Der 4. September 2014 zeigte sich von seiner schönsten Seite: Mild-warmes Spätsommerwetter, angenehmer Sonnenschein, strahlend blauer Himmel. Ideale Voraussetzungen also für das 34. Lahnsteiner Bierseminar mit dem Leitthema „Sommerbiere“.
Wobei das Thema Sommerbiere heute recht weit gefasst wurde und sich die von Markus Fohr präsentierten Biere in erster Linie über einen recht niedrigen Alkoholgehalt und einen eher erfrischenden Charakter definierten, ansonsten aber nicht allzu viele Gemeinsamkeiten aufwiesen.
Den Auftakt machte ein mildes, eher malzig-süßliches Festbier der gastgebenden Lahnsteiner Brauerei – das Fest-Export mit 5,2% Alkohol. Kein Bier für Feinschmecker, an dem man erst lange herum riechen muss und begleitet von vielen „Ah’s“ und „Oh’s“ winzige Schlucke nimmt, sondern ein Bier zum Durstlöschen, das Appetit auf mehr macht. Auf mehr Bier, aber auch auf etwas Leckeres, Deftiges dazu. Fohr erzählte in diesem Zusammenhang von seiner persönlich empfundenen Renaissance der Exportbiere – ein Stil, der im Schatten stark gehopfter Gourmet-Biere ein wenig in Vergessenheit geraten ist, aber durch die eine oder andere interessante Neu-Schöpfung wieder ein wenig Aufmerksamkeit erregt. Kein echtes Sommerbier, sondern als eine Interpretation eines Oktoberfest-Bieres eher ein Spätsommerbier.
In konsequenter Fortsetzung des Themas „Sommerbiere“ folgte ein White der einzigen zypriotischen Gasthausbrauerei, der Prime Microbrewery. Familie Fohr hatte extra ein halbes Dutzend Flaschen dieses Bieres aus dem Sommerurlaub mitgebracht, und die über zwanzig Seminarteilnehmer konnten sich nun darin üben, die in diesem nach Stil eines belgischen Wit gebrauten Bier verwendeten Zutaten Koriander, Orangenschale und Kamille heraus zu schmecken und zu riechen. Leicht, mit nur 4,5% Alkohol, erfrischend, fruchtig – hier handelte es sich in der Tat um ein astreines Sommerbier.
Es folgte ein Kriek Old Style aus dem Jahr 2011 von der Brouwerij Boon in Lembeek. Mit 6,5% Alkohol fast ein wenig zu stark für ein Sommerbier, dafür aber mit seiner kräftigen Säure und einem knochentrockenen, restlos ausgegorenen Kirscharoma. Überraschte Gesichter bei den meisten Seminarteilnehmern – und eine klare Kante: Entweder begeistert oder völlig ablehnend. Dazwischen gab es nichts.
Die Erdbeer-Weisse der Camba Bavaria aus Truchtlaching rückte das Weltbild dann wieder zurecht. Auf Basis eines klassisch-bayerischen Weißbiers ist hier unter Zugabe von Erdbeersaft ein deutlich ausgeglicheneres Erfrischungsgetränk entstanden – keine abschreckende Säure, sondern frisches Prickeln der Kohlensäure des Weißbiers und betörende Fruchtaromen der Erdbeere. Lecker und süffig, 4,9%, und besonders bei den drei anwesenden Damen der Renner.
Die Camba Bavaria stellte auch die nächsten vier Biere: Ein hopfenaromatisches, aber nur dezent bitteres, klassisches Pils mit 5,0%; ein leichtes (3,9%), aber durch reichlich Einsatz von fruchtigem Aromahopfen mit einem komplexen Fruchtaroma von Grapefruits und Mango überzeugendes Summer Ale; ein eher harzig-kräftig gehopftes Pale Ale (5,2%), das aber auch die eine oder andere Fruchtnote aus seinem Simcoe®-Hopfen hervorbrachte; und schließlich die Jager-Weisse aus der Bügelflasche (5,0%) – ein klassisches Weißbier mit deutlichen Gewürznelkenaromen und einem nachhaltigen Geschmack nach überreifen Bananen. Überzeugend. Insbesondere, da es nicht übermäßig hoch gespundet war, sondern gut trinkbar. Kein „Rülpswässerchen“, wie Fohr scherzhaft betonte.
Acht individuell unterschiedliche Biere, acht Geschmackserlebnisse, die zum langsam ausklingenden Sommer passten. Der Blick nach vorn, auf die kommenden Bierseminare, verspricht angesichts der wieder kürzer werdenden Tage und der fallenden Temperaturen wohl tendenziell eher stärkere Biere, kräftigere, erdigere, malzigere Aromen. Vielleicht auch einmal eine Bier-Käse-Verkostung?
Als Einstimmung auf die zu erwartenden schwereren Geschmäcker konnten wir heute schon einmal zwei Bierliköre verkosten – einen Bockbier-Likör aus Weihenstephan und einen Bockbier-Likör eigener Produktion aus der Lahnsteiner Brauerei. Wuchtig, malzig, süß, mit schokoladigen, kaffeeartigen Aromen. Vielversprechend. So lecker, dass der eine oder andere beinahe schon das kalte, nasse Wetter herbeizuwünschen begann, auf dass endlich diese aromaschweren Spezialitäten unsere Abende bereichern! Allein: Schon nach dem vorsichtig-ironisch ausgesprochenem Wunsch nach nasskaltem Novemberwetter wurde kollektiv gebuht und zurückgepfiffen. Die Herbststürme – und mit ihnen die Bockbiere – kommen noch früh genug. Für heute hieß es, den milden Sommerabend zu genießen und die frischen Sommerbierdüfte gedanklich noch einmal Revue passieren zu lassen!
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