Breandán Kearney
Hidden Beers of Belgium

Was für ein wunderbares Buch!

Oder darf ich eine Rezension nicht so schwärmend beginnen? Schraube ich die Erwartungen dann zu hoch?

Ach, egal, an diesem Buch stimmt eigentlich alles!

Breandán Kearney
Hidden Beers of Belgium

Es geht schon mit dem Einband los, der Anmutung, der Haptik. Sehr edel. Ein dicker Kartoneinband, ein ordentliches Gewicht, das ich in der Hand halte. Ein Titelfoto, auf dem ein holzfassgelagertes Bier gezwickelt wird. Ein zarter Strahl ergießt sich in ein elegantes Probierglas und erweckt sofort Lust auf einen ersten Schluck. Oder wenigstens darauf, einmal schnuppern zu dürfen. Der Titel des Buchs und die Namen des Autors und der Fotografin sind in feinstem Kupfer tief in den Karton eingeprägt. Naja, der Verlagsname natürlich auch. Aber nur klein. Soviel Eigenwerbung muss sein.

Beim Aufschlagen bewähren sich die solide Bindung und der gerade Buchrücken. Das Buch liegt fast flach vor mir, und so kann ich die Qualität des Drucks und das ansprechende Layout bewundern. Schöne, vollfarbige Fotos, eine klare Struktur. Ich finde mich sofort zurecht.

Aber genug der Äußerlichkeiten. Kommen wir zum Inhalt.

Breandán Kearney als Autor und Ashley Joanna als Fotografin haben phantastische Arbeit geleistet. Vierundzwanzig belgische Brauereien haben sie aufgesucht, vierundzwanzig Mal deren jeweils beste, prägendste, typischste Biere getrunken und vierundzwanzig Mal die Geschichte der Menschen dahinter aufgeschrieben. Denn das kennen wir als bekennende Bierliebhaber doch alle: Der Biergenuss ist das eine, die Geschichten dahinter und drumherum das andere. Je mehr ich um die Entstehung des Biers weiß, je besser ich mich einfühlen kann in die Menschen, die es produzieren, je genauer ich das Umfeld verstehe, desto besser mundet es mir. Genuss ist immer auch Kontext.

Kearney und Joanna blicken hinter die Kulissen. Sprechen mit den Brauern und Brauerinnen. Hören von deren Vorfahren und familiären Wurzeln. Wandeln auf den Spuren der Geschichte. Oder erfahren von Gründungsabenteuern, von Irrungen und Wendungen im Berufsleben, von einschneidenden Erlebnissen, die die Menschen dorthin geführt haben, wo sie jetzt stehen – am Braukessel nämlich.

Jeweils vier Biere, vier Brauereien sind unter einem originell benannten Leitthema zusammengefasst, und wir finden Biere, deren Hauptcharakter die Durchtrinkbarkeit ist. Oder die Säure. Die vom Hopfen geprägt sind, von der Hefe oder vom Malz. Und schließlich, im sechsten Abschnitt, vier Biere, die sehr stimmig unter „unusual Suspects“ zusammengefasst werden.

wunderschöne und einfühlsam geschriebene Biergeschichten

Zu Beginn jeder Bierbeschreibung finden wir eine Seite mit „technischen Daten“ und ein paar trockenen Fakten rund ums Bier und die Brauerei. Gegenüber ein Foto, auf dem das Bier wunderschön in Szene gesetzt ist. Klassische Stillleben mit Flasche und Glas. Wen bei diesen Bildern nicht schon das Verlangen auf das abgebildete Bier überkommt, dem ist nicht mehr zu helfen!

Und dann kommen ein paar Seiten Geschichte und Geschichten. Einfühlsam nähert sich Kearney den Menschen, lässt sie zu Wort kommen, beschreibt ihre Welt, ihr Leben, ihre Geschichte, ihr Dorf, ihre Familie. Immer mit Bezug auf’s Bier, so dass der Leser den Eindruck bekommt: Ja, genau so hat sich alles zutragen müssen, damit dieses Bier entstehen konnte. So, und nicht anders.

Joannas Bilder illustrieren die Texte auf harmonischste Weise. Ob Menschen, Gebäude, Technik oder Natur – der Bezug zum Bier ist offenbar, die Bilder aufs Feinste komponiert.

Nur …

… und jetzt kommt der einzige Kritikpunkt, den ich an diesem Buch habe (außer, dass es gerne drei Mal so umfangreich hätte sein dürfen …): Wer sind die Menschen auf den Fotos? Sind es die Brauer? Familienmitglieder? Bier genießende Kunden oder Gäste? Wer ist wer? Keine Namen, keine Zuordnungen. Bilder, die den Menschen nahe kommen, sie liebevoll und doch realistisch porträtieren, sie aber als unbekannte Personen stehen lassen.

Who is who?

Viel zu schnell habe ich das immerhin über 240 Seiten dicke Buch gelesen, es genossen und den beschriebenen Bieren hinterher sinniert. Und ich bin mir sicher: Es wird zu den wenigen Büchern gehören, die ich ein zweites Mal lesen werde. Ich werde mich erneut auf eine Reise durch Belgien begeben, zu den Menschen, die hinter der farbenfrohen und vielfältigen Bierkultur dieses kleinen Landes stehen.

Ganz große Kaufempfehlung für jeden, der Belgien und seine Biere liebt. Oder lieben lernen möchte.

Breandán Kearney
Hidden Beers of Belgium
Luster Publishing
Antwerpen, 2024
ISBN 9789460583704

2 Kommentare

  1. Dieses wunderbare Buch ist ein fester Bestandteil in meiner Bierbliothek. Bisher habe ich nur ein paar Kapitel gelesen, die haben mir sehr gut gefallen. Das die Namen der Personen auf den Fotos fehlen, hat mich eher neugierig gemacht, zu lesen, um zu wissen, wer das ist. Sehr schöne Rezension

    • Danke für Deine netten Worte, Julia.

      Ja, die Neugierde, zu lesen, um zu erfahren, wer da auf den Fotos abgebildet ist, habe ich auch gespürt. Aber bei einigen der Texte half das Lesen halt leider nicht, und mir wird wohl auf ewig verschlossen bleiben, wer das auf den Fotos nun wirklich ist.

      Liebe Grüße,

      VQ

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