Eine Nacht nur hatte ich in Metz verbracht und verlasse die Stadt am Morgen. Langsam rolle ich aus der Innenstadt heraus – es hat gefroren, und stellenweise sind die Straßen noch glatt. Da sehe ich aus dem Augenwinkel rechts einen sehr stilisierten, überdimensionalen Totenkopf an einem Schaufenster kleben und muss sofort, auch wenn keinerlei graphische Ähnlichkeit gegeben ist, an St. Pauli denken. Ach ja, nach Hamburg müsste ich auch mal wieder – es wird Zeit.
Viel spannender als der Totenkopf ist allerdings der Schriftzug darunter: Microbrasserie!
Der typische Reflex, in Frankreich oder Belgien hinter jeder Brasserie auch gleich eine richtige Brauerei zu vermuten, hat sich über die Jahre abgenutzt – hier heißt jedes Bierlokal, jede Bar, jedes Restaurant, in dem Bier angeboten wird, gleich Brasserie. Aber in der Kombination mit dem Präfix Micro ist das etwas anderes – Microbrasserie, das klingt in der Tat nach Mikrobrauerei! Microbrasserie Bon Poison!
Ich stelle mein Auto auf dem Parkplatz eines Supermarkts ab und gehe ein paar Schritte zurück, äuge durch das simple Schaufenster und blicke in einen kleinen Verkaufsraum. Schlicht und simpel, einfach nur ein Holztresen, ein Logo dahinter, und seitlich an der Wand ein kleines Regal, nein, eine einfache, an die Wand gedübelte Europalette nur, mit exakt 14 Bierflaschen. Sonst nichts. Alle scheint leer und verlassen zu sein.
Vorsichtig ziehe ich an der Tür – es ist geöffnet. Ich betrete den kleinen Raum, und da kommt auch schon ein junger Mann von hinten. Ob ich Bier kaufen wolle, fragt er mich freundlich.
„Nun, es sieht so aus, als sei dies das einzige, was man hier kaufen könne“, lache ich zurück, „Wein oder Cola sehe ich hier jedenfalls nicht!“
Rasch kommen wir ins Gespräch, und in der Tat – es handelt sich um eine kleine Brauerei, und der kleine Raum, in dem wir gerade stehen, ist lediglich der Vorraum zur eigentlichen Produktionsstätte. Wie so oft bitte ich darum, von jeder der hier angebotenen Sorten eine Flasche kaufen zu können, und während ich eine entsprechende Wundertüte zusammengestellt bekomme, erfahre ich einiges über die kleine Brauerei und ihre Geschichte.
Früher habe Metz viele Brauereien gehabt – richtig große und erfolgreiche zum Teil, höre ich, aber seit die letzte, die Brasserie Amos, von der deutschen Brauerei Karlsberg übernommen und 1992 geschlossen worden sei, wäre Metz nur noch eine Bierwüste gwesen. Erst vor zwei Jahren habe sich das wieder geändert, da sei nämlich die Microbrasserie Bon Poison gegründet worden. Ganz winzig sei sie nur, aber das Geschäft liefe schon gut.
Vorsichtig luge ich um die Ecke durch die offene Hintertür. Wenn ich schon so viel über die Brauerei erfahre, ob ich dann nicht wenigstens auch einen kleinen Blick ins Sudhaus werfen dürfe?
„Hm, also eigentlich ja nicht“, zögert mein Gegenüber, „aber komm. Schau einfach mal rein.“ Sekunden später stehen wir vor dem Sudwerk.
„Aus Schottland stammt es, und wir sind recht zufrieden damit. Die Lagertanks sind zwar nicht gekühlt, und der Raum ist nur ein bisschen klimatisiert, so dass wir nur obergärig brauen können, aber das empfinden wir nicht als große Einschränkung“, erzählt er.
„Und wieviele Hektoliter produziert Ihr pro Sud?“, will ich wissen und schaue in einen der offenen Bottiche hinein, blicke auf die blitzblank geputzte Stahloberfläche.
„Rund fünf“, lautet die Antwort, „aber wenn wir vorsichtig sind und alles randvoll machen, geht auch deutlich mehr.“ Der junge Mann lacht. „Dann müssen wir aber echt aufpassen, dass nicht alles überläuft und wir hier eine Riesensauerei veranstalten!“
Ich drehe mich einmal um. Groß ist der Raum nicht. Die Brauerei und eine Handvoll Tanks passen gut hinein, das war es dann aber auch. Platz für Zuwachs ist nicht, aber ich habe derzeit auch noch nicht den Eindruck, als habe man vor, groß zu expandieren. Erstmal Fuß fassen auf dem Markt – zwei Jahre sind noch keine lange Zeit.
Wir sind wieder zurück im Verkaufsraum, und vorsichtig verstaue ich meine Beute im Rucksack. Bon Poison steht im Logo und ebenso ganz groß und deutlich auf den Etiketten. „Warum gerade Bon Posion – gutes Gift?“, will ich noch wissen, und höre die kurze Geschichte, die ich später auch auf verschiedenen Websites über diese kleine Brauerei finden werde: Als Quentin Decornet, der Brauer und Eigner, mit einem Karton guten Qualitätsbiers über die Straße ging, wurde er von ein paar Pennern mit Billigbier in der Hand angesprochen, ob sie ihre Dosen nicht gegen sein „gutes Gift“ eintauschen könnten – der Name der Brauerei war geboren.
Über Crowd Funding soll die Microbrasserie Bon Poison in kleinen Schritten weiter wachsen, hie und da etwas bessere Technik eingesetzt, die Arbeitsabläufe ein wenig gestrafft werden. Aber im Herzen soll es ein rein handwerklicher Betrieb bleiben, soll es beim Präfix Micro bleiben. Ein kleiner Nachbarschaftsbetrieb – in Metz, von Metzern, für Metzer. Gutes Gift für die Nachbarn.
Die Microbrasserie Bon Poison ist donnerstags und freitags von 16:30 bis 18:45 Uhr geöffnet, und sonnabends von 10:30 bis 12:30 Uhr sowie von 15:00 bis 18:45 Uhr. Vom Bahnhof Metz aus sind es etwa 15 Minuten zu Fuß in südwestlicher Richtung; kommt man stattdessen mit dem Auto, so kann man wenige Meter neben der kleinen Brauerei beim Auchan-Supermarkt auf dem Parkplatz parken.
Microbrasserie Bon Poison
13a Rue du 20e Corps Américain
57000 Metz
Frankreich
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