craftbeer. Klein geschrieben. So, wie es einer der beiden Chefredakteure zum Leidwesen vieler Leser in seinen Blogbeiträgen bevorzugt. Und englisch. Nicht deutsch. Ein Magazin für Bierbraukunst, wie der Untertitel verspricht.
craftbeer
Ich musste natürlich sofort zugreifen. Ein weiteres Magazin, neben Bier & Brauhaus – Das Infomagazin für Biergenuss und Braukultur und Craft – Meiningers Magazin für Bierkultur nun das dritte in Deutschland herausgegebene zum Thema Bier. Ist dafür Platz auf dem Markt? Die nächsten Monate werden es zeigen.
Der erste Eindruck: Über 100 Seiten, durchgängig farbig auf festem, hochwertigem und glänzendem Papier. 7,50 € ein stolzer Preis. Einmal mit dem Daumen durchgeblättert – alle wichtigen Themen sind abgedeckt: Brauereien, Bierszene in Berlin und Hamburg, Bierfestivals, Interviews, Hobby-Brauen, Bierverkostung und – natürlich! – die Stereotypen Reinheitsgebot, Grillen & Bier und Fußball & Bier. Ohne die scheint es in Deutschland nicht zu gehen. Alles dabei. Vielversprechend.
Mit viel Vorfreude gehe ich an die genauere Lektüre, muss aber erst ein paar Stolpersteine überwinden, bevor das Heft gut wird. Schon auf Seite 4, als Bestandteil des Inhaltsverzeichnisses, der Bier-Index. Ein bisschen misslungen. Eigentlich sollte es wohl eine Liste der im Heft besprochenen Biere sein, denke ich mir. Und somit ist es zum allergrößten Teil deckungsgleich mit dem Inhalt des Kapitels Craft-Bier im Test. Alle weiteren (wenigen) im Index aufgeführten Biere finden sich eher am Rande in den Text eingestreut, ohne dass es viel Informationen zum Bier gibt – zum Beispiel das Baltic Porter Hafensänger von Mashsee. Nur kurz mit einem Satz als passendes Bier zum Lammkotelett erwähnt. „Ein kräftiges Bier, bei dem der Geschmack von Malz und Röstaromen dominiert.“ Vielleicht etwas zu wenig Information, als dass es eine Erwähnung im Bierindex verdient hätte. Noch nicht einmal der Alkoholgehalt ist angegeben. Dann hätten doch konsequenterweise auch die Biere, die im Kapitel Bier-Stile als Beispiel aufgeführt werden (Amarsi, Schoppe XPA, aber auch Erdinger Alkoholfrei und Pilsener Urquell), eine Aufnahme im Bier-Index verdient gehabt.
Ein weiterer Stolperstein schon nach dem nächsten Umblättern: Bier-Fakten. Der Rekord im Bierkrugtragen, der Pro-Kopf-Konsum in Deutschland, der Weltrekord für das Bier mit dem höchsten Alkoholgehalt und der lateinische Name für die Angst vor leeren Gläsern. Was das mit craftbeer zu tun hat? Ich weiß es nicht. Zumal die Zeile „Der Pro-Kopf-Konsum hat sich seit 1950 in Deutschland verdreifacht“ irreführend ist. Bereits 1980 hatte er sich nämlich schon mehr als vervierfacht, und ist seitdem wieder auf dem Abstieg. Hört sich eher nach einem Werbestatement des Deutschen Brauerbundes an.
übersichtliches Layout
Ab Seite 12 wird’s dann aber besser, die Stolpersteine sind überwunden. Es folgt ein lesenswertes Feuerwerk von kurzen und längeren Reportagen. Vom Anstich des Hamburger Senatsbocks, von der Braukunst Live!. Detaillierte Bestandsaufnahmen der Bierszenen in Berlin und Hamburg. Einige Berichte von kleinen und größeren Brauereien. Alles sehr lesenswert und flüssig geschrieben. Macht Spaß. Und ermuntert, selbst mal wieder nach Hamburg, Berlin oder sonstwo zu fahren und die Bierszene zu erkunden.
Die schiere Vielzahl der Berichte erschreckt fast. Bleiben denn dann noch genug Themen für das nächste Heft, die nächsten Hefte? So viel Information in einem einzigen Magazin – das ist schon eine Ansage. Großes Lob!
Allerdings hätte es genau deswegen der Stereotyp-Reportagen gar nicht bedurft. Das Grill-Spezial? Naja. Die Liste der angeblichen Lieblingsbiere in den 24 Nationen der Fußball-WM? Lieblingsbier ist vielleicht der falsche Ausdruck – offensichtlich ist es doch eher der höchste Durchschnittswert bei Untappd, der insbesondere bei seltenen Bieren von einer kleinen Gruppe fleißiger Fans überdurchschnittlich hochgetrieben werden kann? Und wieso ist ausgerechnet in Polen, einem Land mit einer pulsierenden und reichhaltigen Bierszene ein Pseudobier an der Spitze, das mit 720 g Honig pro Liter eher ein Met oder Braggot ist, als ein Bier? Und vor allem: Selbst ich als guter Kenner der polnischen Bierszene kenne weder dieses „Bier“, noch jemanden, der dieses „Bier“ mag oder wenigstens kennt … Aber gut, so erweitert diese Doppelseite auch meinen Horizont.
Das letzte Stereotyp – das Reinheitsgebot. Ein erfreulich guter Bericht. Viele Fakten, keine Demagogie. Ich bin positiv überrascht!
In der Summe ein schönes Heft, und ich werde mir definitiv die nächste Ausgabe erneut kaufen – trotz der zahlreichen Schreibungen craftbeer, Craftbier, Craftbeer, Craft Bier, Craft-Bier und Craft-Beer.
Aber eins geht meines Erachtens gar nicht! So was von überhaupt nicht! Und das ist die Doppelseite 110/111, „Craft Bier Händler“. Dem Leser wird suggeriert, hier eine umfassende Liste der Craftbier-Händler in Deutschland zu finden. Das ist sie aber gar nicht. Erstens fehlen einige mir bekannte, und zweitens prangt direkt neben der Liste die Anzeige „Dein Craft-Bier-Geschäft fehlt in unserem Händler-Guide? Einen Eintrag kannst Du schon für 99 Euro buchen.“ Aha, denke ich mir. Also keine umfassende Liste der Craftbier-Händler in Deutschland, sondern eher eine Liste der Getränkemärkte, die 99 Euro für eine Aufnahme in die Liste bezahlt haben? Na, meinetwegen, aber dann möchte ich als Leser diese Liste auch klar als bezahlte Reklame gekennzeichnet wissen, dann ist sie nämlich nicht Produkt guter redaktioneller Arbeit! Dickes Minus. (Und: Ist das auf der Doppelseite 64/65 mit dem Brauereiverzeichnis auch so?)
Aber ansonsten: Weiter so! Gutes Heft!
craftbeer
Magazin für Bierbraukunst
falkemedia GmbH & Co. KG
Kiel, 2016
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