Tbilisi:
Eine kurze Geschichte von der vergeblichen Suche nach den Braukesseln (in drei Teilen).
Teil 1: Mirzaani
Müde schleppe ich mich nach einem langen Konferenztag mit Vorträgen und Diskussionen zurück ins Hotelzimmer, in dem mich meine holde Ehefrau schon erwartet. „Ich habe eine Überraschung für Dich“, sagt sie und hält mir ihr Telefon vor die Nase. „Kuck mal! Brewery Mirzaani. Habe ich heute entdeckt. Ich! Nicht Du! Und vor allem: Das ist gerade mal zwei Minuten zu Fuß vom Hotel. Los, dusch Dich, zieh Dich um, in einer Viertelstunde geht’s los. Hopp!“
Brewery „Mirzaani“
Das lasse ich mir natürlich nicht zweimal sagen, und im Nu sind wir auf dem Weg. Aus den versprochenen zwei Minuten werden zwar sieben bis acht, aber das ist schon in Ordnung. Vor uns taucht das runde Schild Brewery „Mirzaani“ auf, eine gemütliche dicke Frau in Rot trinkt an einer weißen Theke ein Bier. Naive Malerei, aber nett anzusehen.
Wir setzen uns draußen an die Straße. Die Rustaveli-Straße ist zwar stark befahren, es ist laut und staubig, aber dafür gibt es auch immer was zu sehen. Die Georgier sind begnadete Autofahrer, soll heißen, sie glauben fest daran, ohne jegliche Regeln auskommen zu können, und so ist allein das Beobachten des alltäglichen Straßenverkehrs spannender als mancher deutscher Provinz-Tatort.
Drei Biere gebe es, erzählt uns der freundliche junge Kellner in ganz passablem Englisch. Ein Weißes aus Gerste, das hieße Black Lion, dann ein Weißes aus Weizen, das hieße White, und ein Schwarzes aus Gerste, das hieße Black, aber das würde er nicht empfehlen, das wäre nicht so gut wie die ersten beiden.
das Weizen
Wir fangen mal der Reihe nach an und bestellen uns die beiden weißen Biere. Dazu eine kleine Käseplatte mit georgischem Käse. Beide Biere, sowohl das Black Lion als auch das White erweisen sich als schnell wegzischbare Dutzendware. Lecker und erfrischend, im Nu sind sie in der Kehle verschwunden, der Tag war lang, heiß und für meine Frau auch staubig. Enttäuscht sind wir nicht, denn wir haben keine Geschmacksfehler entdecken können. Aber eben auch keine nennenswerten Besonderheiten. Vielleicht eine ganz leichte Kratzigkeit, keine weiche und feine Bittere, aber das wäre es schon an Kritik.
Die drei Käsesorten dazu sind wesentlich individueller. Luftgetrocknet und dann geräuchert der eine, gummiartig fest, aber mit einem tollen Aroma, ein wenig an den polnischen Oscypek erinnernd. Salzig und aromatisch der zweite, so eine Art Feta, aber fester in der Konsistenz. Und ähnlich, aber etwas bröseliger, nicht ganz so salzig der dritte. Von allen drei Sorten gibt es reichlich, dazu ein paar Oliven.
Hach, was will der Mensch mehr. Süffiges Bier, leckerer Käse, salzig genug, dass der Durst nicht vorbeigeht, dazu großes Kino auf der vier- bis achtspurigen Straße, je nach Interpretation der Autofahrer, und dann und wann eine hübsche Blondine in kurzem Rock und mit High-Heels. „Heh, hier steht das Bier! Du verrenkst Dir noch den Hals!“, tönt es. Okay, also keine georgischen Blondinen. Ich wende mich wieder dem Autoverkehr zu …
Stattdessen, statt der Blonden, dann wenigstens aber noch ein kleines Schwarzes. Gegen den Rat des Kellners. Und siehe da: Es entpuppt sich als feines Schwarzbier. Schlank und elegant, hopfig und trocken, mit einer ganz leicht metallischen Note. Durchaus sympathisch. Und nach unserer Meinung das beste der drei hier servierten Biere.
der Löwenkopf – das Symbol der Brauerei
Jetzt kommt die Herausforderung an unseren Kellner. Wo steht den die Brauerei? „Broo’eh’rie?“ Mit diesem Begriff kann er nichts anfangen. „Пивоварне Котел“, „Bierkessel“, radebreche ich in Pidgin-Russisch. Grammatisch vermutlich völlig falsch, aber es hilft. „Not here. Other place. But is our beer! No big beer – our beer!“ lautet die stolze Antwort.
Also, keine Brauerei hier an der Rustaveli-Straße, nur ein Ausschank. Schade. Aber immerhin … que!
Wir schauen uns das Restaurant trotzdem noch näher an. Ein paar Tische an der Straße, eine schlichte, straßencafé-artige Einrichtung im Erdgeschoss. Nicht wirklich einladend. Im Keller aber mehrere gemütliche Schankräume, zentral die Theke, an der das Mirzaani-Bier gezapft wird. Und eine kleine Bühne. Später am Abend, wenn die Georgier so richtig aufdrehen, und der bierreisende Chronist ob seiner hauptberuflichen Verpflichtungen schon längst im Bett liegt, ist hier mit Sicherheit der Bär los. Und der junge Kellner nickt, als hätte er meine Gedanken gelesen. „Later! Many people, good music, people dance and sing!“ lacht er und macht uns das vernunftgesteuerte Loslösen so richtig schwer. Aber es muss genug sein für heute. Schade.
Das Restaurant „Mirzaani“ ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend bis spät in die Nacht geöffnet. Zu erreichen ist es natürlich mit dem Auto über die große Rustaveli-Straße, aber bei der Parkplatzsuche wünsche ich viel Glück! Mit der Metrolinie M1, Station Rustaveli, oder den gelben Stadtbussen, Haltestelle Oper, mit mehr als einem Dutzend Linien, ist es wesentlich angenehmer. Und Taxis sind in Tbilisi ebenfalls eine recht preiswerte Option.
Restaurant „Mirzaani“
რესტორანი „მირზაანი“
38, Shota Rustavelis Gamziri
0108 Dzveli Tbilisi
Georgien
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