Die Kreativbierszene ist bunt. Die unterschiedlichsten Typen trifft man dort, die spannendsten Biere und letztendlich auch die verschiedensten Geschäftsmodelle. Eigentlich ist jeder Versuch zum Scheitern verurteilt, die Szene kategorisieren zu wollen. Selbst das Hipster-Stereotyp des unabhängigen Brauers im karierten Hemd, mit vielen Tattoos, einem langen Rauschebart und einer Batschkapp trifft nicht immer zu.
Manche Brauer versuchen sich als Gipsy-Brewer oder Wanderbrauer. Sie haben keine eigene Brauerei, sondern sie mieten sich vorübergehend oder dauerhaft in einer Brauerei ein und produzieren dort ihre Biere. Wieder andere waren Hobbybrauer und arbeiten sich langsam zu richtigen Brauern hoch. Aus dem Hobby wird eine kommerzielle Tätigkeit; Bottiche, Kessel und Pfannen werden selber gebastelt oder gebraucht erworben, und mit viel Glück und noch mehr Arbeit und Schweiß entsteht irgendwann eine richtige Brauerei. Die dritte Kategorie, das sind die etablierten, alteingesessenen Brauer, die hundert Jahre lang dasselbe gemacht und die gleichen Biere produziert haben, bis sie irgendwann auf die Idee gekommen sind, an der Entwicklung teilhaben zu wollen, und zu experimentieren beginnen. Schließlich die vierte Gruppe: Von irgendwoher ist eine Menge Geld da, und eine niegel-nagel-neue Brauerei wird aus dem Boden gestampft. Bestes Equipment, hoher Aufwand.
Zur dieser vierten Gruppe gehört offensichtlich die Brauerei FIRST The Craft Beer Co. in Budapest. Ein gutes Stück nördlich der Innenstadt in einem Gewerbegebiet gelegen, treffe ich hier hinter schlichten und schmucklosen Mauern auf feinstes Edelstahlgerät, großzügiges Layout und edles Design.
Über eine halbe Stunde hat der Bus gebraucht, um mich hierher zu bringen, und ich bin mir nicht ganz sicher, was ich erwarten soll. In der zur Brauerei gehörenden Bar in der Innenstadt, der FIRST Craft Beer & BBQ, hat man mir erzählt, der Tap Room an der Brauerei sei cool, allerdings mit recht beschränkten Öffnungszeiten, und ich hätte Glück, dass gerade heute geöffnet sei.
Nun denn. Ich laufe quer durch den großen Innenhof, der in weiten Teilen noch eine Baustelle ist. Die Brauerei selbst ist im Sommer letzten Jahres eröffnet worden, die Infrastruktur rundherum wächst jetzt erst langsam auf. Vor dem Taproom stehen ein paar Holzfässer als Stehtische, eine junge Dame mit leuchtend rot gefärbten Haaren steht dort, raucht und ruft mir etwas zu. Ich lächle sie an, verstehe kein Wort und betrete den Taproom. Leer. Völlig leer. Kein einziger Gast, außer der Raucherin vor der Tür.
Die rothaarige Dame flitzt hinter mir her und erklärt mir nun auf Englisch, dass sie nur eben schnell zu Ende rauchen wolle, dann aber für mich da sei. Aha. Kein Gast, sondern die Barfrau. Der Groschen fällt.
Während sie hastig die letzten Züge nimmt, kann ich ja schon mal die Bierliste studieren. Dreizehn verschiedene, hier vor Ort gebraute Biere, umfasst sie – vom einfachen, aber leckeren Pils, das ich eben schon in der Innenstadt getrunken habe, bis zum Chocolate Vanilla Imperial Stout ist das ganze Spektrum abgedeckt.
„Das Belgian Wit hätte ich wohl gern“, sage ich zu der Rothaarigen und ernte einen gequälten, aber freundlichen Blick. „Du hast genau das einzige Bier ausgesucht, was gerade aus ist“, lächelt sie. „Alle anderen habe ich da!“
Volltreffer. Na gut, ich schaue erneut in die Liste, entscheide mich für das American Pale Ale, und während die Barfrau das Bier zapft, schaue ich mich ein wenig im Taproom um. Schöne rohe Ziegelwände verleihen dem Raum ein rustikal-gemütliches Flair. Einfache und robuste Möbel aus Holz und Metall, dazu ein leuchtend roter Schriftzug „Brewery“. Durch große Sichtfenster kann man ins Sudhaus sehen. Ein hochwertiges Sudwerk aus poliertem Edelstahl, leicht rot illuminiert. Definitiv nicht billig. Ein Raum weiter, durch das nächste Fenster einsehbar, die zylindrokonischen Gärtanks, die ZKG. Ebenfalls feinster Edelstahl, ebenfalls auf Hochglanz poliert. Und schließlich der Blick durch das dritte Fenster, direkt neben der Theke: Dort sehe ich die Abfüllanlage. Mein lieber Mann, hier ist viel Geld bereitgestellt worden.
Ich setze mich an die Theke und probiere mein American Pale Ale. Frische und fruchtig süße Maracuja- und Ananas-Aromen umschmeicheln meine Nase, der Antrunk ist angenehm spritzig, aber nicht überspundet, und im Mund machen sich ebenfalls schöne Aromen von Tropenfrüchten breit. Im Schluck kommt eine kräftige, aber nicht dominante Bittere zum Vorschein, die aber rasch wieder verschwindet. Ein sehr schönes Bier.
Die Brüder Kurucz stehen hinter dieser Brauerei, erfahre ich im Internet, als ich ein wenig auf meinem schlauen Telefon herumtippe. Seit 2010 interessieren sie sich für Kreativbiere und nach sieben Jahren Aktivität rund um Bierfestivals haben sie im Sommer 2017 die Brauerei FIRST The Craft Beer Co. gegründet, mit einem dicken Paukenschlag.
Nach dem American Pale Ale probiere ich nun auch noch den nur geringfügig stärkeren „großen Bruder“, das India Pale Ale, mit 5,6% Alkohol. Hier sind die Fruchtnoten etwas dezenter, stattdessen dominieren harzigere Aromen. Dazu ein kräftiger Malzkörper und insgesamt eine etwas weichere, viskosere Textur. Aber ebenfalls mit einer Bittere, die nicht dominiert, sondern kräftig und blitzsauber kurz aufscheint und dann angemessen rasch wieder verschwindet.
Das Pils und das Mosaic Pils vorhin im FIRST Craft Beer & BBQ in der Innenstadt, das Pale Ale und das India Pale Ale jetzt hier im Taproom der Brauerei – vier ausgezeichnete Biere hintereinander. Vier von zwölf. Für heute lasse ich es aber gut sein, der Tag ist noch lang, und ich habe noch ein paar andere Stationen geplant. Fest steht aber: Die Brauerei FIRST The Craft Beer Co. präsentiert sich vom Feinsten. Ein ganz außerordentlich guter Eindruck. Wenn auch heute, am frühen Sonnabendnachmittag, die Tatsache, der einzige Gast zu sein, etwas befremdlich wirkt. Aber gerade als ich mich zum Gehen schicke, kommt eine Gruppe über den Hof gelaufen, und vermutlich wird sich der Schankraum heute Abend auch ordentlich füllen.
Ein Blick zurück, auf Schneereste, Kies und Holzfässer: Im Sommer ist es hier bestimmt auch draußen ganz nett. Und bis dahin werden wohl auch die Bauarbeiten abgeschlossen sein, so dass die ganze Atmosphäre deutlich gemütlicher sein wird.
Der Taproom der Brauerei FIRST The Craft Beer Co. ist donnerstags von 16:00 bis 22:00 Uhr und freitags und sonnabends von 14:00 bis 23:45 Uhr geöffnet. Zu erreichen sind Taproom und Brauerei mit dem Linienbus, der von der Innenstadt aus etwa 20 bis 30 Minuten braucht, je nach Verbindung. Die Haltestelle Béla Utca ist direkt vor dem Zugang zum Hof.
FIRST The Craft Beer Co.
Váci Utca 83.
1044 Budapest
Ungarn
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