Lokalt og Lekkert
Bergen
NOR

Trotz der schon oft verkündeten „Craftbierrevolution“ sieht es in Deutschland biermäßig oft noch sehr mau aus. Zwar gibt es zahlreiche neue Brauereien, zwar entstehen in den größeren Städten viele Craftbier-Bars, aber woran es fehlt, ist nach wie vor eine abwechslungsreiche Bierkultur, die den Alltag durchdringt. Wo sind die Gastwirtschaften auf dem Lande, die mehr als nur die Biere der Brauerei anbieten, die ihnen die Inneneinrichtung, die Bierbänke und die Sonnenschirme bezahlt hat? Wo ist der Döner-Imbiss, der auf seiner Karte nicht „Bier“ stehen hat, sondern „Pils“, „Weißbier“, „Stout“ und „Pale Ale“? Wo finde ich ein Restaurant, das zu seiner guten, vielfältigen und abwechslungsreichen Küche eine ebensolche Bierauswahl anbietet?

Wie schön wäre es, wenn es sich nicht nur auf die berühmte und deswegen mittlerweile dauerüberfüllte Markthalle Neun in Berlin beschränken würde, sondern auch sonst ganz normal wäre, einen bunten Strauß unterschiedlicher Biere zum Essen bestellen zu können? Unabhängig von der sinn- und zwecklosen Diskussion, was denn „Craft Bier“ wirklich sei, wäre schon einmal ein großer Schritt gemacht, wenn wir statt Hellem, Dunklem und Weizen auch mal ein halbes Dutzend mehr Biere in unterschiedlichen Stilen und somit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen vorfinden würden.

Lokalt og Lekkert, Bergen, Bier in Norwegen, Bier vor Ort, Bierreisen, Craft Beer, Bierbar
Blick auf die Fischmarkthalle

Wie das aussehen könnte, zeigt der Spezialitätenstand Lokalt og Lekkert in der Fischmarkthalle in Bergen. Direkt am Hafenbecken gelegen, bietet diese Markthalle eine ganze Reihe von Restaurants und Spezialitätenständen, an denen man sich nach Herzenslust durchfuttern kann. Genauso selbstverständlich, wie es dazu unterschiedliche Weine und Schaumweine und verschiedene Cocktails gibt, genauso selbstverständlich ist es am Stand Lokalt og Lekkert auch, eine bunte Auswahl an guten Bieren zu bekommen.

So gut ist die Auswahl, dass viele Gäste sogar hierher kommen, um nur ein oder zwei Biere zu trinken und gar nichts zu essen oder einzukaufen.

Wir betreten die langgestreckte Fischmarkthalle an ihrem unteren Ende, also an dem, was in Richtung Innenstadt zeigt und wo sich auch die Touristeninformation befindet. Direkt vor uns sehen wir die kleine Holztheke, gegenüber ein paar Tische und Bänke, vielleicht ein Dutzend Sitzplätze nur. Und an der Holztheke hängt die kleine Tafel, die sofort unsere Aufmerksamkeit erregt. 25 Biere sind hier aufgelistet, wenn auch nicht immer mit der gebotenen Sorgfalt. Mal ist der Bierstil genannt, mal die Brauerei, mal der fantasievolle Name, der einem Bier verliehen wurde. Was sich also hinter den vielen Bezeichnungen der Bierliste verbirgt, muss erst noch erfragt werden.

Aber vielleicht ist gerade das auch eine schöne Methode, mit dem Barmann oder der Barfrau und dann auch mit den neben einem sitzenden Menschen ins Gespräch zu kommen: „Hej, weißt Du, welches IPA sich dahinter verbirgt?“ – „Kannst Du mir sagen, ob es sich bei ‚Slaur‘ um eine Brauerei oder einen Biernamen handelt, und was das für ein Bier ist?“ Im Nu ist man mitten in einer interessanten Konversation und beginnt, zu fachsimpeln.

Lokalt og Lekkert, Bergen, Bier in Norwegen, Bier vor Ort, Bierreisen, Craft Beer, Bierbar
eine Bierliste, die zum Nachfragen einlädt

Slaur entpuppt sich rasch als Biername, und zwar als Bezeichnung für das Saison der Skifjorden Bryggeri. Mit dem Wort Slaur bezeichnet man einen Faulpelz, einen Schluri, der sich vor der Arbeit drückt, wo er nur kann. Das Bier, das diesen Namen trägt, gefällt zum Glück besser als diese Art von Taugenichts. Orangenschale, Koriander und ein bisschen Pfeffer geben ihm eine schöne frische und würzige Note. Lediglich die Hefe ist vielleicht ein bisschen dominant, könnte etwas weniger phenolisch sein. Trotzdem aber: Ein schönes Bier für eine kurze Rast zur Mittagszeit.

Hand aufs Herz: An welchem deutschen Fischmarkt würden wir ein Farmhouse Bier erwarten und nicht nur darauf hoffen, dass das Warsteiner oder Holsten wenigstens nicht im Plastikbecher serviert wird?

Noch ein zweites Bier bestellen wir uns, und diesmal schlägt uns der Barmann etwas vor: „Wenn Ihr wieder ein Bier mit einem ungewöhnlichen Namen trinken wollt, dann nehmt doch mal das ‚Kjuagutt‘. Das steht zwar nicht auf der Tafel, ich habe es aber trotzdem.“ Um was für ein Bier es sich handelt, erfahren wir schnell, nämlich um ein Amber Ale der 7 Fjell Bryggeri. „Aber was heißt denn Kjuagutt?“, wollen wir nun etwas genauer wissen. Tja, auch das scheint ein regionales, etwas abwertendes Wort zu sein. Die Bezeichnung für einen schlitzohrigen Straßenjungen, der aber trotz allem das Herz am rechten Fleck hat.

Das Bier selbst ist schön vollmundig, rund und malzig, gar nicht mal schlecht, und geht stilistisch ein kleines bisschen in die Richtung der gerade wieder in Mode kommenden Nürnberger Rotbiere.

Lokalt og Lekkert, Bergen, Bier in Norwegen, Bier vor Ort, Bierreisen, Craft Beer, Bierbar
Slaur? Was immer das auch bedeutet…

Wäre es nun nicht helllichter Tag, sondern vielleicht schon am frühen Abend, dann würden wir gerne noch ein paar weitere Biere verkosten. Ein bisschen neidisch schauen daher wir auf den Nachbartisch, wo eine Gruppe US-Amerikanerinnen eine geführte Verkostungstour macht. Eine Flasche nach der anderen öffnen die Damen und verteilen sie auf fünf Gläser. So kann man sich natürlich schon durch die Bierliste arbeiten. Als wir aber sehen, dass nach jedem verkosteten Bier auch ein Aquavit folgt, denken wir uns unseren Teil. Es ist nach wie vor Mittagszeit, aber heute scheint für die Damen nebenan nichts anderes mehr auf dem Programm zu stehen. Vier, fünf winzige Biere, dazu aber vier, fünf normal portionierte Aquavit? Der Tag dürfte gelaufen sein.

Mit einem leichten Grinsen auf den Lippen ziehen wir weiter, und in Gedanken stellen wir uns vor, wie schön es sein müsste, eine solche unaufgeregte, aber schmackhafte und umfangreiche Bierauswahl häufiger anzutreffen. Beim Vietnamesen um die Ecke, hinten beim Dönergrill, und dort vorne, beim Stand mit Fisch und Meeresgetier auch. Aber das wird in Deutschland wohl noch auf längere Zeit die Ausnahme bleiben.

Die Fischmarkthalle in Bergen und damit auch der Stand Lokalt og Lekkert sind täglich von 08:00 bis 23:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Durch die Lage direkt am Hafen ist die Halle problemlos zu erreichen – fünf Minuten zu Fuß von der Endstation Byparken der Straßenbahn oder wenige Schritte nur von der Haltstelle der Stadtbuslinien direkt am Fischmarkt.

Bilder

Lokalt og Lekkert AS
Strandkaien 3
5013 Bergen
Norwegen

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.