Der Zymology – Craft Beer Shop – eines dieser faszinierenden kleinen Geschäfte in der Altstadt Lissabons, die von außen so bescheiden daherkommen und im Inneren dann mit großen Überraschungen aufwarten. Drei, vier Schritte breit ist das Geschäft nur, ein kleines Fenster und eine schmale Tür, und man hat das Gefühl, dahinter könne sich nicht viel mehr als ein winziger Kiosk verbergen.
Zymology – Craft Beer Shop
Doch weit gefehlt. Ich gehe unter den bunten Fähnchen und dem eleganten, aber dezent-unauffälligen Schild hindurch und betrete … ein kleines Bierparadies. Der Raum ist schmal, so wie man das von außen schon sehen konnte, aber er zieht sich tief in das Gebäude hinein und weitet sich am Ende deutlich auf. Links und rechts Regale und Kühlschränke, und am Ende des schmalen Raums ein winziger Verkaufstresen. Dazwischen Kartons und kleine Paletten, halb ausgepackt. Eine zierliche junge Frau steht dazwischen und räumt, katalogisiert, erfasst, sortiert: Rita Burnay.
„Oh je, Entschuldigung, hier herrscht so ein Durcheinander. Ich muss die neue Lieferung sortieren und bin, wie immer, ganz allein. Ich hoffe, Dich stört das nicht!“, empfängt sie mich. „Wie kann ich Dir denn helfen, nach was für Bieren suchst Du denn?“ Sie lässt Kartons Kartons sein und gibt mir den Eindruck, jetzt nur für mich da zu sein.
„Ach, eigentlich wollte ich eher während meines Spaziergangs durch die Stadt ein gutes Craftbier zur Erfrischung trinken, ich fliege morgen wieder zurück, kann also nichts kaufen und mitnehmen. Geht das, habt Ihr eine Lizenz?“
Bedauerndes Kopfschütteln. „Aber such Dir trotzdem ein leckeres Bier aus einem der Kühlschränke. Du kannst es ja draußen trinken, das ist in Portugal nicht verboten. Gerade um die Ecke ist der nächste kleine Platz, da gibt es gemütliche Bänke. Ich gebe Dir einen Becher mit!“
Obwohl recht schnell klargeworden ist, dass ich heute nicht für viel Umsatz sorgen werde, nimmt sich Rita Zeit, bleibt bei mir stehen und berät mich. „Im obersten Fach haben wir die regionalen, portugiesischen Craftbiere. Das sind mittlerweile auch schon ganz schön viele. Und darunter die internationalen. Viele belgische, niederländische, aber auch hier, Lervig, aus Norwegen, zum Beispiel. Ein paar habe ich auch aus der Dose, die könntest Du vielleicht im Flugzeug problemlos morgen mitnehmen, das besteht kein Risiko, dass sie zerbrechen!“
„Tja, ich habe das Geschäft letztes Jahr im Herbst eröffnet, und es ist ein bürokratischer Alptraum. Weil es hier in der historischen Altstadt liegt, sind tausend verschiedene Behörden beteiligt, und jede will einen ausführlichen Antrag. Deshalb haben wir auch noch keine Lizenz für den Ausschank“, sagt sie. „Obwohl: Es ist ja schon alles vorbereitet.“ Sie zeigt in den hinteren Raum. Und in der Tat: Dort, wo der schmale Schlauch sich aufweitet, befindet sich eine Bar, hängen Gläser, stehen Stühle und Tische – was fehlt, ist die finale Dekoration und natürlich die Gäste. Die Sanitäranlagen sind schon da, und hinter dem Barraum kann ich sogar noch einen weiteren etwas größeren Raum entdecken – wie sich herausstellt, ist er schon für Verkostungen und Weiterbildungen genutzt worden.
Aber als Craft Beer Shop scheint Zymology schon gut zu laufen. Immer wieder kommen einzelne Kunden rein, kaufen ein paar exotische Biere, gehen weiter. Und Rita packt und räumt, versorgt auch andere Geschäfte und Bars mit Bieren. Zwischendurch findet sie immer wieder die Zeit, mir zu den Bieren im Kühlschrank mehr zu erzählen, und ich entscheide mich schließlich für ein Blonde Ale von Dois Corvos, ein Bier im Stil eines Kölsch, wie mir Rita erklärt.
Innenansicht des schönen Lädchens
Statt eines Bechers zum Mitnehmen drückt mir Rita ein schönes Verkostungsglas mit Zymology-Aufdruck in die Hand. „Setz‘ Dich und trink es in Ruhe, Du bist kein Kunde, sondern Gast.“
Ich nehme an dem kleinen Tischchen direkt neben dem Eingang Platz und verkoste das Bier. Eine recht gute Interpretation eines Kölsch. Leicht, etwas fruchtig, nur dezent hopfig, spritzig und frisch. Da gibt es vor Ort in Köln deutlich schlechtere Biere. Ich beobachte meine Gastgeberin, wie sie fleißig, aber mit Ruhe und Bedacht, ohne Hast, weiter arbeitet. Ein Karton nach dem anderen verschwindet, es wird wieder ordentlich.
Ein Müllmann kommt herein, und ich werde Zeuge einer Szene, die sich so in Deutschland mit Sicherheit nicht abspielen würde: Er nimmt sich tatsächlich die Zeit, Rita daran zu erinnern, dass sie vergessen hat, die Mülltonne rauszustellen, wartet geduldig, bis sie mit der Tonne aus dem hinteren Bereich des Ladens angeflitzt kommt und hilft ihr dann auch noch, die Tonne über die Stufen aus dem Laden heraus zu bugsieren.
Erleichtert lachend kommt Rita mit der leeren Tonne wieder zurück. „Hier, ich muss Dir noch unseren Kühlschrank für die Lagerbiere zeigen“, sagt sie. „Lagerbiere sind in diesem Verständnis aber keine untergärigen Biere, sondern Biere, die eingelagert werden können und müssen, und dafür habe ich diesen Weinkühlschrank.“ Ich mache große Augen. Tolle Spezialitäten entdecke ich hier, Biere, die gewiss ein paar Jahre lang reifen können und sollen. „Wenn’s jemand jetzt schon kauft, ist es auch in Ordnung, ich muss ja Umsatz machen. Aber wenn nicht, dann liegt die Flasche hier bei idealen Bedingungen und reift ganz langsam weiter.“ Stolz schaut sie mich an.
Ich habe mittlerweile mein Bier ausgetrunken, bringe Glas und Flasche zurück und zahle. Der Preis ist fair. Natürlich deutlich mehr als eine Flasche billiges Superbock im Supermarkt, aber auch nicht überteuert. Ein letzter, prüfender Blick auf das tolle Angebot. „Wenn ich wieder in Lissabon bin, dann komme ich gleich zu Beginn meines Aufenthalts und nehme ein paar Flaschen mit“, verspreche ich, „die kann ich dann nach und nach abends im Hotel trinken.“
„Bis bald also“, verabschieden wir uns. „Und viel Erfolg mit Deinem kleinen Laden und vor allem mit der Lizenz für den Ausschank“, füge ich noch hinzu.
Der Zymology – Craft Beer Shop hat dienstags bis freitags von 14:00 bis 19:00 Uhr geöffnet, sonnabends von 15:00 bis 19:00 Uhr. Sonntags und montags ist Ruhetag. Wenn die Lizenz zum Ausschank erteilt ist, sollen die Öffnungszeiten deutlich erweitert werden. Bereits jetzt finden hier gelegentlich Weiterbildungen, Verkostungen und Geschmacksschulungen statt. Zu erreichen ist der kleine, aber feine Laden eigentlich am besten zu Fuß quer durch die historische Altstadt, durch Bairro Alto, aber auch die nächste Haltestelle der Öffis, Calhariz – Bica, Linie 28E, ist nur ein paar Schritte entfernt.
Zymology – Craft Beer Shop
Rua das Chagas 31
1200-106 Lisboa
Portugal
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