Kopenhagen hat eine bunte und lebhafte Bierszene. Es gibt einige kleine Bierbars, die mit großer Auswahl und spannenden Bieren aufwarten, es gibt einige kleine Brauereien, und vor allem: Es gibt keine echten Restriktionen. Naja, außer den exorbitant hohen Preisen, vielleicht. Aber es gibt kein Reinheitsgebot, keine aus alter Zeit herübergeretteten Vorurteile, keine Miesepeter, die jeden Wandel, jedes neue Experiment ablehnen. Das Resultat: Spannende, witzige, überraschende Biermomente gefühlt an jeder Ecke.
Fragt man die Einheimischen, wo denn jetzt die beste Bierbar sei, wo es sich denn am ehesten lohnen würde, hinzugehen, wenn man nur wenig Zeit hat, dann bekommt man – wenig überraschend – viele unterschiedliche Antworten. Die aber alle eines gemein haben: Egal, wie lang oder kurz die Liste von Adressen ist, die Fermentoren Beer Bar ist immer dabei, wird immer genannt. Und so ist es sicherlich nicht falsch, wenn ich behaupte, dass sie zu den besten Bars in Kopenhagen gehört. Auch wenn ich beileibe nicht ganz Kopenhagen kenne.
Bereits draußen an der Straße empfängt uns ein Klappschild mit der Aufschrift „Fermentoren Beer Bar åben“ (Fermentoren Beer Bar geöffnet). Ein paar Schritte über den Hof, und wir stehen vor einer etwas tiefer gelegten Terrasse. Eine Handvoll Bierbänke ist auch jetzt, zu recht später Stunde, mit fröhlichen jungen Leuten besetzt. Mit einem großen Hallo wird jeder neue Gast begrüßt, der die Treppenstufen herunterkommt. Wir winken freundlich zurück und gehen durch die kleine Tür in den Kellerraum.
Auf den ersten Blick eine dunkle, etwas spelunkige Atmosphäre. Spärliche Beleuchtung, eine kleine Theke in der Ecke, dahinter, im Dunklen kaum zu entziffern, die Tafel mit den Bieren; unter der Tafel eine schöne alte, leider nicht mehr benutzte Registrierkasse mit vielen Tasten und Verzierungen. Vorsichtig schiebe ich mich zwischen die Gäste, die dicht an dicht an der Bar stehen und möchte bestellen. Der freundliche junge Barmann fragt von sich aus, ob er irgendetwas besonderes empfehlen soll, aber ich habe meine Auswahl schon getroffen. Blitzschnell werden die beiden Biere gezapft, und behutsam balanciere ich sie in den hinteren Bereich der Bar, wo meine holde Ehefrau schon zwei freie Plätze erspäht und gesichert hat.
Ein grober Holztisch, eine dicke Planke nur. Die Stühle davor wacklig, das Polster schon eingerissen. Auf dem Tisch ein paar große Bierflaschen mit Tropfkerzen – wir fühlen uns vierzig Jahre in die Vergangenheit zurück versetzt. So sahen damals die Kneipen aus, in der wir unsere wilden Jahre der Pubertät verbracht haben. Nur, dass damals das Bierangebot bei weitem nicht so gut war. Eigentlich mussten wir oftmals sogar froh sein, überhaupt schon ein Bier zu bekommen, irgendeins, ohne dass jemand nach unseren Ausweisen gefragt und uns anschließend freundlich, aber unerbittlich rausgeschmissen hat.
Heute ist es ganz anders. Mit gutem Abstand sind wir die ältesten Gäste hier, nach dem Ausweis fragt keiner, und die Auswahl ist grandios.
Neugierig beäugt meine Frau, was ich mitgebracht habe: Bier Nummer 1 ist ein Baltic Porter, und zwar das Under the Radar aus der Brauerei Dry & Bitter. Kräftig malzig, mit einer deutlichen, aber nicht dominierenden Hopfenbittere. Ein Hauch von Röstigkeit nur, gerade so viel, dass man sie überhaupt wahrnehmen kann. 7,0% Alkohol, kräftig, aber für ein Baltic Porter eigentlich noch etwas zu schwach. Achteinhalb bis neun Prozent sollten es bei diesem Bierstil eigentlich schon sein. Aber gut, was zählt, ist der Geschmack, und der ist ausgezeichnet, stellt meine holde Ehefrau fest und lehnt sich zufrieden zurück.
Bier Nummer 2 hingegen ist enttäuschend. Fermentoren hat eine eigene Hausmarke, braut Biere nach eigenem Rezept. Zwar nicht in einer eigenen Brauerei, aber trotzdem speziell. Es ist ebenfalls Dry & Bitter, das die Biere herstellt, und so ist meine Erwartungshaltung schon recht anspruchsvoll, als ich den ersten großen Schluck des Kellerbier nehme. Aber die Enttäuschung folgt auf dem Fuße. Deutlich schweflig, so, als habe man die Gärtemperatur nicht nur etwas zu hoch gewählt, sondern die Gärung auch viel zu früh abgebrochen, so dass die eigentlich immer entstehenden Schwefelverbindungen nicht mehr während einer langen Lagerung abgebaut werden konnten. Untrinkbar ist das Bier zwar nicht, aber ein wahrer Genuss eben auch nicht, und so dauert es eine ganze Weile, bis ich das große Glas ausgetrunken habe.
Der Gemütlichkeit macht es zum Glück keinen Abbruch, und so genießen wir die entspannte Atmosphäre, die leise Rockmusik und das kuschelige Halbdunkel.
Die Biere in der Fermentoren Beer Bar rotieren rasch durch; es gibt Hardcore Fans, die quasi täglich kommen, nur um immer auf dem Laufenden zu bleiben, was hier angeboten wird. Es gibt immer ein paar Signature-Beers, also Biere aus der Dry & Bitter Brauerei unter dem Label Fermentoren, es gibt immer einige andere Biere aus dänischen Kleinbrauereien, und es gibt zahlreiche internationale Bierspezialitäten, zum Beispiel auch das Original Schlenkerla Rauchmärzen aus Bamberg vom Fass.
Zu Essen gibt es nur ein paar winzige Snacks; der Schwerpunkt liegt eindeutig auf Bier, kuscheliger Atmosphäre und gemütlichen Gesprächen. Trotz des Ausrutschers mit dem Kellerbier sehr schön!
Die Fermentoren Beer Bar ist montags bis mittwochs ab 15:00 Uhr, donnerstags bis sonntags ab 14:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Zu erreichen ist sie mit einem gemütlichen Spaziergang von etwas zehn Minuten vom Hauptbahnhof aus in westlicher Richtung.
Fermentoren Beer Bar
Halmtorvet 29C
1700 København
Dänemark
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