gewesen, hätten sich hier Widersprüche gefunden …
Etwas philosophisch wird das Buch (und das meine ich durchaus positiv) im Kapitel „Der Bierkonsument – psychologische Faktoren“. Auch wenn die Abschnitte etwas umständlich betitelt zu sein scheinen („Vermittlung von Trinkmotivationen aus physiologischer, sozialer und psychologischer Sicht“, „Vermittlung von Trinkbedürfnissen, die ihren Ursprung im Trieb, Gewohnheitenbildung und Sucht haben“, „Vermittlung von praktischen psychologischen Tricks zur Erhöhung des Bierumsatzes in der Gastronomie“), geben sie doch gute Anleitung, Bier so in den Mittelpunkt zu stellen, dass sich ein Fundament ergibt, auf dem „eine Liebe zum Lieblingsprodukt vieler Menschen“ entwickelt werden kann.
im Kapitel über Hopfen wird es ziemlich wissenschaftlich
Das Buch ist unter anderem als Handbuch für angehende und frisch ausgebildete Biersommeliers gedacht. Stellenweise weist es daher Skript-Charakter auf, wirkt also wie die Mitschrift einer Vorlesung, ohne das darunter allerdings das Lesevergnügen leidet.
Unterm Strich: Es waren durchaus gut investierte dreißig Euro.
Halt, nein, in Deutschland werden Buchkäufer ja immer noch als naiv gegenüber Schwellenpreisen betrachtet (sind es leider und vermutlich auch …), so dass das Buch mit 29,90 Euro bepreist ist. Drauf gepfiffen, auf diesen Groschen, aber … Nun, ja …
Also: Durchaus gut investierte 29,90 €.
Markus Fohr, Axel Kiesbye, Wolfgang Stempfl
Die neue Bierkultur 4.0
Begeisterung, Leidenschaft, Faszination
Fachverlag Hans Carl
Nürnberg, 2018
ISBN 978-3-418-00130-2
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