upper glass – craftbeer shop & warehouse
Mannheim
DEU

Ich gehe durch Mannheim und komme mal wieder an irgend so einem Schickimicki-Laden vorbei. „upper class“ oder so lese ich aus dem Augenwinkel und denke an meine Zeit in München zurück, wo in manchen Stadtvierteln die Arroganz sehr sorgfältig gepflegt wird. Ätzend!

Aber halt, dort steht ja gar nicht „upper class“, sondern „upper glass“, bemerke ich gerade noch rechtzeitig. Ein Wortspiel, und die Assoziation zu irgendeinem überheblichen Herrenausstatter auf der Münchner Maximilianstraße scheint bewusst in Kauf genommen worden zu sein. upper glass hat mit Mode aber nichts zu tun, sondern ist ein Craftbeer Shop, ein Fachgeschäft für kreative Biere aus aller Welt.

Naja, das alte und bemerkenswert hässliche Wohnhaus, in dem sich das Geschäft befindet, würde auf der Maximilianstraße aber auch sehr deplatziert wirken, stelle ich fest. Lediglich das Erdgeschoss, das Biergeschäft also, ist schön hergerichtet und stylisch.

schön ist das Gebäude nicht, in dem sich das upper glass befindet …

Drinnen begrüßen mich lange Reihen schwarzer Holzregale, die Seitenwände aus ebenso schwarzen Metallgittern. Dunkel und schlicht bringen sie die knallbunten Etiketten der Flaschen und Dosen um so besser zur Geltung. Lange, fast schon endlose Reihen Bier stehen hier; beim Versuch, abzuschätzen, wieviel verschiedene es sein könnten, ende ich irgendwo zwischen 300 und 500.

Sie sind sorgfältig sortiert, und alle Flaschen und Dosen sind präzise mit dem Etikett nach vorn in die Regale gestellt. Vorteil dieser Pedanterie: Die Suche nach etwas Bestimmten ist recht einfach.

Im rechten Teil des Verkaufsraums sind Regale mit belgischen Spezialitäten, Lambics und Fruchtbieren, und ein Regalabschnitt ist ganz simpel mit „Großflaschen“ überschrieben – hier finden sich 0,75-l-Flaschen und größere, die nicht nur von Genießern goutiert, sondern oft auch als Geschenk gekauft werden. Mit scharfem Blick für den Fehler im System entdecke ich die La-Trappe-Trappistenbiere im Regal der belgischen Spezialitäten, die Brouwerij De Koningshoeven liegt aber in den Niederlanden. Nun gut, es sind nur ein paar Kilometer jenseits der Grenze, aber trotzdem: Es sind zwar Trappistenbiere, aber eben nicht aus Belgien.

belgische Spezialitäten, Lambics / Fruchtbiere und Großflaschen

Aber mir steht heute der Sinn nach etwas anderem. Ich bleibe in der linken, der vorderen Hälfte des Verkaufsraums und spähe nach Flaschen mit dunklen, starken, alkoholhaltigen und vielleicht sogar fassgereiften Bieren. Der nächste Winter kommt bestimmt, und an kalten und dunklen Abenden passen diese Biere dann perfekt.

Es dauert nicht lang, und ich habe ein halbes Dutzend kleine Flaschen und Dosen zusammen. Mehr soll es nicht werden, der Rucksack ist mit anderen Dingen schon gut gefüllt, und ich habe noch ein Stück des Weges zu Fuß vor mir.

Einmal lasse ich den Blick noch die Regale entlangschweifen, bevor ich zum kleinen Kassentresen im hinteren Teil des Raums gehe. Die Auswahl ist wirklich groß – die Biere stammen aus aller Welt, und der Schwerpunkt liegt auf den derzeit im Trend liegenden Stilen: Sauerbiere mit Frucht, New England India Pale Ales und Session Biere.

Ob hier auch viele „Eintagsfliegen“ dabei sind?

Vieles davon „Eintagsfliegen“, also Sude, die nur ein einziges Mal gebraut und verkauft werden – das Zeichen unserer Zeit. Einerseits befriedigt das die Bedürfnisse der Beer Ticker, die jedes Bier nur einmal trinken, in ihrer Bierliste abhaken („ticken“) und dann nach Neuem Ausschau halten. Die Brauereien spielen dieses Spiel mit, nehmen die Herausforderung an und bringen jede Woche etwas Neues auf den Markt. Heute mit diesem Hopfen, morgen mit jenem. Mal das Gleiche, nur mit anderer Hefe, manchmal auch wieder mit neuem Namen und neuem Etikett, ohne dass auf Anhieb erkennbar wäre, was dieses Bier den nun von seinen drei oder vier Vorgängern unterscheidet.

Andererseits ist es für den einen oder anderen Brauer vielleicht auch eine ganz gute Lösung, um auch weniger gelungene Sude unter das Volk zu bringen. Zumindest habe ich gelegentlich den Eindruck, dass dem so ist, wenn ich mal wieder auf ein völlig unausgewogenes Bier stoße, das ich als Hobbybrauer nicht einmal meinen Freunden anzubieten gewagt hätte, geschweige denn, dafür Geld zu verlangen. Man behauptet einfach, das müsse so schmecken, das läge an der ganz besonderen Hefe, die man aus den Bauchnabelflusen eines kanadischen Holzfällers isoliert habe, und schon schweigen die Kritiker. Und: Die Brauer sind frei vom Anspruch der Kunden, dass eine bestimmte Sorte konsistent und immer gleich schmeckend gebraut werden müsse – das ist nämlich gar nicht so einfach. Es gibt bei vielen Craftbrauern gar keine dauerhaft gebrauten Marken, sondern jeder Sud ist anders, jeder ist neu, und Konsistenz braucht als Qualitätskriterium nicht weiter verfolgt zu werden.

Dem upper glass ist all dies nicht vorzuwerfen – dessen Aufgabe besteht darin, möglichst viel von diesem farbenfrohen und stetig wechselnden Angebot parat zu haben und dem Kunden bei jedem Besuch etwas Neues und Anderes präsentieren zu können. Und diese Aufgabe löst es ganz hervorragend – mittlerweile schon seit über drei Jahren hier an diesem Standort, im Quadrat R6 in Mannheim.

alles ist sehr sorgfältig sortiert

Während ich bezahle und die Biere im Rucksack verstaue, sehe ich hinter der Kasse noch vier Zapfhähne und einen Flaschenfüller. Hier können Biere vom Fass direkt in einen sogenannten Growler umgefüllt werden, um sie frisch mit heim zu nehmen und dort zu trinken. Die Rückkehr der klassischen Bierkanne, mit der vor fünfzig und mehr Jahren die kleinen Jungen und Mädchen zur Kneipe gegenüber geschickt wurden, um dem Vater sein Feierabendbier zu holen. Und natürlich bieten die Zapfhähne auch die Möglichkeit, das Bier hier direkt im Laden einmal zu verkosten.

Mit einem guten und soliden Eindruck verlasse ich das Geschäft. Sollte ich mal wieder in Mannheim sein, so gehört upper glass zu den Adressen, bei denen ich gerne noch einmal vorbeischauen werde.

Das Bierfachgeschäft upper glass ist montags bis freitags von 12:00 bis 20:00 Uhr, sonnabends von 11:00 bis 20:00 Uhr geöffnet. Sonntags ist zu. Zu erreichen ist es in zwei Minuten zu Fuß von der Straßenbahnhaltestelle Nationaltheater (Linien 2 und 4).

Bilder

upper glass – craftbeer shop & warehouse
R6, 6
68 161 Mannheim
Baden-Württemberg
Deutschland

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