Gerade einmal drei Jahre alt, und doch schon eine Landmarke in der Londoner Brauereiszene – die London Fields Brewery. Im Szene-Stadtteil Hackney, in den Bögen unter der Eisenbahnlinie wurde im August 2011 der erste Sud eingebraut. Von zunächst zwei Suden pro Woche mit jeweils knapp 17 hl hat man sich hochgearbeitet bis auf eine Leistung von zehn wöchentlichen Suden zu jeweils 20 hl. Und das ist in der derzeitigen Konfiguration das Ende der Fahnenstange. Bereits nach drei Jahren also die Kapazitätsgrenze erreicht.
Ein verregneter Novembernachmittag, mit tief eingezogenem Kopf schleicht der Chronist an den Häuserwänden entlang und weicht den Pfützen, nassen Hunden und spritzenden Autos aus. Die Unterführung unter der Bahnlinie sieht wenig einladend aus, grauer Backstein, passend zum grauen Himmel. Aber direkt davor: Der Brewery-Tap, der Brauerei-Ausschank. Hell erleuchtet, grobes Holz, freundliche Gesichter – der Kontrast zu draußen könnte größer nicht sein.
Mehr als ein Dutzend Biere gibt es zur Auswahl, fast alles eigene Produkte, daneben noch zwei, drei Gastbiere. Die eigenen Biere wahlweise entweder vom Fass, also karbonisiert, oder aus dem Cask, mit der Handpumpe gezapft. Für mich ein klarer Fall: Handgepumpt heißt, weniger Kohlensäure, mehr Geschmack. Und bessere Trinkbarkeit. Die freundliche, junge Dame am Tresen bietet mir Tasting-Flights an, jeweils drei Mal ein Drittel Pint – so könne ich mich geduldig durch die Sorten probieren.
Während ich mich also durchteste, streift mein Blick durch den Schankraum. Ein großer Schrank mit Hausbrau-Zubehör – wer Malz, Hopfen, Hefe, Malzextrakt oder irgendwelche Gerätschaften braucht, kann sie hier direkt in der Brauerei kaufen. Ein paar Meter weiter eine Glaswand mit Blick in die Brauerei – der Raum ist rappelvoll, jeder Quadratzentimeter mit Gär- und Lagerbehältern ausgenutzt. Die Theke, aus grobem Holz, unten in die Bar als Blickfang zwei ausrangierte Braukessel installiert. Und schließlich der Blick durch die große Fensterfront auf den Londoner Regen. Hier kann man es schon aushalten.
Und die Biere? Durchweg gut. Das Shoreditch Triangle IPA knackig hopfig herb; das Three Weiss Monkeys ein kräftig gehopftes Weißbier, ein Cross-Over zwischen Weizen und IPA, interessant; das Black Path Porter röstig, schwarz; Hackney Hopster, ein fruchtiges Pacific Ale, ein echtes Session-Bier, von dem man ein Pint nach dem anderen trinken könnte.
Make Love Not War, ein eher malzbetontes, karamelliges und rötlich schimmerndes Ale, weich und rund; das Oktoberfest-Märzen, rötlich, malzig, für meinen persönlichen Geschmack etwas zu sättigend, lecker zwar, aber nach einem Glas lässt der Durst nach; das Harvest Ale, mit frischem, grünem Hopfen gebraut, direkt nach der Ernte, grasig-grüner Geschmack, heu-artig, sehr interessant und lecker.
Es folgen noch: Ein leichtes und sehr helles Craft Lager, unauffällig, aber gut trinkbar; das Pumpkin-Ale, mit intensivem Kürbisaroma und – zum Glück! – ohne aufdringliche Gewürznelken; das Broadway Blond, ein weiches, malziges Bier als Durstlöscher; und schließlich das Eastside Saison, ein robustes, sehr kerniges Bier im Stil eines französischen Landbiers, herbe, ledrige Noten, ein ausgeprägter Charakter.
„Die Brauerei würde ich gerne mal näher sehen“, schießt es mir durch den Kopf, als ich mir meine Notizen mache. Aber leider: Brauereiführungen nur später am Abend oder am Wochenende. Schade!
Als hätte er meine Gedanken gelesen, steht plötzlich der junge Headbrewer neben mir, fragt mich über die Biere aus. Nach einigen Sätzen stellt sich heraus: Er ist Deutscher. Noch ein paar Sätze weiter: „Komm‘, ich zeig Dir die Brauerei! Hab‘ aber nur wenig Zeit!“
Also im Eilmarsch durch die Brauerei. „Hier die Mash Tuns, dort die Coppers, hier gärt noch ein Bier, ist aber fast durch, wird jetzt bald umgeschlaucht. Hier, aus den Plastikcontainern, werden Lagerbehälter. Die werden mit Folienbeuteln ausgelegt, dann kommt das Jungbier da rein, Beutel zu, warten. Sieht witzig aus, ist auch eine ungewöhnliche Methode. Dort werden die Casks befüllt, hier ist der Kühlraum für die Casks, dort der Kühlraum für den Hopfen. Hopfensorten haben wir ohne Ende, da können wir ganz hervorragend kombinieren. Und dort, das ist Paul, der etikettiert gerade. Jede Flasche einzeln, per Hand. Wir haben viel zu wenig Platz. Wir können gar nicht öfter brauen, weil kein Platz mehr für Lagertanks ist. Wir brauchen unbedingt noch einen weiteren S-Bahn-Bogen!“
In zehn Minuten sind wir durch die ganze Brauerei gelaufen. Mir schwirrt der Kopf. Aber ein tolles Erlebnis.
Zurück im Schankraum. Das letzte Bier wartet auf mich, draußen fällt unverändert der Londoner Regen. Zurück im Alltag.
Der Ausschank der Brauerei ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet. Neben den Bieren gibt es auch eine gewisse Auswahl an Wein, dazu kleinere Snacks. Brauereiführungen werden an Wochenenden um 13:00, 14:00 und 15:00 Uhr angeboten, während der Woche nur abends. Zu erreichen ist die Brauerei am besten mit der Tube bis Camden Town, und dann noch ein paar Stationen mit dem Bus 254 Richtung Norden.
London Fields Brewery
Warburton Street 365 – 366
E8 3RR London
Großbritannien
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