Tim Webb, Stephen Beaumont
De Wereldatlas Bier

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De Wereldatlas Bier

Der Brite Tim Webb und der Kanadier Stephen Beaumont blicken beide auf eine lange Karriere als Bierautoren und -blogger zurück und dürfen sich zu Recht als Fachleute bezeichnen, die insbesondere auch den raschen Wandel der Bierszene in den letzten Jahren schriftstellerisch begleitet haben.

Mit dem Buch „De Wereldatlas Bier“ – im Original „The World Atlas of Beer” – haben die Autoren nun einen gewichtigen Band vorgelegt, der auf den ersten Blick vielleicht täuschen, auf den zweiten aber begeistern mag.

Oft finden sich in den Grabbelkisten der Buchhändler oder in den schlecht sortierten Buchabteilungen von Supermärkten und Kaufhäusern gewaltige Bildbände zum Thema Bier. „Die Biere der Welt“ oder „Welt der Biere“ sind typische Namen für diese rasch mit durchaus ansprechenden Bildern gefüllten, ansonsten aber nur mit schwer lesbaren technischen Details und Bierparametern gefütterten Bücher. Genauso rasch, wie eine Fotosammlung willkürlich zusammengetragener Biere der Welt erstellt ist, sind auch die Texte dazu von den Flaschenetiketten abgeschrieben und, voila, der Bildband ist fertig. Qualitätskontrolle spart man sich, eine Druckerei im Osten Europas druckt und bindet alles für wenig Geld, und schon kann für 9,99 Euro oder weniger ein großformatiges und gewichtig scheinendes Buch verramscht werden.

Auf den ersten Blick sieht De Wereldatlas Bier genau so aus, und sein Titel deutet in eben diese Richtung.

Auf den zweiten Blick wird es aber deutlich besser. Mir sind die Namen beider Autoren sehr vertraut, und auch die Buchhandlung in Brüssel, in der ich gerade stehe, wirkt sehr konservativ und solide. Da ist nichts mit Verramschen angesagt.

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Argentinien und der Rest Südamerikas

29,99 Euro sind dann auch kein Pappenstiel, aber schon beim ersten Durchblättern stelle ich fest, dass das Geld gut investiert ist. Schöne Fotografien, ausführliche und wertende Texte, sorgfältig recherchierte Empfehlungen und eine klare und übersichtliche Gliederung machen das Buch zu einem ansprechenden Nachschlagewerk.

Natürlich verzichtet auch dieses Buch nach den Vorworten der beiden Autoren nicht auf die obligatorische Darstellung der Geschichte des Biers. Was ist Bier, wie wird es hergestellt und wo kommt es her – diese Fragen werden in jedem Bierbuch aufs Neue beantwortet, selbst wenn sie vom Thema her eigentlich gar nicht gestellt werden.

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Lambiek

Dann aber wird es ernst. Handwerkliches und industrielles Brauen werden einander gegenübergestellt, neueste Trends aufgelistet, und dann starten wir eine Bierreise durch die Kontinente. Beginnend mit Europa werden alle nennenswerten Biernationen der Welt abgehandelt, und zwar in thematisch oder geographisch zusammenhängenden Kapiteln. Großbritannien, Belgien und Deutschland werden beispielsweise nach den für diese Länder jeweils typischen Bierstilen gruppiert. Unter anderem findet sich ein eigenes Kapitel über Lambiek-Biere im Abschnitt Belgien.

Nach Westeuropa folgen Nordeuropa, Mittel- und Osteuropa und Südeuropa, bevor es anschließend nach Nord- und Südamerika geht. Australien, Neuseeland und „der Rest der Welt“ bilden die folgenden Kapitel, deren Inhalt deutlich detaillierter und fesselnder ist, als es die lapidaren Überschriften vermuten lassen. Schönes Bildmaterial, sauber recherchierte Fakten und immer wieder auch mal kleinere Stadtpläne, in denen die vor Ort zu findenden Brauereien sorgfältig verzeichnet sind.

Zu guter Letzt folgt noch ein Teil über die richtige Verkostung von Bier.

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Ontario und die kanadische Prärie

Das Buch ist von 2016, die Übersetzung ins Niederländische, die ich mir gekauft habe, von 2017. In einer kleinen Anmerkung weisen die Autoren darauf hin, dass genau zur Drucklegung des Buches die wohl größte Übernahmeschlacht der Biergeschichte stattfand, nämlich die Übernahme des zweitgrößten Bierkonzerns der Welt, SAB Miller, durch den größten, ABInBev. Welche Folgen das für die Bierwelt haben würde und welche Auflagen die Kartellbehörden der Welt dem neuen Quasi-Monopolisten machen würden, war zu dem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Mittlerweile wissen wir zwar, wie sich das entwickelt hat, und dass beispielsweise weltberühmte Marken wie das Pilsner Urquell aus dem SAB Miller Portfolio abgestoßen werden mussten (Pilsner Urquell landete bei dem japanischen Konzern Asahi), aber die Verwerfungen sind trotzdem noch nicht alle verwunden, und regelmäßig erstaunen uns Nachrichten aus der Bierwelt, die unmittelbar auf diese große Übernahme zurückzuführen sind.

In der Summe ein sehr schönes, repräsentatives und – vor allem – lesenswertes Buch. Nicht ganz billig, aber definitiv für den Liebhaber die Investition wert!

Ein paar Kleinigkeiten an den Verlag wären aber schon noch zu melden. Beispielsweise ist das wunderbare Panoramabild einer Herbstwaldes auf Seite 162, auf dem die Farben des Indian Summer leuchten, mit dem internen Hinweis an den Layouter „B Spread Chapter Opener“ versehen. Hihi!

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ein paar kleine Ausrutscher gibt es aber

Das ganzseitige Foto der slowakischen Stadt Banská Bystrika auf Seite 133 ist seitenverkehrt, wie man an den Beschriftungen des Denkmals und der Geschäfte sehen kann. Und wenn man korrekte diakritische Zeichen verwendet (was ich wichtig und gut finde), dann sollte man Schriftfonts nehmen, die diese auch korrekt darstellen und nicht, wie auf Seite 136, aus Plzeň ein Plzeň machen, weil das Programm für das Sonderzeichen verzweifelt auf einen ähnlichen Font ausweichen muss.

Aber das ist Jammern auf hohem Niveau und nur meinem persönlichen Perfektionismus geschuldet.

Tim Webb, Stephen Beaumont
De Wereldatlas Bier
Uitgeverij Terra
Houten, 2017
ISBN 978-90-8989-752-7

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