Stadtboden
Wien
AUT

Ein kurzer Blick auf die Uhr. Es ist der 16. Juni 2018, und um 14:30 Uhr treffen wir uns mit Freunden vor der Albertina am Mahnmal gegen Krieg und Faschismus. Bis dahin haben wir noch genau 35 Minuten, etwas Bierdurst und auch ein wenig Hunger. Die naheliegende Lösung dieses Problems? Klassisch Wien: Würstelstand. A Eitrige und an Söchzehner Blech. Auf Hochdeutsch: Eine Käsekrainer (deren Käsefüllung wie Eiter aussehen kann) und eine Dose Ottakringer (gebraut und abgefüllt in Ottakring, dem 16. Stadtbezirk).

Die etwas komplexere Lösung: Ein Blick in Conrad Seidls Bier Guide. Kostet zwei Minuten und empfiehlt den Stadtboden. Zwei Minuten Fußweg von hier.

Wir kommen also im Stadtboden an, ein erneuter Blick auf die Uhr: Noch genau 31 Minuten.

Vor uns ein schönes Plätzchen für zwei auf der Terrasse. Halb im Schatten (für mich), halb in der Sonne (für meine holde Ehefrau). Ich ergreife die Bierliste. Auf der ersten Seite: Sieben verschiedene Fassbiere. Auf den Folgeseiten: Viele, viele interessante Flaschenbiere. Jawoll, passt!

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Blick in die Bierkarte

Eine junge (und hübsche…) Kellnerin steuert unseren Tisch an. Nach kurzem Blick auf die Uhr (wir haben noch 29 Minuten) fragt meine bessere Hälfte: „Welches Essen kommt am schnellsten? Wir haben Hunger und Durst und leider nur wenig Zeit…“

Die Antwort kommt prompt: „Die Burger gehen blitzschnell!“

„Okay, dann einen Burger. Und für meinen Mann eine Frittatensuppe.“ Aha, ich werde wohl gleich zum Resteessen eingeteilt und darf die andere Hälfte vom Burger oder die Fritten aufessen, wenn es zu viel wird oder die Zeit nicht reicht. Ich füge mich achselzuckend und widerspruchslos in mein Schicksal.

„Und zum Trinken? Soll das auch schnell gehen? Ein Pfiff Ottakringer Hausbier vielleicht? Der ist in einer Minute gezapft und in einer halben getrunken“, scherzt die junge Dame.

„Nee, nee, für ein ordentliches Bier ist schon noch Zeit“, gebe ich zurück und ordere das Icelandic Wee Heavy der Brauerei Einstök, das dann auch in wenigen Augenblicken vor mir steht.

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Einstök – Icelandic Wee Heavy

Dunkelrot, fast schon rubinrot, funkelt das Bier in der Sonne. Appetitlich schaut’s aus, riecht kräftig malzig, ein wenig melanoidinig. Auf der Zunge ist es mächtig und kräftig. Ich schaue auf’s Etikett: 8,0% Alkohol. Auweiah, hoffentlich kommt das Essen gleich…

Als hätte sie meine Gedanken gelesen, stellt die Kellnerin die Suppe und den Burger auf unseren Tisch. Beides schmeckt ausgezeichnet, und die Fritten meiner Frau stellen in der Tat eine gute Ergänzung meiner Suppe da. Das Wee Heavy kämpft tapfer gegen die intensiven Aromen und die kräftige Würze der Suppe an – es passt gut. So eine Suppe wärmt hervorragend, ebenso das Starkbier. Herrlich für kalte Wintertage nach einem langen Spaziergang im Schnee. Wunderbar, außer das wir derzeit nicht Winter haben, sondern bei 28° Celsius in der Sonne sitzen.

Der Schweiß fließt, die Wangen röten sich.

War wohl doch keine gute Kombination? Ach was, war klasse.

Ein Blick auf die Uhr: Noch acht Minuten.

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Blick ins Innere

Beim Bringen der Rechnung ist die Kellnerin genauso fix wie beim Aufnehmen der Bestellung und beim Servieren. „Liegen Sie noch in der Zeit?“, fragt sie anteilnehmend. „Nächstes Mal müssen Sie aber schon etwas mehr Zeit mitbringen, Sie schaffen ja nicht einmal mehr einen Kaffee!“, weist sie uns kopfschüttelnd und völlig verständnislos zurecht. „Das gehört sich in Wien so eigentlich nicht!“

Wir versprechen es und schwören: Wenn wir das nächste Mal in Wien sind, kommen wir wieder, und dann bringen wir Zeit mit. Dann reicht es für mehr als nur ein Bier und auch für einen Kaffee danach. Und vielleicht sogar für einen kleinen Flirt mit der jungen Dame.

Einmal noch schnell ins Innere blicken, ein paar Fotos von der eindrucksvollen Flaschenbierauswahl, einmal für kleine Jungs und Mädchen und dann wieder raus auf die Straße. Noch 200 m bis zum Denkmal. Wir kommen an.

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eine tolle Flaschenbierauswahl

Noch ein Blick auf die Uhr? Nein, überflüssig. Wir hören die Kirchturmuhr schlagen. Es ist halb drei. Auf die Sekunde pünktlich. Auch dank des perfekten und aufmerksamen Service im Stadtboden.

Geschafft!

Nachtrag 3. August 2018: Diesmal haben wir Zeit. Viel Zeit. Wir kommen am frühen Abend, nehmen auf der Terrasse Platz und atmen einmal tief durch. Ein spannender und abwechslungsreicher Tag liegt hinter uns; jetzt aber ist ruhiger und gemütlicher Genuss angesagt. Der Durst ist gewaltig, er Magen leer – eine gefährliche Kombination, und so zische ich doch tatsächlich erst einmal ein alkoholfreies Bier fast auf Ex weg: Das Null Komma Josef ist als blitzartiger Durstlöscher eine gar nicht mal sooo schlechte Wahl.

Zum Käse- und Wurstteller darf es dann schon ein normales Ottakringer Zwickl sein, und danach, als wir uns gemütlich zurücklehnen und die warme Abendluft auf der Haut spüren können, fangen wir an, zu genießen. Wir bleiben noch einen Moment bei niedrigen Alkoholgehalten – das Op & Top der Brouwerij De Molen hat nur 4,5% Alkohol, dafür aber viel, viel Hopfenaroma und feine, estrige Noten von der obergärigen Hefe. Das wäre als Durstlöscher natürlich auch gut gegangen, stellen wir fest, während wir Schluck für Schluck über die Zunge perlen lassen.

Wir blättern durch die Getränkekarte und fragen den netten jungen Mann, der uns bedient, was es denn an eher selten angebotenen Bieren habe. Die Antwort kommt prompt: Von Anderson Valley aus den USA das Bier The Kimmie, the Yink and the Holy Gose Ale – ein Name, der sich auf der Bierdose über ganze fünf Zeilen Text erstreckt. Ein weiteres Durstlöscherbier also. Spritzig frisch, leicht säuerlich, mit einem Hauch Salz, das auf der Zunge fühlbar wird – es ist Hochsommer, und das Bier passt perfekt dazu.

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Porter, Vanilleeis und Schlagobers

Nach vier Durstlöschern ist der Durst mittlerweile tatsächlich weg. Wir haben zwar tagsüber viel geschwitzt, aber nun ist der Flüssigkeitshaushalt wieder ins Gleichgewicht gebracht. „Dann darf es jetzt also eine richtige Geschmacksbombe sein, oder?“, frage ich meine holde Ehefrau und bestelle von Thornbridge das Cocoa Wonderland Chocolate Porter. „Au, ja, aber dazu bitte eine große Portion Vanilleeis mit Schlagsahne, also, ich meine, mit Schlagobers“, bestellt sie eifrig mit. Eine wunderbare Kombination. Kakao-Aromen, Röstschokolade, Mokka im Bier, die kräftige Vanille und die kremig-fettige Schlagsahne im Dessert dazu – die Geschmäcker tanzen auf Zunge und Gaumen einen fröhlichen Ringelreihen.

Was für ein schöner Abschluss eines herrlichen Tags. Wien, wir haben Dich lieb!

Nachtrag 1. September 2018: Und noch einmal kehren wir im Stadtboden ein. Diesmal aber wieder nur kurz. Wir sind viel gelaufen, haben schon viel gesehen und noch mindestens genauso viel vor uns. Aber zunächst brauchen wir eine kleine Pause. Und da wir gerade in der Nähe sind, warum nicht erneut in den Stadtboden?

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Must Kult Porter von Põhjala

Was wir trinken, ist, zugegebenermaßen, kein leichtes und erfrischendes Bier, sondern ein geschmacksintensives Genussbier. Der Sonne und Hitze zum Trotz. Das Must Kuld Porter der estnischen Brauerei Põhjala. 7,8% Alkohol und ein mächtiger Geschmack. Voll, röstig, malzig, kräftig. Das Bier ist immer wieder eine Wucht.

Das Bier ist es wert, sich mit ihm etwas ausführlicher zu beschäftigen, und so dauert unsere kurze Pause denn auch deutlich länger, als eigentlich geplant…

Die Wiener Bier Bar Stadtboden ist täglich ab 10:00 Uhr durchgehend geöffnet. Neben einer guten Bierauswahl bietet sie vom Frühstück bis zum späten Abendessen alles, was man zum Überleben braucht. Und sie ist einladend gemütlich – eigentlich also alles andere als eine Destination für einen Besuch unter Zeitdruck. Es lohnt sich, sich hier ganz gemütlich hinzusetzen, den Nachmittag bei Kaffee und Bier zu verbringen und dann nahtlos zum Abendessen überzugehen. Zweites Wohnzimmer, halt. Von der Straßenbahnhaltestelle Kärtner Ring / Oper mit den Linien 1, 2, 71 und D sind es zwei bis drei Minuten zu Fuß bis hierher.

Bilder

Stadtboden
Krugerstraße 8
1010 Wien
Österreich

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