Erica Francis
Alberta Craft Beer Guide

Wir behaupten in Deutschland ja manchmal (oder haben das zumindest bis zum Beginn der CoViD-19 Pandemie getan), dass wir mittlerweile auf einem guten Weg in Richtung Craftbier Revolution seien. Zwar kann man über den Begriff Craftbier genauso streiten wie über den Begriff Revolution, aber zumindest in Berlin und Hamburg klopft man sich schon gelegentlich selbstgefällig auf die Schulter und sagt: „Seht her, was wir alles schon erreicht haben. Wir leben Craftbier!“

Blickt man jedoch auf andere Länder (Großbritannien mit etwa doppelt so viel Brauereien wie Deutschland, die USA mit fünf Mal so vielen, selbst Italien überholt uns gerade und in der Zahl der Brauereien pro Kopf ist uns die Schweiz weit voraus …), dann merkt man doch gelegentlich einen deutlichen Unterschied. Und zwar nicht nur quantitativ, sondern auch in der Art und Weise, wie Craftbier zelebriert wird.

Da war ich doch letzten Sommer am Ende der Welt in Kanada, in der Provinz Alberta, und dort in einem winzigen Nest namens Medicine Hat, von dem ich nie im Leben etwas gehört hätte, hätte mich nicht eine berufliche Reise dorthin geführt. In diesem unbekannten Nest habe ich immerhin drei kleine handwerkliche Brauereien entdeckt, und in einer davon, der Medicine Hat Brewing Company, lag auf jedem einzelnen Tisch im Taproom ein kleines Büchlein, der Alberta Craft Beer Guide. Ein Taschenbuch mit über 150 Seiten.

Alle Brauereien in Alberta sind dort beschrieben, jeweils eine ganze Seite für jede Brauerei. Beginnend mit dem Namen der Brauerei und ihrer Adresse, dann die Öffnungszeiten des Taprooms, die Internet-Adresse, die Adresse bei Facebook und Instagram und schließlich eine kurze, fünf oder sechs Zeilen lange Beschreibung im Fließtext, gefolgt von der Angabe, welches das erste in dieser Brauerei hergestellte Bier war, und wann. Am Rande der Seite ist eine schmale Spalte, in der sich Piktogramme finden, die zu jeder Brauerei angeben, ob man wiederverwendbare Bier-Bembel, sogenannte Growler füllt, ob es Flaschen- oder Dosenbier oder nur Fassbier gibt, ob es richtige Speisen, nur Snacks oder gar nichts zu essen gibt, ob man Touren anbietet, Souvenirs oder Kinderbetreuung. Ein blitzschneller Überblick.

Fehlt noch etwas? Aber ja, eine Übersicht der angebotenen Biere. Sie beschränkt sich auf die wichtigsten vier Biere – entweder die besten oder die am besten sich verkaufenden, was genau, habe ich jetzt nicht herausgefunden.

Ein sehr schöner Brauereiführer durch die ganze Provinz also, ein hervorragendes Nachschlagewerk.

Aber damit nicht genug. Zwischendrin sind noch acht Kapitel, die nicht zum Nachschlagen, sondern zum Lesen gedacht sind. Ein paar Hintergrundinformationen über die Bierszene und kurze Reportagen, zum Beispiel über die Bad Ass Women of Alberta Beer, die knallharten Frauen in der Alberta Bierszene.

Während ich mich durch die Biere der Medicine Hat Brewing Company probiere, blättere ich den kleinen Bierführer bis zum Ende durch und stelle dann fest: Das ist nicht nur eine einmalige Ausgabe, sondern der Alberta Craft Beer Guide erscheint regelmäßig mehrere Male im Jahr. Das Exemplar in meinen Händen ist die Ausgabe 04/02, also die vierte Nummer im zweiten Jahrgang, erschienen im Sommer 2019.

Das ist wahre Bierleidenschaft, wenn sich jemand die Mühe gibt, die Bierszene in einer ganzen Provinz, immerhin mit einem unserer Bundesländer vergleichbar, komplett, professionell und vor allem stets aktuell darzustellen. Ich würde mir wünschen, auch in Deutschland in den Schankräumen unserer kleinen Brauereien einmal ein so umfassendes Büchlein auf jedem Tisch vorzufinden.

Mein Exemplar, in dem ich nun schon eine weile geblättert habe, bekomme ich nach ein bisschen Fachsimpelei mit dem Barmann geschenkt, verbunden mit der Empfehlung, doch die anderen Brauereien in der Provinz auch alle zu besuchen.

Nun, wenn ich die Gelegenheit dazu bekomme, dann gerne, verspreche ich ihm.

Erica Francis
Alberta Craft Beer Guide
Burke Group
Edmonton, 2019
ISBN -ohne-