Was will dieses Magazin eigentlich? Seit 2007 erscheint bier.pur in Österreich drei Mal im Jahr, seit 2009 auch mit einer Themenausgabe Deutschland zwei Mal jährlich. Und seit acht Jahren eiert es herum, sitzt zwischen allen Stühlen, begeistert manchmal mit einzelnen Artikeln, enttäuscht dann wieder mit der Verherrlichung von Großbrauereiprodukten, ruft eine neue Revolution aus, einen Umsturz, eine bahnbrechende Umwälzung, eine umwerfende Innovation, und schweigt sich schon in der nächsten Ausgabe über dieses Thema wieder aus, verfolgt es nicht weiter, sondern trägt es klammheimlich zu Grabe.
Unlängst hat es einen Wechsel des Chefredakteurs gegeben, auch der Name wurde von Genuss bier.pur auf bier.pur geändert. Der dümmliche Untertitel, der das ganze Elend der Orientierungslosigkeit, des jedem Fähnchen in der Bierszene Nachlaufens, der Oberflächlichkeit und des Fehlens einer klaren Linie von Anfang an begleitet hat, also eigentlich doch gar nicht so dümmlich, sondern schrecklich treffend formuliert ist, ist geblieben: Menschen – Biere – Attraktionen. Pennäler-Humor.
Lohnt es sich, es zu lesen? Ich weiß nicht recht. Durchzublättern, das lohnt sich. Den einen oder anderen Artikel zu lesen, vieles einfach rasch zu verdrängen, das ist in Ordnung. Unlängst ist es geringfügig besser geworden. Aber aktuell 5,90 EUR für eine Ausgabe mit fünfzig Seiten, einige davon Reklame, viele andere wie Reklame sich lesend? Heftig. Dafür möchte ich bessere Qualität. Gutes Papier, sehr ordentlicher Druck, das geht in Ordnung. Aber eine Schlussredaktion des fertigen Heftes findet kaum statt. Oder nur unter Zeitdruck. Oberflächlich. Druck- und Setzfehler, verhunzte Internet-Links, und das für diesen Preis?
Ach, ich darf aber nicht meckern. Von Beginn an bekomme ich über einen Verein das Magazin gratis, und für diesen Preis ist es dann doch schon wieder akzeptabel. Und die eine oder andere Aktion, der eine oder andere Artikel sind ja auch in Ordnung, sogar gut gelungen.
Seit einigen Jahren wird regelmäßig in der zweiten Jahreshälfte eine bier-pur-Sonderedition eingebraut, ein Bier, das unter der Marke bier.pur vertrieben wird und nur in recht kleiner Auflage erhältlich ist. Gut gebraut, mit viel Liebe und Sorgfalt seitens des Brauers. Leckere Biere waren in den vielen Jahren dabei, die Ausgabe 2014 war beispielsweise ein Weißbier-Doppelbock der Brauerei Ried in Oberösterreich. Ein hervorragendes Bier, ohne Zweifel. Ob knapp siebzehn Euro aber für eine 0,75-l-Flasche gerechtfertigt sind? Ich bin mir nicht sicher. Gerade in Bayern, gerade einmal auf der anderen Seite der Grenze, gibt es hervorragende Weizenböcke, 0,5 l für rund einen Euro. Das ist ein weniger als ein Zehntel des Preises. Und geschmacklich nicht schlechter. Rechtfertigt die Knappheit des Produktes den Preis? Vor sechs, sieben Jahren vielleicht noch, als mit der bier.pur-Edition etwas Besonderes auf dem Markt erschienen ist. Mittlerweiler aber, im Zuge der Craft-Bier-Welle, gibt es so viele Sondereditionen von so vielen Brauereien, dass die geringe Menge eines Bieres kein Kriterium mehr ist, da müsste mehr geboten werden. Holzfassreifung, die würde einen solchen Preis rechtfertigen, oder die Verwendung eines Spezialhopfens, der noch in der Testphase und nicht kommerziell erhältlich ist, vielleicht auch eine jahrelange Lagerung oder, wie beim Eisbock, ein aufwändiger Produktionsprozess.
Aber zurück zur Zeitschrift. In atemraubendem Frontenwechsel werden kommerzielle Biere mit leeren Phrasen beworben, und nach nur einmaligem Umblättern genau dieses Marketing-Sprech mit Vehemenz und Verve niedergemacht. Beispiel gefällig?
Ausgabe 01/2015, Seite 6: „mildes fruchtiges Aroma mit echtem Biergeschmack (…) feine Malz- und Hopfennoten (…) mit markanten Geschmackseindrücken“ Geht es noch nichtssagender? Möchte ich das in einer Fachzeitschrift über Bier lesen? Nein, gewiss nicht. Und ich bin mir darin einig mit dem Autor des auf der (übernächsten) Seite 8 der gleichen Ausgabe folgenden Artikels, dem unter seinem schon von Anbeginn verkrampft lustig wirken sollenden Pseudonym schreibenden Beerlock Shaums, der von „sprachlichem Banalverkehr“ spricht, „ohne differenziert qualitativem Nährwert“, von Elaboraten, die „wertvollen Platz rauben für wahrhaft wertvolle Informationen“, und der sich – zu Recht! – lustig macht über „erlesene Spezialitäten“, „ausgewählte Zutaten“ und „hochwertige Rohstoffe“. Leere Floskeln, hohle Phrasen, sehr schön persifliert, aber bereits an den Augen und Ohren der eigenen Redaktion vorbei formuliert.
Ach, es ist ein Elend. Seine Appelle verhallen, ungelesen, ungehört. Auf Seite 25 des Heftes ein ganzseitiger Bericht über „Desperados. Einzigartigkeit, Spaß und intensives Lebensgefühl…“, über ein Getränk, das sich „richtet an trendbewusste Zielgruppen, die gerne Neues ausprobieren, Abwechslung mögen – und sich gerne unverwechselbar geben.“ Da bin ich aber gespannt, wie das funktioniert, sich mit einem Massenprodukt unverwechselbar zu geben. Individualisten fahren VW Golf oder Opel Astra, oder wie? Und: Nein, diese Seite ist nicht als Reklame gekennzeichnet. Das hätte vielleicht noch als Entschuldigung herhalten können, für Geld machen wir schließlich alles, bewerben auch ein Massenprodukt.
Also, kurz und schmerzlos. Wir machen dem Ganzen ein Ende. Gelesen wird das Magazin zwar noch, wenigstens in Teilen, aber archiviert? Nein, nicht mehr. Dafür ist der Platz im Regal zu schade. Hopp, mit viel Schwung, denn das Kunstdruckpapier ist ziemlich schwer, in die grüne Altpapiertonne!
Vielleicht wird das Magazin ja in naher Zukunft besser, man arbeitet an einem neuen Konzept. Ab sofort erscheint das Magazin sechsmal im Jahr, „schneller getaktet“. Man plant „Mehr Aufmerksamkeit. Mehr Reichweite. Mehr über Bier.“ Ich hoffe: „Mehr Sorgfalt im Detail. Tiefergehende Informationen. Gründliche Recherche.“ Und ich befürchte: „Mehr Marktschreierei. Größere Überschriften. Schrillere Farben. Dünnerer Inhalt.“
Wir werden sehen.
Vielleicht gibt es ja doch häufiger sachliche, kritische Artikel, so wie seinerzeit in der Ausgabe 03/2008, als sich ein anderes Pseudonym, Mr. Hophead, über Gasthausbrauereien ausließ, die sich angesichts ihrer Einfallslosigkeit und ihres oftmals auch schlecht gebrauten, bei weitem nicht braufehlerfreien Biers nicht als Bereicherung, sondern eher als Belastung der Brauszene etablieren. Provokativ, aber gut. Lesens- und bewahrenswert, und heute noch gültig. Na, den Artikel werde ich mir dann doch noch aufheben, ihn nicht entsorgen, zu schön sind die Formulierungen von „durch Bakterien bedingten Trübungen“, die „mit naturtrüb nichts zu tun“ haben, von der „Andersartigkeit des Bieres“, die „nicht von mangelnder Sauberkeit aufgrund von ungenügender Reinigung von Anlagen und Tanks herrühren“ darf. Ein Lichtblick!
Einer von leider nicht so wirklich vielen.
Genuss bier.pur / bier.pur
Menschen, Biere, Attraktionen
Österreichischer Agrarverlag Druck- und Verlagsges. m. b. H. Nfg. KG
Wien, 2007 – 2015
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