Mit seinem Bierparadies Stone Brewing World Bistro & Gardens in Berlin ist Greg Koch böse auf die Klappe gefallen. Drei Jahre gewaltiges Minusgeschäft, in denen er weder die Berliner noch die Touristen von seinem Konzept überzeugen konnte, viel Geld für extreme Biere auszugeben und alles, was auch nur ansatzweise nach „normalem“ Bier schmeckte oder aussah, zu verdammen. Mit bemerkenswerter Dickschädeligkeit und Beratungsresistenz hat er es versucht, aber es hat nicht funktioniert. Die Brauerei mit Biererlebniszentrum in Mariendorf ist nie auch nur ansatzweise aus den roten Zahlen gekommen.
Anders, besser, scheint es beim Stone Brewing Tap Room im Stadtteil Prenzlauer Berg auszusehen. Aber hier sind ja auch die Rahmenbedingungen ganz anders. Zum einen liegt diese Bierbar nicht am gefühlten Ende der Welt, zu dem man erst eine Weile mit den Öffis anreisen muss und dann noch eine Viertelstunde Fußweg vor sich hat (was besonders bei schlechtem Wetter ein wahres Vergnügen ist), und zum anderen ist der kleine und überschaubare Laden in der Oderberger Straße nicht völlig überdimensioniert.
Bei heftiger Sommerhitze komme ich hier an, und ich habe zunächst einfach mal nur Durst auf ein Bier zum Zischen. Aber ach, da geht es schon wieder los. Die Bierkarte umfasst Dutzende von Bieren, eines klingt interessanter als das andere, aber ein einfaches Zischbier ist nicht zu finden. Kein Helles, kein Pils, kein Weissbier. Entweder Biere mit hohem Alkoholgehalt oder geschmacklich extreme Biere oder eine Kombination aus beidem. Selbst das einfache Go To India Pale Ale mit lediglich 4,7% Alkohol kommt schon mit 65 Bittereinheiten daher. Für den bewussten Genuss ganz bestimmt nicht schlecht, aber als Einlaufbier gegen den ersten Durst auch nicht gerade geeignet.
Ich muss einen Kompromiss eingehen und bestelle mir ein Water Lilly Sour. Mit 6,4% Alkohol eigentlich zu kräftig, um es gegen den Durst zu trinken, aber als Sauerbier wenigstens so erfrischend, dass es den Durst löscht und den Straßenstaub von Zunge und Gaumen spült. Kein schlechtes Bier, mitnichten, aber eben eines, das den großen, fast unkontrollierten Schluck nicht vorsieht. Wahrscheinlich ist es Teil des Stone’schen Konzepts, dass man bereits auf dem Weg zum Taproom den ersten Durst mit einem Pils oder Hellen aus der Flasche als Wegbier stillen muss…
Nun, die erste Gier ist vorbei, und ich widme mich der bewussteren Verkostung. Ich bestelle mir eine Bier-Käse-Kombination – fünf Biere und fünf dazu passende Käsestückchen. Während ich auf meine Bestellung warte, sehe ich mich im kleinen Biergärtchen ein wenig um. Gemütlich sitzt man hier, mit Blick auf die Straße und die vorübergehenden Menschen – letzteres wie immer in Berlin höchst interessant, bunt und abwechslungsreich.
Und da kommt schon meine kleine Probierplatte. Ein Holzkästchen mit fünf kleinen Biergläsern und eine Schieferplatte mit fünf Käsestückchen. Die erste Kombination (White Geist mit Brie) kann mich nicht so wirklich begeistern. Das 4,7%ige säuerliche Bier im Stil einer Berliner Weiße passt nicht wirklich zum kremigen Brie.
Deutlich besser die nächste Kombination, das Ripper Pale Ale mit Ash Goat, einem in Asche gerollten Ziegenkäse. Das kernig-bittere, 5,7%ige Bier passt ausgezeichnet zum sehr herzhaften Ziegenkäse. Schön! Auch Kombination Nummer 3, das 4,7%ige Go To IPA mit Parmigiano Reggiano kann überzeugen.
Ganz großes Geschmackskino dann beim extrem stark gehopften, 6,9%igen Stone IPA, dem ein ebenso kräftiger und selbstbewusster Roquefort Blue gegenübersteht. Zwei Muskelpakete ringen auf der Zunge um geschmackliche Vorherrschaft. Ausgezeichnet.
Gemäßigter und fast schon langweilig geht es dann bei der letzten Kombination zu, dem Arrogant Bastard mit 7,2%, kombiniert mit Emmentaler. Auch das Arrogant Bastard ist extrem bitter, und dagegen kommt der etwas alkalische und leicht süßliche Emmentaler schlicht und einfach nicht an, sondern verschwindet sang- und klanglos in der geschmacklichen Wahrnehmung.
Trotzdem ein schöner Spaß – Bier und Käse zu kombinieren, ist immer wieder eine große Freude.
Entspannt lehne ich mich zurück, da spüre ich einen Tropfen im Gesicht. Es wird jetzt doch wohl nicht anfangen, zu regnen? Ein zweiter Tropfen, und nur eine Sekunde später bricht ein gewaltiges Gewitter los. In Windeseile verziehe ich mich ins Innere des Taprooms, finde auch noch einen Sitzplatz und überlege mir, dass zu so einem heftigen Unwetter jetzt durchaus mal ein stärkeres Bier passen würde. Ich bestelle mir das Brut(ish) Imperial Stout von Stone. 9,5% Alkohol, kräftige röstige Noten, ein voller und intensiver Geschmack, aber auch – wie der Name ja schon ankündigt – knochentrocken, ohne jede Restsüße. Eine interessante Geschmackserfahrung.
Nur die 9,5% Alkohol – die haben es in sich. Es wird dunkel um mich herum.
War der Alkohol jetzt doch zu viel? Das Imperial Stout zu heftig? Nein, es ist nur ein Kurzschluss. Die Lichterkette draußen im Biergärtchen baumelt im Wind, heftig prasselt der Regen auf die Glühlampen, und irgendwo hat sich das Wasser seinen Weg bis zum Strom gesucht. Und ihn gefunden. Funken stieben, als der Barmann die Sicherung wieder reindrücken will, während seine Kollegin mit dem Feuerzeug durch den Raum geht und an allen Tischen Kerzen entzündet. Romantische Dämmerung, ganz ungeplant und unerwartet.
Endlich erbarmt sich jemand und klemmt die Lichterkette draußen komplett ab. Oh Wunder, die Sicherung lässt sich nun wieder reindrücken, die Lichter im Taproom flammen wieder auf. Fast schon schade ist es um die romantische Stimmung…
Draußen lässt der Regen bald wieder nach, die ersten Gäste ergreifen die Flucht und hoffen, halbwegs trocken heimzukommen.
Auch ich mache mich zur Theke auf, um meine Rechnung zu begleichen. Ich komme mit dem Barmann ein bisschen ins Gespräch, wir fachsimpeln über die Trinkbarkeit der Biere und den Mangel an Zischbieren in der Karte. „Einfach mal so ein Bier gegen den Durst, das ist bei Euch leider nicht möglich“, kritisiere ich ein wenig, „so spannend und interessant die anderen Biere bei Euch dann auch sein mögen.“
„Spannend und interessant, gerne auch ein bisschen provozierend – das ist aber unser Konzept“, erwidert der Barmann. Und als wolle er das noch ganz besonders betonen, schenkt er mir einen kleinen Rest vom Bodensatz aus einem Fass ein. „Hier, probier‘ das mal!“
Ein Schluck Früchtekompott steht vor mir. „Es war mal das Mission Warehouse Sour, ein Strawberry and Sour Cherry Bier von Stone“, höre ich. „Das hier ist jetzt aber nicht mehr das Bier, sondern dass, was noch aus dem Hahn tropft, jetzt, wo nur noch Bodensatz im Fass ist. Probier‘ aber trotzdem mal, schmeckt interessant!“
Ja, er hat recht. Ich spüre kräftige Säure, etwas Hopfenbittere, Fruchtaromen. Fast schon fühle ich mich versucht, darum zu bitten, diese Fruchtpampe mit einem Schuss einfachem Lagerbier zu verdünnen – herauskommen sollte ein durchaus leckeres Fruchtbier. Aber die Idee scheitert daran, dass es kein einfaches Lagerbier gibt.
Fröhliches Gelächter ob dieses Un-Biers zum Abschluss des heutigen Besuchs. Der Regen hat mittlerweile wieder aufgehört, und ich kann trockenen Fußes bis zur Straßenbahnhaltestelle laufen.
Eine gute Bieradresse, das definitiv. Das innovative Essen dazu ist sicherlich auch nicht schlecht. Netter Service, eine sehr angenehme Atmosphäre. Aber man darf nicht ausgehungert und halb verdurstet kommen – hier geht es nicht darum, diese beiden Grundbedürfnisse rasch zu stillen, sondern einen nicht mehr sehr durstigen und durchaus auch schon recht satten Gast mit weiteren Genüssen und feinen Aromen zu verwöhnen.
Der Stone Brewing Tap Room – Berlin ist täglich ab 15:00 Uhr durchgehend geöffnet; sonnabends und sonntags auch schon ab 12:30 Uhr. Kein Ruhetag. Zu erreichen ist er mit den Straßenbahnlinien 12 und M1, Haltestelle Schwedter Straße, oder mit der U-Bahn, Linie 2, Haltestelle Eberswalder Straße. Von den Stationen aus sind es keine zwei Minuten zu Fuß bis zum Taproom.
Stone Brewing Tap Room – Berlin
Oderberger Straße 15
10 435 Berlin
Berlin
Deutschland
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