Hm, der Name der Brauerei, Browar Folga, wirft Fragen auf. Aus der polnischen Sprache ist mir das Wort „Folga“ nicht bekannt, höchstens, dass meine Kollegen meinen Vornamen gelegentlich so aussprechen, weil sie nicht wissen, wie sie mit einem „V“ umgehen sollen – ebenso wie das „Q“ kommt das „V“ in der polnischen Sprache nämlich nicht vor.
(Dass das dann bei meinen Initialen immer wieder zu Verwirrung führt und beispielsweise in früheren, papiergebundenen Jahren, meine Bibliotheks-Ausleihkarten, weil falsch abgelegt, immer irgendwo im Orkus verschwanden, ist ein anderes Thema und führt jetzt zu weit.)
Zurück also zu Folga. Vielleicht kommt es von pofolgować, dem sich gehen lassen, sich hingeben? Das würde ja zu dem in diesem Brauereihotel angebotenen Spa passen – dort kann man sich nämlich tatsächlich dem entspannenden Genuss hingeben und sogar ein Rytuał Piwny, ein Bier-Ritual, buchen.
Aber ach, lassen wir die Philosophiererei über die Benennung mal links liegen und betreten stattdessen den Schankraum. Gemütlich und ansprechend ist es hier, viel Grün, nette Deko und die Tische stehen zwar dicht, aber doch so, dass man sich von den Tischnachbarn nicht genervt fühlt. Und: Direkt an die Theke anschließend steht ein kleines Sudwerk, edel in rubinrotem Metallglanz schimmernd.
das rubinrot glänzende Sudwerk macht richtig was her …
Es stammt von der Firma Braumax aus dem polnischen Lublin, und es macht wirklich was her. Zweifarbig ist es (neben dem rubinroten Glanz auch noch silbrig funkelnder Edelstahl), und vermutlich bereitet es dem Brauer jeden Tag auf’s neue das zweifelhafte Vergnügen, mit Engelsgeduld Fingerabdrücke allzu neugieriger Gäste wegpolieren zu dürfen. „Nur kucken, nicht anfassen“, heißt es, was offensichtlich von einigen erst recht als Aufforderung verstanden wird, mit schweißfeuchten oder essensfettigen Fingern auf dem Metall herum zu tatschen.
Wir bekommen noch einen Tisch am Fenster und können zum Bier den orangefarbenen Widerschein des Sonnenuntergangs genießen.
Ach ja, das Bier … Der freundliche Kellner steht schon einen Moment neben uns und wartet geduldig auf unsere Getränkebestellung, und als er bemerkt, wie sorgfältig ich die Bierliste studiere, kommt er mit dem gleichermaßen zweckmäßigen wie erwarteten Ratschlag um die Ecke: „Wir hätten da auch ein Probier-Brettchen mit vier kleinen Gläsern …“
Nun denn, ich lasse mich erweichen, und Augenblicke später stehen die vier Gläser schon vor mir. So, als hätte die nette junge Dame hinter der Theke schon bei meinem ersten interessierten Aufblicken begonnen, vorzuzapfen.
Bier Nummer 1 ist das vorzügliche, sehr stilgerecht gebraute und eben schon während des Bier-Rituals genossene Belgian Blond Ale namens Van der Blond. 6,0% Alkohol sind zwar kräftig, aber noch nicht zu viel, so dass es sich ob seiner fruchtigen, estrigen und komplexen Aromatik schon noch das Prädikat „höchst durchtrinkbar“ verdient.
Das zweite Bier in der Reihe nennt sich Jaśnie Pan, ist ein Polski Ale, also ein obergäriges und mit polnischem Hopfen gebrautes Bier mit 5,0%, das ein wenig unter meiner Trinkreihenfolge leidet. Unmittelbar nach dem Belgian Blond Ale wirkt es nämlich leicht erdig und dumpf – hätte ich es vorher getrunken, hätte ich dies sicherlich nicht so empfunden.
Das Lord Brown, ein English Brown Ale mit 5,5% Alkohol , sagt mir persönlich vom Stil her nicht so zu, aber ich muss zugeben: Es ist gut gebraut, und es passt eigentlich auch sehr schön zu meinem vorzüglichen und sehr ansprechend dekorierten Rinder-Tatar.
Den Abschluss bildet das Lord Black, ein Milk Stout mit gerade mal 3,7% Alkohol, das – eigentlich überraschenderweise – sehr schön mit meinem Spargel harmoniert. Dass auch dieser ebenso ansprechend, geradezu künstlerisch dekoriert ist wie das Tatar, sei mal als selbstredend festgehalten, denn hier in der Küche arbeitet ganz offensichtlich ein Koch, der den Grundsatz „das Auge isst mit“ sehr verinnerlicht hat.
Gutes Essen, gute und stilgetreue Biere, ein außerordentlich fröhlicher und aufmerksamer Service (der junge Mann spricht deutsch fast genauso gut wie polnisch) und eine feine Atmosphäre – hier und heute stimmt einfach alles.
Ein kleiner Zeitsprung: Am nächsten Morgen, wir haben im Brauereihotel Folga der Einfachheit halber gleich übernachtet und uns über die nordisch-schlicht und trotzdem sehr gemütlich eingerichteten, komfortablen Zimmer gefreut, bietet sich die Gelegenheit zu einer kleinen Brauereiführung. Pani Kornelia zeigt uns nicht nur die Braukessel, sondern auch die Gär- und Lagertanks, erklärt uns alles in beliebiger Detailtiefe und offeriert uns am Ende auch noch ein Gläschen Mr. Monkey, ein American Amber Ale mit 5,0% und einer vorzüglichen Hopfung. „Das gab es gestern noch nicht im Ausschank, ich habe den Ausschanktank nämlich jetzt gerade erst an die Zapfanlage angeschlossen“, erzählt Kornelia uns und zeigt auf den blauen Schlauch, dessen Ende sie eben noch in der Hand hielt. „Aber ich will natürlich, dass Ihr alle fünf Sorten mal probiert habt“, fügt sie noch lachend hinzu.
im Gär- und Lagerkeller
Noch breiter wird ihr Lachen, als wir sie bitten, uns doch von jeder Biersorte eine Flasche zu verkaufen. Verschmitzt grinsend saust sie in den Lagerraum und hinüber zum Kühlschrank an der Rezeption … Vorläufiges Endergebnis und Siegerehrung: Es gibt immerhin acht verschiedene Biere in der Flasche, darunter eben auch ein paar, wo der Ausschanktank bereits leergetrunken ist.
Eine schöne Ausbeute.
Resümee: Hotel, Spa, Restaurant, Brauerei – alles, aber auch wirklich alles hat uns im Rahmen unseres Kurzurlaubs von gerade einmal zwanzig Stunden Dauer gefallen. Eine Empfehlung für eine kleine Auszeit vom Alltag, für einen kleinen Trip nach Gryfice. Die Stadt selbst mag uninteressant sein, wenig attraktiv, aber der kleine Hotelkomplex ist einladend und bietet Erholung und Genuss pur.
Die Browar Folga hat ihr Restaurant täglich ab 13:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Gryfice liegt ein bisschen querab, daher empfiehlt sich die Anreise mit dem Auto – die Gäste von Hotel und Restaurant dürfen gebührenfrei direkt vor dem Eingang parken.
Browar Folga
ulica Nowy Świat 8
72-300 Gryfice
Polen
Wenn man das so liest bekommt man direkt Lust auf eine kleine Reise. Liebe Grüße
Danke für Deinen netten Kommentar – ja, das Brauereihotel Folga ist definitiv einen Kurzurlaub wert.
Mit bestem Gruß,
VQ