Seit vielen, vielen Jahren einmal wieder in Budapest. Seinerzeit war es eine Bier-Ödnis, überall nur überspundete, helle Lagerbiere, die nach fast nichts schmeckten. Preiswert zwar, geradezu billig, aber geschmacklich keine Offenbarung. Die einzige Ausnahme machte seinerzeit das Gerbeaud, ein feines Café und Restaurant, das im Keller ein eigenes Sudwerk stehen hatte, auf dem zwar keine originellen, aber wenigstens vor Ort produzierte Biere entstanden. Zumindest bis ungefähr 2009, als der Betrieb der kleinen Brauerei wegen Unwirtschaftlichkeit eingestellt wurde.
Jetzt, acht Jahre später, soll es in Budapest ganz anders aussehen, und so treibt uns die Neugier rasch aus dem Hotel. Ein kleiner Bummel über den Weihnachtsmarkt am Stephansdom zur Einstimmung, und anschließend bringt uns die Straßenbahn in wenigen Minuten zum Blaha Lujza Tér, von wo aus es nur noch wenige Schritte bis zum Rizmajer Sörház sind, der ersten Station unserer Bierreise.
Die Rizmajer Sörfőzde ist eine Brauerei vor den Toren der Stadt; hier, in der József Körút, hat sie lediglich einen Ausschank – aber einen, der angeblich gut besucht ist und in netter Atmosphäre die Rizmajer Biere anbietet.
Das Sörház, das Bierhaus, ist rasch gefunden – der grün leuchtende Schriftzug weist uns den Weg. Wir betreten die Bar und laufen direkt auf die Theke zu. Rechts von uns steht ein großer Kühlschrank, in großen PET-Flaschen kann man das Rizmajer-Bier frisch abgefüllt und gekühlt mitnehmen.
Die Theke selbst ist dominiert von einem dicken Stahlrohr, an dem insgesamt vierzehn Zapfhähne in zwei Gruppen zu je sieben Stück angebracht sind; dahinter stehen ein paar junge Leute, die sich gut mit sich selbst beschäftigen, ansonsten aber auf Gäste warten.
Wir gehen an der Theke vorbei und schauen durch den Schankraum. Kleinere Nischen, einzelne Tische, aber alle Plätze sind belegt. Eine kleine Wendeltreppe führt uns nach oben, zunächst in einen grün erleuchteten Vorraum mit ein paar Stehtischen und einer Sitzgruppe in der Ecke. Auch hier alles belegt. Und schließlich kommen wir noch in einen gleißend hell erleuchteten Raum mit schlichten Bierbänken, und hier scheinen noch zahlreiche Plätze frei zu sein.
Doch der Eindruck täuscht – überall, wo noch niemand sitzt, stehen Reservierungsschildchen. Nun denn, es ist Sonnabend, was haben wir erwartet? Zum Glück ist es noch früh, und die meisten Reservierungen lauten auf den späteren Abend, so dass wir uns vorübergehend an einen dieser Tische setzen können. Ein Bier im Stehen an der Theke wäre leider keine Alternative gewesen, denn im Rizmajer Sörház herrscht Selbstbedienung, der Platz an der Theke muss also für die Abholung des Biers freibleiben, wie uns deutlich gemacht wurde.
Auf unseren Plätzen im Obergeschoss will angesichts der grellen Beleuchtung keine rechte Gemütlichkeit aufkommen. Auch das Publikum an den Tischen, die jetzt schon besetzt sind, wirkt mit Ausnahme einer kleineren Gruppe nicht wirklich einladend. Meine holde Ehefrau bringt es mit einem Seufzer auf den Punkt: „Das sind alles Möchtegerns hier!“ Soll heißen, Gäste, die nicht hierher kommen, weil sie es schön und gemütlich finden, sondern weil „man“ hierhergeht, das Rizmajer Sörház momentan angesagt ist.
Die großen Tafeln an der Wand, überdimensionalen Bieretiketten gleich, bewerben das bei Rizmajer gebraute Angebot, und wir entschließen uns natürlich dazu, die fast schon sterile Atmosphäre zu ignorieren und ein paar Biere zu probieren. Ich gehe nach unten an die Theke. Es dauert einen Moment, bis sich eine junge Dame dazu bequemt, das Gespräch mit ihren Kollegen zu unterbrechen und sich die Mühe zu machen, zu fragen, was ich denn möchte. Ich bestelle ein Ingwerbier (Gyömbérsör) und ein Popcorn Double Corn India Pale Ale, ein IPA, das mit Mais gebraut wird. „Aber kleine, bitte sehr“, füge ich noch hinzu. Die Barfrau blickt durch mich hindurch, zapft zwei große Gläser und knallt sie recht lustlos auf den Tresen. „Kleine wollte ich, habe ich gesagt“, protestiere ich, aber sie zuckt mit den Achseln und verzieht keine Miene.
Resigniert lege ich ihr das Geld abgezählt auf den Tresen, schnappe mir die beiden Gläser und gehe wieder nach oben. Gemütlichkeit? Gastfreundlichkeit? Fehlanzeige.
Wir verkosten die Biere. Beide sind viel zu kalt, gerade einmal knapp über 0° gezapft – ein Wunder, dass sich auf dem Zapfhahn keine Eisschicht gebildet hat. Wie man da etwas schmecken soll? Oder gilt es, durch die Eiseskälte Geschmacksfehler zu maskieren?
Wir nehmen einen vorsichtigen, ersten Schluck. Das 5,5%ige Ingwerbier enttäuscht mich auf Anhieb. Eine kräftige, kratzige kartonartige Note, die die Zunge pelzig werden lässt und kräftig adstringierend wirkt. Als hätte man den Ingwer mitsamt Schale hinzugegeben und alles kräftig mitgekocht. Mein Fall ist es ganz gewiss nicht. Meiner holden Ehefrau schmeckt der erste Schluck zunächst noch gut, die fruchtigen Ingweraromen noch in der Nase nimmt sie einen großen Zug. Aber nach dem zweiten missfällt auch ihr der raue, kratzige Charakter.
„Und dein Popcorn-Bier?“, fragt sie. Nun, es erweist sich als ein wenig besser. Man merkt die kräftige Hopfung und den Versuch, dem Bier einen fruchtigen Charakter zu verleihen. Doch zunächst kommen die Fruchtaromen wegen der Kälte nicht zur Geltung, später, als sich das Bier langsam aufwärmt, machen sich daneben leider störende gemüseartige Aromen breit, die mit dem fruchtigen Charakter des Biers nicht so recht harmonieren.
Wir schauen uns entgeistert an. Soll das der Auftakt zur vielversprechenden Budapester Bierszene sein? Wir sind enttäuscht. Kein Funke ist hier übergesprungen, weder Atmosphäre noch Bier sagen uns hier zu. Nein, das ist nicht das, was wir uns erhofft haben. Zum ersten Mal seit langer Zeit lassen wir unsere halbausgetrunkenen Gläser stehen und gehen. Blicken uns noch einmal um, in der Hoffnung, noch einen schönen, positiven Eindruck einzufangen, der das Bild ein bisschen geraderücken wird. Aber nein. Nichts.
Nachdem nicht einmal unser Abschiedsgruß von den Damen und Herren an der Bar erwidert wird, ist uns klar: Das war nix! Kein schöner Auftakt!
Das Rizmajer Sörház ist täglich ab 12:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Zu erreichen ist es bequem mit der Straßenbahn, die Linien 4 und 6 halten nur wenige Schritte entfernt an der Station Blaha Lujza Tér.
Rizmajer Sörház – Blaha
József körút 14.
1085 Budapest
Ungarn
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