„We are more folk than punk“ – so begrüßt die Website der Twisted Barrel Ale Limited Brauerei den Gast. Etwas merkwürdig auf den ersten Blick. Was will uns die Brauerei damit sagen?
Neugierig mache ich mich auf den Weg ins FarGo Village. Nur ein paar hundert Meter außerhalb des Innenstadtrings von Coventry beginnt die Far Gosford Street. Was immer hier auch früher gewesen sein mag, ob Wohn- oder Arbeiterviertel oder gemischtes Gewerbegebiet, die bunte Vielfalt der Gebäude lässt es im Dunklen nicht mehr erkennen. Heute ist es jedenfalls DAS Ausgehviertel der Studenten der Coventry University. Bar, Pub, Café, Kneipe – ein bunter Reigen von Orten, an denen man hoffnungslos versacken und das Studium Studium sein lassen kann. Genauso bunt natürlich das Publikum. Junge Menschen aus aller Herren Länder ziehen fröhlich durch die Straße, kehren mal hier ein, mal dort. Eine tolle Stimmung.
Die natürlich auch ihre Kehrseiten hat: Im letzten Moment kann ich einer Street-Pizza ausweichen, einem zerlaufenen Haufen Erbrochenes, das nur auf den ersten Moment so aussieht, als habe jemand auf dem Straßenasphalt eine Pizza gebacken…
Ich fluche leise, und noch vorsichtiger als bisher schiebe ich mich durch das Gedränge.
Rechter Hand taucht es vor mir auf, das FarGo Village. Benannt nach den ersten Silben der Far Gosford Street klingt es nach den Weiten des Wilden Westens. Wells-Fargo-Kutschen, Cowboys, Indianer und Büffelherden…
In Wirklichkeit ist es ein ehemaliges Gewerbeareal, dessen Hallen nun eine knallbunte Mischung von Bars, Café und kleinen Geschäften beherbergen. Ob Kunst, Handwerk oder Antiquariat, hier findet sich alles. Der Hof zwischen den Hallen steht voll mit Kunstwerken, Streetfood-Wagen, Sitzbänken und weiteren Dingen, die andernorts vielleicht schon längst als Sperrmüll entsorgt worden wären.
Und mitten drin, in einer der Hallen, hinter plakativer, schwarzweißer Wandmalerei, die Brauerei Twisted Barrel. Ich gehe durch die hell erleuchtete Glastür und stehe mitten in der Brauerei. Eine große Halle, die Gär- und Lagertanks sowie das Sudwerk zweckmäßig in Edelstahl ausgeführt und sauber hintereinander aufgereiht. Vorne ein paar Biertisch-Garnituren, eine Zapfe und, hinter Rigips-Wänden, die gesetzlich vorgeschriebene Minimal-Sanitär-Ausstattung, soll heißen, ein einfacher Toilettenbereich.
Hinter dem Sudwerk grüßt ein riesiger, schwarzer Schmetterling. Direkt auf die weiß gekalkte Ziegelwand gemalt, mit einem großen Totenkopf. Schon ein wenig punkig, die Atmosphäre: Stahl, Ziegel, schwarze Malerei auf bröselndem Kalk, der Totenkopf. Wenn jetzt unter den Gärtanks noch ein paar Gestalten in alten, zerrissenen Army-Schlafsäcken lägen, würde das Bild passen.
Aber: „We are more folk than punk“.
Und so ist denn der Bereich an den Biertischgarnituren auf den ersten Blick etwas einladender gestaltet. Auf die weiße Rigips-Wand ist eine lange Hopfenranke gemalt worden, die den Schriftzug „Twisted Barrel Ale“ ergibt. Nett. Bis ich auf den zweiten Blick die kleinen Gemeinheiten entdecke. Die Hopfendolde mit dem Raubtiergebiss, beispielsweise, die die nette Idylle zerreißt. Hop Bite, soll es wohl symbolisieren, den ungestüm verschwenderischen Umgang mit bestem Hopfen und seinen Bitterstoffen.
Das Publikum ist etwas, nun ja, was soll ich sagen, solider als erwartet. Nicht nur die wilde Studentengeneration, sondern auch Paare mittleren Alters tummeln sich an der Theke, und so falle ich als alter Sack gar nicht so sehr auf.
Ich bestelle mir zunächst ein leichtes Session IPA, das Sine Qua Non, aus der hiesigen Produktion. Mit gerade 4,5% Alkohol gut trinkbar und somit das Richtige für einen Abend, der nicht zu lange gehen darf… Wie so oft überrascht mich die Braukunst der Briten – wieviel Aroma und Geschmack kann man in ein Bier hineinpacken, das so wenig Alkohol hat. Intensive Fruchtaromen, eine kräftige und stets präsente Bittere, und trotz der nur 4,5% ein kräftiger Körper, der diese Bittere im Schach hält und sie sauber ausbalanciert, ohne dabei selber zu malzig, zu mastig gar zu werden. Dementsprechend auch nicht sehr sättigend, sondern im Gegenteil: Zum Weitertrinken animierend. In der Tat: Ein hervorragendes Session Bier – gerne auch in größeren Mengen.
Das zweite Bier, das ich mir gönne, ist das In Amber Clad, ein Rye IPA, also mit Roggen gebraut. Deutlich anders als das Session IPA. Viel kräftiger und sättigender im Körper, deutlich stärker im Alkohol (6,0%) und durch den Roggen von leicht sämiger Konsistenz. Der Hopfen steht dadurch nicht ganz so im Vordergrund, auch wenn das Bier schön mit dessen Aromen spielt. Ein Bier eher zum satt werden, anstelle einer kleinen Zwischenmahlzeit.
So unterschiedlich sie auch sind, aber beide Biere sind ausgezeichnet, und hochzufrieden trolle ich mich schließlich wieder meines Wegs. Wäre ich Student in Coventry, ich wäre öfter hier!
Die Twisted Barrel Ale Limited Brauerei begann ihre Produktion am 29. März 2014, zunächst als sogenannte Pico-Brewery mit einer Sudlänge von gerade einmal 60. Und zwar Litern, nicht Hektolitern. 120 Flaschen Bier pro Sud. Nicht wirklich viel, und die Produktion konnte schon rasch nicht mehr mit der Nachfrage mithalten. Und so wurde etwa ein Jahr später, am 20. Juni 2015, die große Brauerei im FarGo Village eröffnet. Diesmal gleich mit integriertem Tap Room. Zehn Hektoliter, also rund fünfzehn Mal so viel wie vorher, können nun gebraut werden, und die Zeiten der Bierknappheit sind vorbei.
Sieben Biersorten werden ständig gebraut, und rund um diesen Stamm ranken sich zahlreiche Biere der sogenannten Pilot Series. Immer mal etwas Neues. Und neben den eigenen Bieren gibt es im Tap Room auch Gastbiere – gute und interessante Biere anderer kleiner Brauereien. Ab und zu finden auch Tap Takeovers statt und man hat die Möglichkeit, die Brauer anderer Brauereien persönlich zu treffen, mit ihnen ihre Biere zu verkosten. Spannend.
Der Tap Room der Twisted Barrel Ale Limited Brauerei ist lediglich freitags von 17:00 bis 24:00 Uhr und sonnabends von 12:00 bis 24:00 Uhr geöffnet. Daneben gibt es aber Hausbrau- oder Musikveranstaltungen, und man kann den Tap Room außerhalb der regulären Öffnungszeiten auch für private Veranstaltungen anmieten. Zu erreichen ist die Brauerei in etwa zehn Minuten zu Fuß von der Innenstadt Coventrys; sie liegt mitten im FarGo Village südlich der Far Gosford Street.
Twisted Barrel Ale Limited
Unit 5
FarGo Village
Coventry
West Midlands CV1 5ED
England
Großbritannien
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