Es gibt Orte und Momente, in denen präsentiert sich das Allgäu so überirdisch perfekt, dass es nur noch kitschig ist, gar nicht mehr anders als kitschig sein kann.
Leicht wellen sich die Hügel des Voralpenlands, die Straße schlängelt sich in gleichmäßigen, ruhigen Windungen hinauf und hinab. Am Horizont grüßen die schneebedeckten Gipfel der Alpen. Nach den Regenfällen der vergangenen Tage steht das frische Gras leuchtend grün und saftig; noch saftiger und noch satter leuchten die buttergelben Köpfe des Löwenzahns.
Allgäuer Frühling.
Vor uns auf dem Hügel taucht ein großes, sehr gepflegtes Gehöft auf – der Berghof Babel. Die Häusergruppe liegt etwas außerhalb des Örtchens Wald. Der Kies knirscht leise unter den Reifen, als wir am 3. Mai 2015 auf den Parkplatz rollen. Walder Käskuche steht an der Hauswand, und darunter Schaukäserei, Brauerei.
„Mutig, mutig!“, denke ich, Käsebakterien und Bierhefe traut vereint unter einem Dach, das wird wohl eine echte Herausforderung an die Betriebshygiene und die Qualitätskontrolle sein.
Das Erdgeschoss des Gebäudes ist nicht nur groß, sondern auch großzügig. Eine einladende Käsetheke für den Direktverkauf gleich rechts, eine blitzblank polierte Brautheke der Firma Kaspar Schulz gleich links. Ein Großserienprodukt, gewissermaßen, aber doch immer wieder sehenswert. Vor uns der Schankraum mit überraschend wenig Tischen, dafür aber viel Platz davor, und rechts hinten hinter Glas die Schaukäserei.
Staunend starren wir durch die großen Fenster. Blitzblank ist alles, sauber hergerichtet, effizient angeordnet. In unseren Gedanken sehen wir den Käser zwischen den Bottichen hin und her laufen, sehen, wie er die Käseharfe durch die eingedickte, langsam ausflockende Flüssigkeit zieht…
Doch halt, wir sind ja nicht wegen des Käses, sondern eigentlich eher wegen des Biers hier. Flugs also einen Platz gesucht. Blitzschnell kommt die freundliche Bedienung angelaufen, und als hätte sie unsere Fragen schon geahnt, empfiehlt sie uns die Tiroler Brotzeitplatte, da seien mehrere Käsesorten aus eigener Produktion dabei, luftgetrockneter Schinken, und natürlich ein Glas des hier gebrauten Biers, des Hellen. Daneben gäbe es aber auch immer ein Weißbier, und zur Zeit auch als Saisonbier einen Maibock.
Na, wunderbar, das lässt sich gut an.
Die Brotzeitplatte schmeckt hervorragend, lediglich das simple Graubrot ist ein wenig einfallslos – etwas mehr als nur ein ganz normales Mischbrot hätte es gerne sein dürfen. Das Wald Bräu Hell dazu ist frisch, leicht herb, sehr solide und ordentlich. Und vor allem: Keine Spur einer Kreuzinfektion mit den Käsebakterien.
Die zweite Sorte, das Hefeweißbier. Eigentlich ja nicht so meins, ich mag den Stil nicht, aber dieses hier schmeckt. Feine Bananennoten, vollmundig, fruchtaromatisch und fast schon ein wenig sämig.
Und schließlich die dritte Sorte, das Saisonbier: Walder Maibock! Ich mache große Augen. Pechschwarz mit einem leicht beigefarbenen, kremigen Schaum steht das Bier vor mir. Ein kräftiger Schluck. Malzig, voll, ein bisschen nach Röstmalz schmeckend, vielleicht sogar auch ein Hauch Färbemalz. Ein ganz exzellentes Bier, kräftig, nahrhaft, wärmend, sättigend. Aber ganz bestimmt kein Maibock! Ein Maibock ist hell und hopfig-herb!
Dieser Bock hier ist tiefschwarz und malzig. Damit gibt er einen ausgezeichneten Christ-, Oster-, Doppel-, Schwarz-, Fest- oder Wasweißich-Bock ab, und zwar einen richtig guten, aber eben keinen Maibock.
Aber was soll’s. Er schmeckt, und ich bin zufrieden, höre in mich hinein, wie der schwere Bock langsam zu wirken beginnt. Die Lider werden schwer, der Chronist schläfrig, die Stimmen der anderen Gäste verschwimmen. „He, penn‘ mir jetzt bloß nicht am helllichten Tage bei Tische ein!“, reißt mich die Stimme meines holden Eheweibes aus süßen Träumen. Ach, für einen Moment hatte alles gestimmt.
Auch der Kitsch.
Selbst der.
Der Berghof Babel wurde 2010 eröffnet. Von der Wurst und dem Speck über den Käse bis zum Bier kommt alles aus eigener Produktion. Die gewaltigen Torten, die es zur Kaffeezeit gibt, sind ebenfalls selbstgemacht. In einem großen Kupferkessel wird über offenem Feuer das Kesselfleisch warmgehalten oder ein Raclette angerichtet. Im angegliederten Hotel kann man nicht nur übernachten, sondern es sich auch im Sauna- und Wellness-Bereich gut gehen lassen. Die Kinder finden einen kleinen Spielplatz und viel Wiesen zum Toben vor, und wem das immer noch nicht reicht, der kann Reitausflüge buchen, sich massieren lassen, oder was auch immer.
Mir allerdings haben das gute, deftige Essen und das leckere Bier völlig genügt.
Die Gaststube mit der Brauerei ist von Dienstag bis Sonnabend von 11:30 bis 18:00 Uhr geöffnet, am Sonntag und Feiertag erst ab 14:00 Uhr und am Montag ist Ruhetag. Das oben erwähnte Kesselfleisch gibt’s donnerstags, schaugekäst wird freitags – beides jeweils ab 19:30 Uhr. Durch die Lage außerhalb des Orts ist es schwierig, mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen. Das Auto ist immer eine Option, Parkplätze gibt es genug, und die Harri Hurtigs dieser Welt können im Frühjahr natürlich wunderbar mit dem Fahrrad über die Wiesen des Voralpenlandes rollen und sich den nötigen Durst auf das Wald Bräu erstrampeln.
Berghof Babel
Nesselwanger Straße 44
87 616 Wald im Ostallgäu
Bayern
Deutschland
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