Jónás Kézműves Sörház
Budapest
HUN

Jonas und der Walfisch – was habe ich mich zu diesem Thema während des Konfirmandenunterrichts seinerzeit mit unserem Pastor gestritten. Wale seien keine Fische, sondern Säugetiere, was solle man also von einer Geschichte halten, sie schon so grottenfalsch betitelt sei? Die würde ich schon einmal gar nicht lesen, stellte ich zunächst einmal fest.

Zur Lektüre gezwungen, wurde es nicht besser. Jonas von einem Wal verschluckt? Durch dessen engen Schlund? Unversehrt geblieben? Und dann auch noch drei Tage im Inneren überlebt und wieder ausgespien? Was für ein Unfug!

Mehr als vierzig Jahre später besuche ich Jonas im Inneren eines Wals. Und was in der Bibel so unglaubwürdig beschrieben ist, bekommt in der Realität eine ganz andere Bedeutung. Bálna, ungarisch für Wal, heißt nämlich ein hypermodernes Einkaufs- und Eventzentrum am Ufer der Donau, nicht weit entfernt von der großen Markthalle und der Freiheitsbrücke. Zwei alte Lagerhallen aus dem Jahr 1881 wurden mit einer großen, geschwungenen Glaskonstruktion überdacht, so dass sich die Form eines riesigen Wals ergibt, der am Donauufer gestrandet zu sein scheint. Beeindruckend.

Am Ende dieses aus dem Jahr 2013 stammenden futuristischen Gebäudes befindet sich eine Bierbar mit dem Namen Jonas: Jónás Kézműves Sörház, das Jonas Craft-Bier Haus.

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das nostalgisch angehauchte Äußere der Bar

Der Eingangsbereich bildet einen starken Kontrast zur hypermodernen Glaskonstruktion. Sanft vergilbte, sepia-farbene Fotografien aus der Frühzeit der ungarischen Brauereien zieren die Glaswand, hinter der sich die Bar verbirgt. Aber kaum ist man durch die Tür hindurchgetreten, ändert sich dieser Eindruck, denn drinnen werden ganz zeitgemäß die in der Szene gerade angesagten Stilelemente aufgegriffen.

Ein einfacher Betonboden, simple Stühle und Tische, unverkleidete Belüftungs- und Beleuchtungsinstallationen. Schwarze, mit Kreide beschriftete Tafeln überall. Leere und volle KEGs stehen zwischen den Tischen herum – zunächst halte ich sie noch für reine Dekorationselemente, später stelle ich fest, dass es sich tatsächlich um eine Art dezentralisiertes Fasslager der Bar handelt. Hinten in der Bar schließlich sitzt man direkt vor den Konstruktionselementen der walförmigen Außenhülle, und durch die gebogenen Glasscheiben hindurch hat man einen herrlichen Blick über die Donau hinweg auf die hell angestrahlte Burg.

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Blick über die Donau auf Gellert-Bad und Burg

Tief im Innern des Wals trete ich nun also an die Theke und betrachte mir die Bierliste. Sie ist nicht sehr lang, acht Positionen nur, aber interessant. Neben Lindemans und Thurn & Taxis stehen sechs Biere mit spannenden Namen angeschrieben, wenn auch, leider, die Information über die Brauereien fehlt. Aber der junge und freundliche Barmann nimmt sich gerne die Zeit, jede einzelne Position zu erläutern, und bietet auch von sich aus sofort kleine Probeschlucke der verschiedenen Biere an.

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Csapolt Sörök – Fassbiere

Ich entscheide mich für ein New England India Pale Ale, das Peach Please. Ein No-Fruit-IPA, wie der Barmann betont – keine Zugabe von Früchten oder Fruchtsaft, der fruchtige Geschmack käme allein von der Zugabe gigantischer Mengen frischen Hopfens. Gebraut von Brew Your Mind, einer trotz des englischen Namens ungarischen Brauerei. Er spricht von herrlich fruchtigen Aromen und vollem, saftigem Geschmack, und er hat recht: Das 7,7%ige Bier schmeckt in der Tat fruchtig und voll, als hätte man einen kräftigen Schuss Mangoextrakt in das fertige Bier gegossen.

Bier Nummer 2, nur wenige Augenblicke später: Das Hangover Rasta. Ein Red IPA vom Wanderbrauer armando_otchoa, gebraut im Brandecker Sörház. Dieses 6,5%ige Bier war ursprünglich einmal als Weihnachtsbier eingebraut worden und trug den Namen Hangover Santa, aber aufgrund seines großen Erfolgs wird es unter leicht angepasstem Namen nun das ganze Jahr hindurch angeboten. Man schmeckt den reichlichen Einsatz des speziellen Malzes, dem dieses Bier seine rötliche Färbung verdankt. Mir persönlich ist dieser Beigeschmack schon ein wenig zu aufdringlich, vielleicht bin ich da auch einfach zu empfindlich – aber mit Rotbieren habe ich stets so meine Probleme. Ich empfinde sie als sehr sättigend, mastig, und da hilft im Falle des Hangover Rastas auch die starke Hopfung nicht. Sie balanciert den mastigen Malzkörper nicht wirklich aus, harmoniert nicht so richtig. Ganz anders sieht es meine holde Ehefrau, die sich blitzschnell meines Glases bemächtigt und das Bier – „Hm, das ist aber fein!“ – fortan als ihres betrachtet.

Ich dackele also erneut an die Bar und hole mir das Ravasz Hód der Brauerei Reketye Sörfőzde. Eigentlich ein einfaches Brown Ale, aber dann scheint das Temperament mit dem Brauer (oder der Brauerin?) durchgegangen zu sein. Viel zu stark für diesen Stil (6,5%) und viel zu kräftig gehopft. Das Ergebnis? Eine Art Brown IPA, also ein malziges, robustes, hopfiges Bier mit harzigen Noten vom Hopfen und keks- oder teigartigen Noten vom Malz. Eine spannende, nicht unbedingt alltägliche Kombination.

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Ravasz Hód und Hangover Rasta

Auch die anderen drei mir noch unbekannten Biere hätten mich heute interessiert. Neben dem Reketye Pale Ale besonders diejenigen, die mit originellem Namen aufwarten: das Lokálpatrióta von Reketye und das A Bad Day at the Office von Alechemy Brewing aus Schottland. Aber wie es manchmal so ist: Im schönsten Moment klingelt das Telefon. Ein unangenehmer Anruf aus der Heimat. Schlagartig ist die schöne und entspannte Urlaubsstimmung vorbei – zumindest für heute Abend. Die drei Biere bleiben ungetrunken, der Abend unbefriedigend. Schade. Aber an Jonas und dem Walfisch lag es diesmal nicht.

Die Bierbar Jónás Kézműves Sörház ist täglich ab 10:00 Uhr durchgehend bis mindestens Mitternacht geöffnet und bietet insbesondere tagsüber neben den spannenden Bieren auch guten Kaffee an – als hervorragender Shopping-Begleiter. Zu erreichen ist die Bar mit der Straßenbahn, Linie 2, Haltestelle Zsil Utca direkt neben dem Bálna, dem walförmigen Einkaufszentrum.

Bilder

Jónás Kézműves Sörház
Bálna
Fővám tér 11-12
1093 Budapest
Ungarn

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