Antybrowar
Łódź
POL

Brauen und Backen waren im Mittelalter schon immer eine innige Verbindung eingegangen.

In einer Zeit, in der man die Rolle der Hefe beim Brauprozess noch nicht einmal in Ansätzen verstanden hatte, entstanden alle Biere in Spontangärung. Die im Brauprozess bereitete Würze wurde abgekühlt, und je nachdem, was für Mikroorganismen zu diesem Zeitpunkt gerade in der Luft schwebten und sich dann über die Würze hermachten, entstand ein mehr oder weniger gutes Bier. Oft weniger gut, also sauer, wenn, wie wir heute wissen, Essigbakterien die Oberhand gewannen, manchmal aber auch richtig lecker und aromatisch. Letzteres auffällig oft in der Nähe von Bäckereien, und was lag also näher, Brauereien und Bäckereien auch nebeneinander anzulegen, oder gar beim häuslichen Backen und Brauen die Arbeitsgänge unmittelbar hintereinander in den selben Räumlichkeiten vorzunehmen.

Heutzutage wissen wir, dass die Biere, die in der Nähe einer Bäckerei entstanden oder die in der Großküche eines Guts direkt nach dem Backtag gebraut wurden, davon profitierten, dass die Luft voller Hefezellen war, die die frisch bereitete Würze ganz wie von selbst vergoren und den eventuell schädlichen Organismen, insbesondere den Essigbakterien, gar keine große Chance ließen, das Bier zu verderben.

Mit den Erkenntnissen über die Rolle und die Wirkung der Hefe ist es heute natürlich nicht mehr notwendig, sich auf spontane Gärung zu verlassen, sondern Reinzuchthefen und saubere Arbeit garantieren gleichbleibend hohe Qualität des Biers. Das Wissen um den Zusammenhang des Backens und des Brauens ging verloren, und nur noch wenige Menschen merken, dass Rumpelstilzchens Motto: „Heute back‘ ich, morgen brau‘ ich, …“ eigentlich genau an diesen Zusammenhang erinnert.

Antybrowar

Wenn am Stadtrand von Łódź, mitten in Polen, die im Jahr 2015 gegründete Brauerei Antybrowar mitten auf dem Gelände einer Bäckerei liegt, hat das mit den Hefezellen in der Luft allerdings nichts zu tun. Magdalena und Borys Banasiak hatten schon einige Zeit lang Pläne für die Eröffnung einer eigenen kleinen Brauerei geschmiedet. Finanzierung und Beschaffung des Sudwerks und sonstiger Technik waren fest eingetütet, was fehlte, war nur noch eine passende Halle, und die schien in Łódź nahezu unmöglich zu finden zu sein. Und hier kam nun die Bäckerei Bączek ins Spiel, die ihren Betrieb umgebaut und angepasst hatte und dadurch eine leere Halle zur Verfügung stellen konnte.

Nachdem die Halle gefunden war, war es nur noch eine Frage weniger Monate, bis die Brauerei eröffnet werden konnte, und seit November 2015 entstehen hier, im Hof der Bäckerei, beste polnische Craftbiere.

Eine enorme Hitze empfängt mich, als ich die Halle der Antybrowar betrete. Nicht nur, dass die Spätsommersonne noch einmal all ihre Kraft zusammengenommen hat und die Außentemperatur auf deutlich über 30° getrieben hat, nein, auch die Bäckerei nebenan hat gerade Hochbetrieb – die Backöfen glühen und heizen die Halle in der Brauerei noch zusätzlich auf. Mit schweißnasser Stirn begrüßt mich Borys und zeigt mir sein einfaches, aber robustes Sudwerk.

Viel Handarbeit ist hier nötig, von einer computergesteuerten und hochtechnisierten Anlage ist dieses Sudwerk weit entfernt. Aber dafür ist der Brauprozess simpel und transparent, jeder einzelne Parameter kann zu jedem beliebigen Zeitpunkt eingestellt werden. Neugierig spähe ich zunächst in den Sudkessel und sehe Borys anschließend fragend an, als er mir erklärt, dass das Gerät nebenan Läuterbottich und Whirlpool in einem sei.

„Wie soll das denn funktionieren?“, frage ich erstaunt.

„Na, ganz einfach, zunächst läutern wir ab, und während die Würze im Sudkessel kocht, trebern wir aus und nehmen den Läuterboden manuell raus. Anschließend wird die Würze nach dem Hopfenkochen wieder zurück in den Läuterbottich gepumpt, der ohne die Lochbleche tatsächlich als Whirlpool fungiert!“

Hat Borys da wirklich gerade „Na, ganz einfach!“ gesagt? Das ist richtige Knochenarbeit, und am Ende eines langen Brautages weiß er mit Sicherheit, was er geschafft hat …

ein uralter Kreiselfüller wird hier genutzt

Wir gehen in die andere Hälfte der Halle, etwas weiter weg von der Bäckerei, nicht mehr ganz so heiß. Hier stehen die Gär- und Lagertanks, und das Kühlaggregat brummt fleißig vor sich hin. Wir kommen genau zum richtigen Zeitpunkt – auf einem uralten Kreiselfüller wird gerade ein Sud auf Flaschen gezogen. Langsam dreht sich der Füller, und gemächlich wird eine Flasche nach der anderen aufgesetzt, gefüllt, abgezogen und manuell verkorkt. Ein ganzer Arbeitstag geht für eine Tankfüllung drauf – hier ist wirklich noch viel Handarbeit angesagt. Wenn das nicht Craft ist …

Woher der Name Antybrowar, also Antibrauerei, denn käme, will ich noch wissen, aber da kann mir Borys nicht viel sagen. Das sei irgendwann einmal beim Feierabendbier als fixe Idee entstanden, wer genau sie gehabt habe, könne er gar nicht sagen. „Aber“, so fährt er fort, „es ist eine hervorragende Basis für wortspielerische Biernamen, denn alle unsere Biere fangen jetzt entweder mit Anty oder mit Pro an!“

das Sudwerk

Und in der Tat, als ich an den Kartons mit den fertig abgefüllten Flaschen vorbeigehe, sehe ich die witzigsten Biernamen. Das Imperial American India Pale Ale ANTYLOPA (Antilope), das Cherry Sour Ale PROSIAK (Ferkel), das mit Kafir gewürzte Hefeweizen ANTYDEPRESANT (selbsterklärend …) oder das mit Minze und Kafir gewürzte American India Pale Ale ANTYPASTI (auch selbsterklärend …) und schließlich das American Wheat PROKREACJA (Fortpflanzung).

Mit ihren Flaschen und Einweg-KEGs aus Kunststoff, sogenannten PETainern, hat die Antybrowar es zunächst auf den regionalen Markt im Großraum Łódź abgesehen und sich dort auch schon recht erfolgreich platziert. Die Biere sind beliebt und aufgrund ihrer gleichbleibend hohen Qualität auch außerhalb der Hardcore-Craftbier-Trinker-Gemeinde anerkannt.

Gemeinsam mit meiner holden Ehefrau stelle ich uns einen Karton mit Kostproben aller Biere zusammen und trage ihn vorsichtig zum Auto, während Borys sich wieder der Flaschenabfüllung und Buchführung zuwenden muss. Zu viel muss hier noch von Hand gemacht werden, zu viel ist zu tun, und so wollen wir nicht weiter stören. Wäre doch schade, wenn es wegen uns zu einer Verzögerung bei der Abfüllung käme und Łódź morgen auf das leckere Bier der Antybrowar verzichten müsste …

Die Antybrowar Spółka z o. o. ist ein reiner Produktionsbetrieb und hat weder Ausschank noch Rampenverkauf, insofern gibt es auch keine Öffnungszeiten. Das Bier ist in Łódź aber in den einschlägigen Fachgeschäften und in der Craftbier-Gastronomie problemlos erhältlich.

Bilder

Antybrowar Spółka z o.o.
ulica Lodowa 132
93-232 Łódź
Polen

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