WUK – das Werkstätten- und Kulturhaus. Über 150 Jahre ist es her, dass dieser Gebäudekomplex 1855 errichtet wurde, und zwar als Lokomotiv-Fabrik, in der neben gewaltigen Dampflokomotiven später auch Spezialmaschinen gebaut und konstruiert wurden. Schon dreißig Jahre später musste der Betrieb aber geschlossen werden, und in den Ziegelgebäuden fand nun für fast hundert Jahre das Technische Gewerbemuseum TGM seine Heimstatt. Hinter der Bezeichnung TGM verbarg sich aber nicht nur eine Schausammlung für Technik, sondern auch eine daran angeschlossene technische Fachschule mit ihren Forschungs- und Versuchsanstalten.
1979 wurde das TGM umgesiedelt, und die Gebäude standen fortan leer. Eine Bürgerinitiative verhinderte den Abriss der unter Denkmalschutz stehenden Gebäude und ermöglichte eine bunte und alternative Nutzung als Werkstätten- und Kulturhaus. Kindergruppen, Schulen, Proberäume, Werkstätten, Ausstellungsräume, Veranstaltungshallen und Ateliers sind hier nun untergebracht – eine farbenfrohe, unabhängige und fröhliche Welt.
Mittendrin das Statt-Beisl | im WUK. Eine kleine Restauration, die neben preiswerter und liebevoll zubereiteter Küche auch eine – Du ahnst es schon… – reichhaltige Auswahl an kreativen Bieren bereithält.
Es ist Mittagszeit, der kleine Biergarten im Innenhof des Gebäudes ist noch verwaist, die Klappläden am Ausschank sind noch fest verschlossen. Langsam kommt die April-Sonne herum und wärmt schon kräftig; heute Nachmittag und Abend werden sich die Bänke hier mit Sicherheit rasch füllen.
Wir gehen stattdessen am kleinen und improvisierten Natur- und Biomarkt vorbei und gehen die schmale Treppe in den Innenbereich des Statt-Beisl | im WUK hinauf. Ein großer Saal mit einem kleineren Nebenraum erwartet uns. Die Wände sind bunt bemalt, das Mobiliar einfach, die Decke des Raums scheint unendlich hoch – es lässt sich nicht leugnen, dass diese Hallen einmal eine völlig andere Bestimmung hatten.
An der Wand eine Installation mit Leuchtstofflampen auf schwarzem Untergrund – elf verschiedene Fassbiere werden hier beworben. Ein paar klassische Trinkbiere für unkompliziertes Durstlöschen sind dabei, zum Beispiel das Schremser Pils oder das Zipfer Märzen. Wer es gerne unkompliziert mag, aber trotzdem lieber kleinere Biermarken und Brauereien unterstützt, findet mit dem Piestinger Schneebergbier oder dem Bernard Bohemian Lager aus Tschechien das Richtige, und für diejenigen, die kreative Auswahl schätzen, sind sechs der Zapfhähne mit eher exotischen Bierstilen aus kleineren und Kleinstbrauereien bestückt.
Die freundliche und unkomplizierte Kellnerin bringt uns die Speisekarte. Die Küche fange zwar gerade erst an, aber wir könnten schon bestellen, das ginge gleich ganz schnell, verkündet sie uns. Die Auswahl ist abwechslungsreich, vorwiegend sind es kleine, aber schmackhafte Gerichte, international gemischt, ein bisschen Fusion hier, ein bisschen bodenständiger Einfluss dort, viel Vegetarisches, zum Teil auch Veganes dabei. Tagesgerichte, ebenfalls gerne vegetarisch, gibt es in der Mittagszeit für wenig Geld.
Viel wichtiger ist aber die Bierauswahl. Haderte ich eben noch für einen Moment damit, dass ich jetzt zur Mittagszeit nur ein Bier werde trinken und mich nur schwer entscheiden können, so entdecke ich in der Karte das Angebot, vier kleine (0,15 l ) Gläschen auf einem Probierbrettchen bestellen zu können. Na prima, das brauche ich mir nicht zweimal sagen beziehungsweise schreiben zu lassen, und Augenblicke später steht das Brettchen auch schon vor mir.
Eine schöne und mit eingebranntem Schriftzug versehene Baumscheibe ist es, die die vier Gläser festhält, und während ich nebenbei meine mit Spinat und Käse gefüllten Teigstückchen esse, probiere ich mich durch die Biere.
Bier Nummer 1 stammt aus Kärnten, aus der Brauerei Loncium. Juicy NEIPA, ein New-England India Pale Ale. Gebraut mit Unmengen von hocharomatischem Hopfen, und somit ein Bierstil, der eigentlich nur knallfrisch wirklich schmeckt. Hat diese Sorte Bier die Brauerei erst einmal verlassen, altert sie schneller als jede andere. Hier und heute scheint sie aber richtig frisch zu sein. Die Fruchtaromen kräuseln sich über dem Schaum und tanzen Ringelreihen, kitzeln in der Nase und erinnern an meine Kindheit, in der fruchtiges Brausepulver, Gummibärchen und Kaugummis meine Aromenwelt dominierten. Der erste Schluck kombiniert diese spielerische Fruchtsüße mit einer kräftigen, aber ganz samtweichen Bittere. Die Balance ist gelungen: Ein sehr eingängiges Bier, das mit seinen 5,7% auch nicht zu kräftig ausfällt.
Bier Nummer 2 könnte verschiedener vom ersten nicht sein. Aus Estland stammt es, aus der Brauerei Põhjala. Eine Berliner Weisse mit Himbeeren – Prenzlauer Berg genannt. Die Himbeeraromen sind deutlich zu riechen, aber nicht fruchtig süß, sondern kräftig-säuerlich. Selbst jetzt noch, beim Schreiben lange Zeit später, spüre ich die fruchtige Säure in der Nase und auf der Zunge und merke, wie mir sie Spucke im Mund zusammenläuft. Der erste Schluck unterstreicht die Säure, fast schon ist sie ein bisschen zu stark. Weiche, kremige Milchsäure ist eines, gepaart mit kräftiger Fruchtsäure wird sie zu etwas anderem. Hier passt es noch, aber ich kenne auch viele Beispiele, wo die Säure durch diese Paarung zu dominierend geworden ist. Sehr schön: Das leuchtende Rosa dieses Biers. 4,5% Alkohol und die Säure machen es zu einem erfrischenden Durstlöscher an warmen Tagen – der Sommer kann kommen!
Waren es nun die fruchtigen Explosionen auf der Zunge oder die kräftige Säure? Oder ist das nächste Bier, die Nummer 3, das Galaxia aus dem Hause Thornbridge doch ein wenig enttäuschend? Normalerweise ist Thornbridge eine Bank, man kann sich darauf verlassen, dass die Biere aus diesem Haus exzellent sind. Aber was ich jetzt im Glas vorfinde, nämlich ein ausschließlich mit dem australischen Hopfen Galaxy gebrautes Pale Ale überzeugt mich nicht. Kräftige, ledrige Aromen, die mich an Brettanomyces-Hefen erinnern, harmonieren nicht wirklich mit den herbfruchtigen Aromen des Hopfens. Das Bier ist gar nicht schlecht, beileibe nicht, aber es bleibt doch hinter seinen Möglichkeiten zurück.
Und auch Bier Nummer 4 wartet mit dem gleichen Eindruck auf: Ledrige Aromen, ein bisschen Pferdestall. Ein Session IPA soll dieses Bier sein, das Zo aus dem Hause Bevog. Eigentlich sollte es fruchtig sein, zitronig, mit Noten von rotem Steinobst, und das Ganze bei trinkfreundlichen 4,3% Alkohol. Aber von leichtem Aromenspiel keine Spur; stattdessen eine eher feste, erdige Kernigkeit, die besser zu einem kalten Herbstabend gepasst hätte, als zu einem freundlich-sonnigen Frühlingstag.
Aber in der Summe ist es hier trotzdem schön. Die Getränkekarte kündigt hinter dem einen oder anderen Bierangebot schon den Nachfolger an – wenn ein Fass mit einer Bierspezialität alle ist, wird eine neue, eine andere interessante Kreation angezapft. Abwechslung ist also angesagt. Und für die Gäste, denen keines der angebotenen Fassbiere zusagt, steht noch ein großer Kühlschrank mit einem beeindruckenden Flaschensortiment mitten im Raum. Da dürfte dann wirklich für jeden auch noch so exotischen Geschmack etwas dabei sein.
Die freudige Überraschung kommt zum Schluss: Das Preisniveau ist fair. Immerhin sind wir hier in Wien und nicht in der mährischen Provinz – und da ist man als Gast ja immer auf das Schlimmste gefasst. Diese Sorge ist hier unbegründet. Preis und Qualität stehen in ordentlicher Relation; hier kann man auch als ewig klammer Student einmal hingehen.
Das Statt-Beisl | im WUK ist täglich ab 11:30 Uhr durchgehend bis in die Nacht geöffnet; sonnabends und sonntags erst ab 17:00 Uhr. Kein Ruhetag. Zu erreichen ist es mit der Straßenbahn, Linien 40, 41 und 42, Haltestelle Spitalgasse, gerade einmal zwei Minuten entfernt.
Statt-Beisl | im WUK
Währinger Straße 59
1090 Wien
Österreich
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