Medicine Hat Brewing Company
Medicine Hat
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Medicine Hat? Was soll denn das sein? Ein Medizinhut? „Also, manche Brauereien scheinen sich schon recht merkwürdige Namen zu geben“, war mein erster Gedanke. Der zweite war: „Nein, es ist nicht die Brauerei, sondern die Stadt, die diesen merkwürdigen Namen trägt. Die Brauerei hat sich nur nach der Stadt benannt, in der sie liegt.“

Medicine Hat, also. Die verkürzte, verballhornte Form von Medicine Man’s Hat, der Hut des Medizinmanns. Oder, in der Sprache der indigenen Menschen, Saamis. Eine Kopfbedeckung aus Adlerfedern, die der Medizinmann des jeweiligen Stammes getragen hat.

Medicine Hat ist eine kleine, verschlafene Stadt irgendwo in Alberta. Gegründet wurde sie nicht, weil es hier schön ist, zu leben, sondern weil man hier ein großes Gasvorkommen entdeckt hatte. So war es die Arbeit, die die Menschen hierher gezogen hat, nichts weiter. Nach dem getanen Tagwerk macht sich allerdings Langeweile breit. Was soll man machen? Vielleicht ein Bier trinken gehen? Na, gerne, was auch sonst. Man kann ja schlecht schon nachmittags ins Bett gehen…

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von außen nur ein simpler Klotz

So ist denn der Parkplatz vor der Medicine Hat Brewing Company am Nachmittag um halb vier schon erstaunlich voll. Das Gebäude sieht nicht sonderlich attraktiv aus – ein simpler Klotz, aber im Schankraum hat man sich doch ein wenig Mühe gegeben und nicht nur auf den Industrial Chic von unverputzten Wänden und unverkleideter Versorgungstechnik gesetzt. Stattdessen eine Kassettendecke, rote Ziegelwände und eine Theke aus dunklem, fast schwarzem Holz. Noch nicht ganz das, was man unter wahrer Gemütlichkeit versteht, aber immerhin.

Ich suche mir ein Tischen und studiere die Bierliste. Ein rundes Dutzend Biere finde ich, und zum Glück die Möglichkeit, ein Tastingboard zu bestellen. Ein kurzer Fingerzeig, und der junge Mann hinter der Bar bringt mir die ersten Biere, serviert in einfachen zylindrischen Gläsern auf einem Holzbrettchen, das die Form des Bundesstaates Alberta hat.

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Ich habe mal mit den einfachen, nicht so alkoholstarken Bieren begonnen und bin neugierig.

Bier Nummer 1 ist das Twin City Lager, ein extrem helles Bier mit 4,9% Alkohol. Sehr glatt, ein bisschen dünn fast, und mit einer leichten Süße ist es sicherlich ein guter Durstlöscher an heißen Tagen wie heute. Mehr aber auch nicht.

Kaum anders das Hatfield Blonde Ale. Ebenfalls extrem hell, mit 4,6% Alkohol, und ebenfalls recht dünn. Allerdings auch mit einem etwas chemischen Beigeschmack. Ein bisschen fruchtig und estrig, aber sehr künstlich wirkend. Ethylbutyrat würde so in die Richtung gehen – eine der Substanzen, die im Verkostertraining ab und an mal verwendet wird, um Fehlgeschmäcker aufzuzeigen.

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die ersten beiden Biere sind extrem hell

Fast bin ich schon ein wenig enttäuscht, aber Bier Nummer 3 reißt es jetzt erstmal raus. Das Boomtown Lager wartet mit einer schönen Kupferfarbe auf, hat 4,7% Alkohol, und der Geschmack geht deutlich in Richtung eines Wiener Lagers. Kräftig und rund. Na prima, geht doch.

Bier Nummer Vier, das Sin Bin Red Ale, wirkt, obwohl alkoholisch mit 5,0% ein bisschen stärker, wie der kleine Bruder des Boomtown Lagers. Es setzt sich nicht so richtig durch, bleibt ein bisschen im Hintergrund.

Ich mache eine kleine Pause und blättere in dem kleinen Büchlein, das vor mir auf dem Tisch liegt. Der Alberta Craft Beer Guide erscheint mehrmals im Jahr und listet alle Brauereien im Bundesstaat auf. Garniert wird dieses kleine Nachschlagewerk mit ein paar Geschichten und Berichten rund um die Bierszene im Land. Eine nette Lektüre, und rasch habe ich mich festgelesen. Viel gäbe es hier im Bundesstaat noch zu erkunden, stelle ich fest, und ich würde mir wünschen, auch in Deutschland in den Ausschankräumen der kleinen Brauereien einmal ein so umfassendes Büchlein auf jedem Tisch vorzufinden.

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auf jedem Tisch findet sich interessante Lektüre

Es wird Zeit für das zweite Tastingboard. Als erstes probiere ich das jetzt nicht sonderlich originell benannte New England Pale Ale. 5,6% Alkohol, eine leichte und gleichmäßige Trübung, ein schönes Hopfenaroma und eine fruchtige Bittere. Sehr ansprechend.

Bier Nummer sechs hat dann wieder einen „richtigen“ Namen: The Duke. Ein English Pale Ale ist es, mit 4,6% gut trinkbar, und es weist ein paar nette, eher ins harzige und kräuterige gehende Hopfennoten auf.

Das deutlich hellere Aberdeen Pale Ale (immerhin schon Bier Nummer 7!) ist ein bisschen stärker (5,0% Alkohol) und hat etwas prägnantere Hopfennoten, die auf einem schlankeren Malzkörper serviert werden.

Mit dem Industrial Ave, einem India Pale Ale mit 6,7% Alkohol beschließe ich meine Verkostung. Fruchtige Hopfennoten in der Nase, ein kerniger Hopfencharakter auf der Zunge – ein durchaus sympathisches Bier, dem man seinen recht hohen Alkoholgehalt gar nicht anmerkt.

Während ich an der Theke meine Rechnung bezahle, komme ich ein wenig mit dem Barmann ins Gespräch und frage ihn auf gut Glück, ob ich denn mal einen Blick in die Brauerei werfen könne. „Na klar, kein Problem“, heißt es, und schon führt er mich durch den hinteren Teil des Gebäudes.

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das stählern glänzende Sudwerk

„2016 wurde die Brauerei gegründet“, erzählt er mir. „Damit sind wir die zweitälteste der drei Brauereien am Ort.“ Und stolz fügt er hinzu: „Und die bei weitem größte!“

Unlängst habe man gerade noch einmal um ein paar 90-Barrel-Tanks erweitern müssen, erzählt er mir. Die vierzehn verschiedenen Biere, die immer parallel im Angebot seien und ständig durchrotieren würden, seien so erfolgreich, da müsse man sich schon anstrengen, um den Bedarf der Gäste zu befriedigen. „Weißt Du, was soll man hier am Rand der Bad Lands nach der Arbeit auch machen, außer Bier trinken?“, stellt er mir genau die gleiche Frage, die ich mir selbst auch schon gestellt hatte, als ich hier gelandet war.

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lange Reihen von Lagertanks

In Windeseile sind wir durch die Halle gelaufen, haben eine Welt aus Edelstahl gesehen. Sudwerk, Tanks, Rohre, alles blitzt und glänzt. Mit Masse werde Malz aus Kanada verwendet, erfahre ich noch, aber für die Spezialbiere greife man auch gerne auf belgisches Malz und natürlich auf das berühmte Weyermann Malz aus Deutschland zurück. Stolz zeigt er mir einen Stapel Malzsäcke mit dem vertrauten Logo.

„Jetzt muss ich aber wieder zurück an die Theke, die Gäste haben bestimmt schon Durst“, entschuldigt er sich, und wir gehen zurück in den Schankraum. „Hier, da kannst Du noch ein bisschen über unsere Bierszene lesen“, sagt er noch und drückt mir ein Exemplar des Alberta Craft Beer Guide in die Hand.

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Blick in den Taproom

Na, das war mein erster Eindruck der Stadt Medicine Doch gar nicht mal so schlecht für den Anfang. Wenn es hier schon außer Gas-, Lehm- und Sandgewinnung nicht viel anders gibt – die Medicine Hat Brewing Company hat mir jedenfalls gut gefallen.

Der Taproom der Medicine Hat Brewing Company ist dienstags bis sonnabends von 11:00 bis 21:00 Uhr geöffnet; die Küche kocht bis 20:00 Uhr. Sonntags und montags ist zu. Durch die Lage am Rand der Stadt, dort, wo sie schon in Richtung Prärie langsam zerfasert, ist die Brauerei nur mit dem Auto sinnvoll zu erreichen.

Bilder

Medicine Hat Brewing Company
1366 Brier Park Dr NW
Medicine Hat
AB T1C 1Z7
Kanada

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