Pivovar Lindr Mžany
Mžany
CZE

Lindr – dem einen oder anderen vielleicht bekannt als Hersteller von Kühl- und Zapfsystemen, als Firma mit dem eingängigen Werbespruch „Czech up your beer“. Nicht weit von Königgrätz entfernt, direkt an der Landstraße, findet man diese Firma, und wer sich gerade mit dem Gedanken anfreundet, vielleicht ein Taphouse oder eine Craftbier-Bar zu eröffnen, mag hier gerne einmal vorbeischauen und sich beraten lassen.

Ich habe aber nichts dergleichen im Sinn, sondern bin eigentlich nur auf der Heimfahrt vom Riesengebirge zurück nach Südmähren, als ich in Sadová das Firmenschild aus dem Augenwinkel sehe. Natürlich fallen mir die überdimensionierten Bilder mit den Zapfhähnen und frisch gefüllten Bierkrügen sofort auf, da bin ich über Jahrzehnte hinweg perfekt konditioniert – Pawlows Hund wäre da ein Waisenknabe gegen mich.

Aber was noch viel spannender ist, und jetzt verrenke ich mir den Hals, denn wir sind schon ein Stück am Firmengebäude vorbeigefahren: Stand da nicht auch irgendetwas von Brauerei, von Pivovar?

Ich trete auf die Bremse, rolle in eine Bushaltestelle und wende. Meine holde Ehefrau sackt in gespieltem Entsetzen auf dem Beifahrersitz in sich zusammen: „Nein! Bitte nicht! Sag nicht, dass Du da jetzt eine Brauerei entdeckt hast!“

„Öh, nein!“, antworte ich wahrheitsgemäß. Es war schließlich, glaube ich, nur eine Werbetafel. „Ich wollte nur noch mal nach etwas kucken…“

Langsam rolle ich wieder an der Einfahrt vorbei. Pivovar Lindr Mžany steht groß auf einem Plakat neben dem Tor. Daneben ein Foto des Brauereigebäudes, darunter Pfeile nach rechts: 1,5 km.

„Ich fasse es nicht. Der Kerl hat Röntgenaugen. Oder ein heimlich installiertes Radargerät im Auto.“ Ein tiefer Seufzer kommt vom Beifahrersitz. Gleichzeitig aber auch der Satz: „Anderthalb Kilometer? Meine Güte, dann fahr halt hin. Aber nur kucken. Ich habe weder Hunger noch Durst, und ab hier fahren möchte ich auch nicht!“

Schon sind wir unterwegs auf der Dorfstraße und rollen in Richtung Mžany, einem winzigen, verschlafenen Dörfchen, nicht ganz zu Unrecht völlig unbekannt. Hier sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht, habe ich den Eindruck. Bis ich auf den Parkplatz der Brauerei rolle und auf das Gebäude sehe.

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Pivovar Lindr Mžany

Wir sind beide beeindruckt. Was vermutlich mal ein großer Bauernhof mit Seitengebäuden und Stallungen war, ist komplett umgebaut und modernisiert worden. An der Stirnwand steht groß der Hinweis auf die Brauerei und ihr Gründungsjahr 2014, der Eigentümer ist vermerkt, nämlich Miloš Lidr, dem auch die Firma in Sadová gehört, und darunter öffnet ein großes Panoramafenster den Blick auf ein kupfernes Sudwerk. Einladend sieht es aus, und ohne weitere Absprache gehen wir jetzt doch hinein, belassen es nicht bei einem Nur-mal-Kucken.

Drinnen gehen uns die Augen über. Ein großer Saal, ein kleinerer Nebenraum und der Schankraum mit der Theke – alles ist aufwändig eingerichtet. Unverputzte Ziegelwände, viel Holz, warme Farben. Alles sehr robust und Wertigkeit ausstrahlend, ohne konservativ-mächtig zu wirken. Neben der Theke befindet sich ein kupferverkleideter Pizzaofen, der fast schon wie ein Braukessel aussieht; hinter der Theke sieht man die Köche in der offenen Küche hantieren.

Wir gehen in den großen Saal und sehen das Sudwerk am Kopfende vor dem Panoramafenster stehen. Auf einer Bühne. So ist’s recht, denke ich mir. Eigentlich hat es jede Brauerei verdient, so zentral auf einer Bühne zu stehen, im Mittelpunkt, als Blickfang. Groß ist das Sudwerk nicht, aber schmuck. Und geschickt installiert. Es steht zwar auf der Bühne, dort aber in einer auf den ersten Blick gar nicht sichtbaren und somit nicht störenden Wanne, die es dem Brauer erlaubt, weitgehend frei hantieren und herumplanschen zu können. Mal eben ein Utensil mit klarem Wasser abspülen? Geht direkt mit dem Schlauch vor Ort. Mal eben einen nassen Lappen ablegen? Einfach fallen lassen. Effizient arbeiten, später den Kram aufräumen, einmal die Wanne ausspritzen, und schon ist alles wieder sauber. Praktisch.

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das Sudwerk vor dem Panoramafenster

Und als hätte er meine Gedanken gelesen, tritt der Brauer auf die Bühne. Zwar verneigt er sich nicht gerade vor dem Publikum, ist sich aber bewusst, vor Zuschauern, den Restaurantgästen zu arbeiten. Er hantiert hier, reinigt dort und schließt einen Brautag für heute ab. Großreinemachen.

Wir suchen uns einen Platz mit Blick auf die Bühne, auf das Sudwerk. Vielleicht passen doch schon ein Süppchen und ein kleines Bier, obwohl wir nach dem kräftigen Frühstück noch gar nicht so hungrig sind…

Die Karte offeriert drei verschiedenen Tagesgerichte und, was viel wichtiger ist, ein Bierbrett mit allen vier hier angebotenen Biersorten. Vorsichtig fragend blicke ich zur Seite und – Erleichterung! – ernte ein Nicken. „Meine Güte, ja! Ich fahre ab jetzt!“

Blitzschnell ist das Bierbrettchen bestellt. Und anstelle des Süppchens gibt es dann doch das Tagesgericht. Gar zu lecker hat es an den Nachbartischen ausgesehen… Die halbe Belegschaft der Mutterfirma aus dem Nachbarort scheint hier ihre Mittagspause zu verbringen. Über die Hälfte der Gäste tragt Poloshirts oder Hemden mit dem Firmenlogo, nutzt das Brauereirestaurant als Werkskantine.

Angesichts der Qualität des Essens, das auf den Tisch kommt, kein Wunder. Einfache Gerichte auf der Tageskarte zwar, ansonsten wäre der Preis gar nicht zu halten, aber sehr schmackhaft. Und dazu das Bierbrettchen. Vier formschöne Verkostungsgläser in einem Holzgestell. Ich mache mich an die Arbeit:

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das Bierbrettchen

Den Auftakt macht das Šípek 10°, ein solide gehopftes, frisches Alltagsbier. Nicht allzu stark im Alkohol (3,7%), aber kräftig und aromatisch im Geschmack. Herb, schlank, ein bisschen spritzig. Ein sehr schöner Durstlöscher. Gebraut mit Lauch, angeblich. Wovon ich aber nichts schmecke. Gefolgt wird es vom Lhoťák 10°, einem ebenfalls leichten Bier (3,9%), etwas süßlicher, weniger herb als das erste Bier. Auch sehr angenehm und süffig, aber irgendwie nicht ganz ausgewogen wirkend. Ich vermag gar nicht zu sagen, was mich stört – vielleicht ist es ein Hauch eines rauen, kartonartigen Nachgeschmacks, der vielleicht von einem Anflug Oxidation herrührt? Aber wirklich nur ein Hauch…

Das dritte Bier, das Dubák 12°, ist im Wiener Stil gebraut. 4,9% Alkohol, eine halbdunkle Farbe, ein malzbetontes Aroma, ein runder, weicher Körper. Süffig und auch ein bisschen sättigend, sehr vollmundig. Sehr schön zu trinken, ein guter Begleiter zum deftigen Essen. Und schließlich kommt das Mžaňák 12°, ebenfalls mit 4,9%. Ein kräftig gehopftes, herbes und schlankes Lagerbier. Ein präsentes Hopfenaroma, etwas grasig und kräuterig, dann ein spritziger und herber Antrunk. Auf der Zunge schlank, und nach dem Schluck bleibt eine feine, saubere Bittere noch einen Moment lang hängen. Nicht so lang, dass es stört, sondern gerade lang genug um Appetit auf einen weiteren Schluck zu machen.

Wir sind mit Essen und Bier rundum zufrieden, und ein wenig übermütig gönnen wir uns noch eine Crème Brulée als Dessert. Eigentlich viel zu viel, aber sooo lecker.

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gemütliche und wertige Einrichtung

Bevor es uns weiterzieht, sehen wir uns noch einmal um. Die Mittagspause in der Firma scheint vorbei zu sein, jetzt sitzen hier wieder „normale“ Gäste. Die Einrichtung gefällt uns, das Essen war ausgezeichnet, die vier Biere ebenfalls. Die jungen Damen und Herren im Service waren hervorragend, außerordentlich freundlich, herzlich, aufmerksam und blitzschnell und sprachen durchweg ein ungewöhnlich gutes Englisch, freuten sich aber auch über unsere Versuche, ein paar Worte Tschechisch anzubringen. Es hat alles gestimmt. Bis auf …

… die Lage. Mžany ist wirklich weit weg. So schnell werden wir hier – leider! – nicht wieder herkommen. Wirklich schade.

Die Pivovar Lindr Mžany ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend bis in den Abend geöffnet; kein Ruhetag. Lediglich über die Weihnachtsfeiertage ist geschlossen. Zu erreichen ist sie am günstigsten mit dem Auto, dann benötigt man aber entweder einen Fahrer, oder man übernachtet im an die Brauerei angeschlossenen Hotel (in dem es auch ein großes Fitnessstudio gibt, in dem man die Bierkalorien wieder abtrainieren kann). Gegebenenfalls geht die Anreise auch per Bahn bis Sadová, und von dort hat man etwa zwanzig Minuten Fußweg vor sich.

Bilder

Pivovar Lindr Mžany
Mžany 21
503 15 Nechanice
Tschechien

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