Libocký Pivovar Nad Šárkou
Praha
CZE

Die wilde Šarka war der böhmischen Mythologie zufolge eine weibliche Kriegerin, die im Jungfrauenkrieg, dem Maiden’s War, an der Seite von Vlasta gegen die von Ctirad geführten männlichen Krieger von Libušes Witwer Přemysl kämpfte. Sie ließ sich unweit von Prag von ihren Gefährtinnen an einen Baum fesseln; vor sich, aber außerhalb ihrer Reichweite, ein Horn und einen Topf voll Met. Als Ctirad und seine Mannen sie so vorfanden, gab sie vor, sich mit ihren Gefährtinnen überworfen zu haben und zur Strafe gefesselt und mit dem unerreichbaren Trank zurückgelassen worden zu sein. Ctirad glaubte ihr diese Geschichte, löste ihre Fesseln, und zum Dank teilte Šarka den köstlichen Met mit Ctirad und seinen Kämpfern. Was diese nicht wussten, war, dass der Met mit einem starken Schlafmittel versetzt worden war. Als wenig später alle Männer in tiefem Schlaf versunken waren, blies Šarka in das Horn, rief so ihre Kampfgenossinen, und gemeinsam schlachteten sie Ctirad und seine Mannen ab. Da Šarka aber heimlich in Ctirad verliebt gewesen war, stürzte sie sich anschließend von einem steilen Felsen in den Tod.

Oder so ähnlich.

Hm, und was hat das jetzt alles mit Bier zu tun?

Vordergründig gar nichts, aber bei einem genaueren Blick auf die Details vielleicht schon. Die Wilde Šarka, die Divoká Šarka, ist mittlerweile nämlich ein kleines, aber sehr schönes Naturschutzgebiet am Stadtrand von Prag; mittendrin befindet sich der steile Felsen, von dem sich Šarka seinerzeit in den Tod gestürzt haben soll. Am Rand des Naturschutzgebiets befindet sich die Endstation der Straßenbahnlinien 20 und 26, und direkt daneben eine Brauerei, die Libocký Pivovar Nad Šárkou, die Brauerei Libocky an der Šarka.

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ein schönes, altes Eckhaus

Und vor der stehe ich jetzt, bin gerade aus der Straßenbahn ausgestiegen und habe nun Hunger und Durst. Ich blicke auf ein hübsches Bürgerhaus, direkt an der Straßenecke, mit einem kleinen, jetzt, im Herbst, verwaisten Biergarten und einem Eingang direkt an der Ecke, neben dem eine Kreidetafel mit einer Bierliste lockt. Sechs verschiedene Biere aus eigener Herstellung? Wenn das mal nicht einladend klingt.

Mich empfängt eine schlichte, aber gemütliche Schankstube mit einem gemischten Publikum, jung und alt, männlich und weiblich, kleinere und größere Gruppen. Linker Hand noch ein zweiter Schankraum, an dessen Ende sich eine kleine Bühne befindet. Platz für Livemusik, der aber heute mit weiteren Tischen belegt ist. An der Theke sehe ich schon von weitem sechs Zapfhähne, passend zu den sechs draußen bereits beworbenen Bieren.

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der gemütliche Schankraum

Schnell suche ich mir einen Platz, und ohne lang zu überlegen oder zwischen den Biersorten abzuwägen, bestelle ich mir das … Ctirad.

Hätte ich mich nicht vorher über die Geschichte der Wilden Šarka schlau gemacht, hätte ich wohl gar nicht so genau gelesen und es als Citra bestellt, also als American Pale Ale, kräftig mit Citra gehopft. So aber weiß ich es besser!

Was ich bekomme, ist ein ganz ausgezeichnetes tschechisches Bitterbier, ein Hořké Pivo. Kernig und knackig gehopft, aber nicht nur auf Bittere gesetzt, sondern auch auf angenehme, leicht harzige und dezent fruchtige Aromen. Nicht zu stark, mit lediglich 12° Stammwürze im absoluten Alltagsbereich angesiedelt, nicht übermäßig gespundet, und herrlich süffig. Die Bittere ist kräftig und macht Durst auf mehr, aber doch nicht so stark, dass sie die Zunge und den Gaumen belegt und im Rachen kratzt. Sehr schön ausbalanciert, und somit ein Bier, mit dem ich den ganzen Abend verbringen könnte.

Als deftigen Snack dazu gibt es eine hausgemachte Sülze. Viel Fleisch, ein wenig eingelegtes Gemüse, etwas Aspik und eine dicke Schicht Schmalz obendrauf. Das Ganze unter Bergen von Zwiebeln vergraben, und dazu noch ein paar Scheiben Kümmelbrot. Deftig und lecker. Und preiswert.

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Ctirad – der Krieger unter den Bieren

Nach ein paar Bissen kommt der große Durst. Die Zwiebeln sind scharf, das Schmalz fettig – die Schlucke aus dem Bierglas werden größer. Rasch ist der Krug geleert. Ctirads Gegnerin, die Šarka, erscheint mir als elfgrädiges Bier nun nicht ganz passend, und so verlasse ich das Schlachtfeld der Vergangenheit und wähle stattdessen ein Bier aus der Neuzeit, das Amber Ale 15°. Obergärig, kräftig gehopft und kupferfarben. Statt in einem Krug wird es in einem eleganten Glas serviert. Estrige und fruchtige Aromen paaren sich mit einer spürbaren, aber nicht dominanten Grundbittere, und nach ein paar Schlucken merke ich auch ein wenig den Alkohol, spüre, wie sich meine Wangen leicht zu röten beginnen. Die wohlige Wärme in der Schankstube tut das Ihrige dazu, und ich genieße einen Augenblick der tiefen Entspannung.

Viel zu schnell verrinnt ein solch entspannender Abend in unprätentiöser, aber angenehmer Atmosphäre. Ich werfe durch das Glasfenster noch einen Blick auf das schmucklose Edelstahl-Sudwerk. Ein reines Arbeitsgerät, nix für’s Auge, aber eines, auf dem offensichtlich hervorragende Biere entstehen. Nett ist die Dekoration dieses Schaufensters: Wie in einer Apotheke stehen hier kleine Gläser, eine Waage und ein Periodensystem, aber bei genauem Hinsehen stelle ich fest, dass dieses Periodensystem keine chemischen Elemente, sondern Bierstile darstellt. Ein netter, kleiner Gag am Rande.

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ein schlichtes Sudwerk, auf dem leckere Biere entstehen

Die Libocký Pivovar Nad Šárkou – in der warmen Jahreszeit bestimmt ein schönes Ausflugsziel, um nach einer langen Wanderung durch die Divoká Šarka hier einzukehren. Und rund um das Jahr eine prima Gelegenheit für den Fernreisenden, um Geld zu sparen. Die Brauerei liegt nämlich auf halbem Wege zwischen Innenstadt und Flughafen. Wer in Prag ankommt oder von hier wegfliegen möchte, sollte auf die überteuerten Flughafenrestaurants verzichten und stattdessen hier einkehren. Zwei Bier, eine kräftige Mahlzeit und gegebenenfalls das Taxi hin und zurück (oder der Bus) sind vermutlich immer noch billiger als die Einkehr im Flughafenrestaurant – origineller und leckerer ist es allemal!

Die Libocký Pivovar Nad Šárkou, als Restaurant 2011 eröffnet, die Brauerei kam 2013 dazu, ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Zu erreichen ist sie mit der Straßenbahn, Linien 20 und 26, Endstation Divoká Šarka. Vom Wendekreis der Straßenbahn geht es einmal diagonal über die Straßenkreuzung, und schon ist man da.

Bilder

Libocký Pivovar Nad Šárkou
Evropská 134/209
161 00 Praha
Tschechien

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