Die Granby Street in Norfolk – sie zieht sich vom Süden von der Waterfront bis weit in den Norden hinauf, und theoretisch könnte man hier mehrere Kilometer immer geradeaus laufen. Nur, ob sich das lohnen würde? Was im Süden recht attraktiv beginnt, mit zahlreichen kleinen Geschäften, Bars und Restaurants, verebbt zusehends, je weiter man in Richtung Norden läuft. Aus dem gemütlichen, kleinen Sträßchen zum Bummeln wird eine reine Verbindungsstraße.
Unser abendlicher Spaziergang findet also relativ rasch wieder ein Ende, irgendwann verlieren wir die Lust und kehren wieder um, dackeln wieder Richtung Süden. Sich die Beine ein wenig zu vertreten, hat nach einem langen Konferenztag gut getan, aber so langsam wäre es auch Zeit für ein Feierabendbier.
Da kommt das schwarze Schild gerade recht, das mitten auf dem Bürgersteig steht: „24 Craft Beers, Artisanal Wines, Huge Selection of Bourbon & Whiskeys“ verspricht es, und ohne lange nachzudenken, kehren wir hier ein.
Hier, das entpuppt sich als The Barrel Room, eine kleine Bar, die sich auf gute Whiskys spezialisiert hat und dazu unkompliziertes Essen anbietet. Und so ganz nebenbei eben auch 24 Zapfhähne hat, die mit interessanten Bieren aus aller Welt bestückt sind.
So ganz nebenbei?
Ja, so ganz nebenbei. Denn was in Deutschland noch eine Rarität ist, in einer Kleinstadt vermutlich wie das achte Weltwunder bestaunt werden würde, ist hier völlig normal: Eine kleine Bar, dafür aber mit einem großen Angebot mit 24 Zapfhähnen.
Wir nehmen an der Theke Platz, die junge Dame dahinter drückt uns ein paar auf alt getrimmte Zettel in die Hand: Die Liste der Biere ist imposant. Oft ist unter einem angebotenen Bier noch ein zweites vermerkt, mit dem Zusatz „Up Next“. Das seien die Fässer, die schon fix und fertig vorbereitet seien und angeschlossen würden, wenn das darüber gelistete Bier alle sei. So brauche man nicht jedes Mal, wenn eine neue Sorte angestochen wird, die Bierliste neu drucken, erläutert sie uns.
Wir überfliegen die Liste und sehen fast nur Biere von Brauereien, die uns völlig unbekannt sind. Kleine Brauereien aus der Region, irgendwo auf dem Dorf, entstanden in den letzten zwei oder drei, höchstens vier Jahren. In den USA gibt es mittlerweile weit mehr als 4000, ja, fast schon 5000 Brauereien – unmöglich, die alle auch nur mit Namen zu kennen. Aber auch ein paar bekannte Marken sind dabei, Stiegl aus Salzburg oder Verhaeghe aus Belgien, beispielsweise.
Die Auswahl fällt schwer, und so gehen wir einfach nach Bierstil und nicht nach Brauerei vor, bestellen für mich ein Saison, das Sidecar Saison, und für meine holde Ehefrau ein Porter, und zwar das Ghost Rider Porter. Der Zufall will es, dass beide Biere von derselben Brauerei stammen, der Big Ugly Brewing Co. aus Chesapeake. Beide Biere sind ganz ausgezeichnet. Das Sidecar Saison mit 6,8% überzeugt trotz seines recht hohen Alkoholgehalts mit Frische und Trinkbarkeit, kernig-phenolische Aromen und eine solide Herbe gefallen gut. Und das Ghost Rider Porter, das mit 7,3% noch etwas stärker daherkommt, erfreut mit röstigen Aromen, schön frisch, ein wenig an frisch gerösteten Kaffee erinnernd.
Die Einrichtung des Schankraums ist im Stil, wie er derzeit rund um den Globus in ist: Grobe, unbearbeitete Wände, gerade einmal eine dünne weiße Farbschicht auf den Ziegeln, grob gezimmerte Holzrahmen, die Szenen aus der Zeit der Prohibition zeigen oder Kreidetafeln halten, auf denen das Angebot im Barrel Room beworben wird. Dazu einfache Holzmöbel, unverkleidete Glühlampen, die von der Decke baumeln und lediglich von einem Drahtkäfig vor dem Zerbrechen geschützt werden, und eine lange Holztheke.
Es ist früher Abend, die Bar füllt sich langsam, und wir bestellen noch eine zweite Runde Bier: Ein schönes belgisches Tripel, nämlich das Laura’s Favorite Belgian Triple, für die Dame, das interessant klingende Irish Coffee Altbier für den Herrn. Erneut beide Biere aus derselben Brauerei, diesmal aus der Bull Island Brewing Company aus Hampton, ebenfalls aus der Region. Während das Tripel seine 7,8% Alkohol gut kaschiert und nur ein wenig wärmend wirkt, ansonsten aber schön fruchtig-komplex, weich und anmutig den Gaumen herunterrinnt, wirkt das Altbier ein wenig unausgewogen. Eigentlich müssten Kaffeenoten prima zu einem herben Altbier passen, aber hier gefällt das Zusammenspiel nicht, schmeckt der Kaffee irgendwie künstlich und geht die trockene, gleichzeitig fruchtige Frische, die ein Altbier auszeichnen sollte, verloren.
Aber egal, trotzdem eine schöne Pause hier am Tresen im The Barrel Room. Eine freundliche Atmosphäre, eine bunte, vielfältige Bierauswahl, ein netter Service. Und 24 Zapfhähne, das ist schon eine ordentliche Ansage. Auch wenn hier das Bier eigentlich gar nicht das Hauptgetränk sein sollte.
Eigentlich…
The Barrel Room ist täglich ab 16:00 Uhr bis Mitternacht durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Zu erreichen ist die Bar in einem gemütlichen Spaziergang von etwa 20 Minuten von der Waterfront aus, oder man nimmt die Straßenbahn „The Tide“ bis zur Haltestelle Monticello, etwa zwei Minuten entfernt.
The Barrel Room
437 Granby Street
Norfolk
VA 23510
USA
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