2013 – das Jahr, in dem die Bierrevolution in Deutschland endlich angekommen ist!
Zahlreiche kleine Handwerksbrauereien sind in diesem Jahr entstanden oder sind endlich auf die Beine gekommen. Mittelständische und Großbrauereien beginnen, auf den Craftbeer-Zug aufzuspringen. Gasthausbrauereien fangen an, zu experimentieren. Im Supermarkt gibt es plötzlich Kühlregale für Bier. IPA, Barrel Aged Bock, Russian Imperial Stout sind keine Fremdwörter mehr. Bierfachgeschäfte und Multitaps sprießen aus dem Boden. Hausbrauer, Craftbrauer, Hobbybrauer, Wanderbrauer, Kreativbrauer.
Und schon ist der Zank da. Fritz-Kola verbietet Fritz Wülfing, seine Biere nach seinem eigenen Namen Fritz-Ale zu nennen. Die Nordmann-Gruppe versucht vergeblich, sich den Namen Craft Beer rechtlich schützen zu lassen. Craftwerk der Bitburger Brauerei gefällt den Elektrorock-Pionieren von Kraftwerk überhaupt nicht.
Es geht rund in der Szene.
Und mittendrin die große Verkostungsparty von Esther Isaaks Bierland, organisiert im The Bird im Hamburger Kiez. Über 100 Bierenthusiasten hatten sich am 25. Oktober 2013 eingefunden, um neun verschiedene Biere der Craft Brew Alliance aus Portsmouth (NH) zu verkosten. Esther Isaak de Schmidt Bohländer vom Bierland und Braumeister Billy Smith von der Alliance präsentierten die Biere, die von OnePint zur Verfügung gestellt worden waren, und The Bird servierte Fingerfood und Burger vom Allerfeinsten dazu.
Esther und Billy nahmen uns mit auf eine unbeschreibliche Bierreise. Fruchtiges Widmer Hefeweizen mit intensiven Ananas-Aromen; Red Hook ESB mit einer enormen Malzfülle und kräftig-rötlicher Farbe; Red Hook Long Hammer IPA mit harzigen Willamette-Aromen; Widmer Nelson Imperial IPA mit dezenten Noten des Nelson-Sauvin-Hopfens; Kona Fire Rock als hopfig und gleichzeitig fruchtiges Sommerbier mit Maracuja-Düften; Kona Pipeline Porter mit echtem Kaffee; Widmer Pitch Black IPA, tiefschwarz, kräftig röstig im Aroma und dennoch nicht kratzig und bitter; Widmer Brrrbon 12, drei Monate im Whiskyfass und ein Jahr in der Flasche gelagert, mit Vanille- und Holzanklängen und einem kräftigen Bourbon-Aroma; und schließlich das Widmer Raspberry Russian Imperial Stout, ein Überhammer mit einem festen Himbeeraroma, das zu aller Überraschung perfekt in das tiefschwarze, röstige, bittere, malzige Bier hineinpasste. Dazu gab es Datteln in Speckstreifen, scharfe Chicken Wings, hervorragende Burger mit Fritten aus ganzen, ungeschälten Kartoffeln. Ein Feuerwerk für die Geschmacks- und Geruchssinne.
Nach über zwei Stunden degustatorischer Achterbahnfahrt mussten wir das Lokal für die regulären Gäste räumen und setzten die Verkostung spontan auf der Straße fort. Ein paar Flaschen vom Brrrbon und vom RRIS waren noch da; Biersommelier-Weltmeister Oliver Wesseloh von der Kreativbrauerei Kehrwieder hatte einen Kasten seines Prototyps dabei; Markus von der Oersdorfer Hausbrauerei in Kaltenkirchen schenkte sein Oersdoerper IPA aus; und der einzige bittersüße Moment war, als Fritz-Ale-Wanderbrauer Fritz Wülfing mit Familie genau mit dem Ende der Veranstaltung erst eintraf, und statt von der Bierverkostung nun nur von der Stausituation auf der A1 zu berichten weiß.
Für einen ordentlichen Absacker nahm sich der harte Kern noch Zeit, und Nick Sharpe von OnePint lud die letzten elf hartnäckigen Bierfreaks noch ins Kemp’s, einen englischen Pub in der Neustadt, ein.
Bei Newcastle Brown Ale und Brains Black arbeiteten unsere Revoluzzer noch bis tief in die Nacht an den Plänen für die nächsten Schritte der deutschen Bierrevolution. Welche konkreten Pläne sie dabei schmiedeten, hat der Chronist jedoch nicht mehr erfahren – er musste sich nach dem ersten Pint trollen, um sein Hotel noch mit den Öffis erreichen zu können.
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