Kroměříž? Kennt keiner. Will keiner kennen. Weil sich keiner traut, wenn er gefragt werden würde, es richtig zu buchstabieren, auszusprechen gar. Fünfzig Prozent aller Buchstaben in diesem Ortsnamen sind tschechische Umlaute, diakritische Zeichen. Und dann kommen sie auch noch alle hintereinander am Ende. Nee, sicherheitshalber ignorieren wir das.
Und verpassen etwas!
Ganz im Osten Tschechiens, nur noch wenige Kilometer vor der slowakischen Grenze, liegt Kroměříž. Ein wunderschönes Städtchen mit knapp 30.000 Einwohnern. 1997 wurde es zur schönsten historischen Stadt Tschechiens gewählt; 1998 wurde sein erzbischöfliches Schloss in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Und sein wunderbarer Marktplatz, der Große Platz, mit Pestsäule, Bürgerhäusern mit gotischen Laubengängen, dem Barockbrunnen und dem Renaissance-Rathaus lädt ein, sich an seinem Rande gemütlich unter einen Sonnenschirm zu setzen, ein Bier zu trinken und dieses wunderschöne Ensemble zu genießen.
Was würde sich für einen solchen Moment mehr eignen, als eine kleine Brauerei direkt am Rande des Großen Platzes? Und wie durch einen magischen Zufall findet sich genau dort, wo man gerne sitzen würde, auch eine! Kunststück – wir sind ja auch in Tschechien!
Die Gasthausbrauerei mit Hotel und Restaurant Černý Orel, Schwarzer Adler, befindet sich am Südrand des Großen Platzes. Ein paar Tische direkt vor dem Haus stehen so, dass man den ganzen Markt im Blick hat, die in der Sonne golden funkelnde Pestsäule, den großen Turm des Schlosses, von dem die Touristen über die Stadt schauen, die wunderbaren Bogengänge. Genauso gut im Blick hat man, wenn man sich umdreht, die kleinen Kupferkessel der Brauerei. Eine simple, aber zweckmäßige Konstruktion, auf der etwa ein halbes Dutzend verschiedener Biere entsteht.
Eine in Kunststoff eingeschweißte Liste informiert über diese Biere, mit einem Folienstift sind die Sorten markiert, die es derzeit im Ausschank gibt. Neugierig beginne ich mit etwas Ungewöhnlichem, einem halbdunklen Leichtbier. Acht Prozent Stammwürze, zweieinhalb Prozent Alkohol, aber eben halbdunkel, und nicht wie die nahezu untrinkbaren deutschen Leichtbiere, hell. Ich bin gespannt.
Ein feiner, röstiger Geruch, leichte Noten nach frischem Korn und ein blitzsauberer Geschmack. Nicht allzu intensiv, aber fein ausgewogen. Ein idealer Durstlöscher an heißen Tagen. Na bitte, es geht doch. Man kann also auch alkoholarme Biere mit Geschmack brauen!
Bevor das Essen kommt, reicht die Zeit noch, das elfgrädige Helle zu probieren. Aber ach, hier ist die Enttäuschung groß. Hellgelb, wässrig und dünn ist es, mit weniger Geschmack als das deutlich dünner eingebraute Halbdunkel. Schade, hier hätte ich mir mehr versprochen.
Mittlerweile kommt das Essen. Eine Wurst- und Käseplatte. In der Speisekarte als Snack zum Bier angepriesen, in der Realität locker für zwei hungrige Erwachsene als Hauptmahlzeit ausreichend. Dazu ein großer Korb Brot, als ob die Platte alleine nicht reichen würde. Das kräftige Aroma des Olmützer Bierkäses weht über den Tisch, begeistert die einen, treibt den anderen ob seiner Schärfe die Tränen in die Augen.
Dazu kommt das zwölfgrädige Halbdunkle, gewissermaßen der große Bruder unseres Auftaktbiers. Würzig und aromatisch, kräftig genug, um sich mit Käse und Wurst um die Vorherrschaft am Gaumen zu messen. Ganz ausgezeichnet. Vielleicht kann der Brauer hier keine hellen Biere?
Müde und pappsatt sitzen wir am Tisch, überlegen, ob wir schon gehen, oder ob es noch zu einer abschließenden Verkostung reicht. Wir entscheiden uns für Letzteres. Zum Glück.
Ein Weinglas wird uns serviert, mit einem Doppelbock mit 17,5% Stammwürze. Výroční Speciál Prométheus nennt es sich, also ein Jubiläumsbier. Dunkelbraun, mit einem festen, kremigen und leicht beigefarbenen Schaum. Das Weinglas bringt seine malzigen und fruchtigen Aromen hervorragend zur Geltung. Auf der Zunge Kaffee und Lakritze, und im Abgang eine leichte, alkoholische Wärme, die zwar nicht ganz zum heißen Sommerwetter passt, aber ganz gewiss bei der dringend notwendigen Verdauung der gewaltigen kalten Platte hilft. Ein wunderbares Dessertbier zum Abschluss. Dazu das Panorama des Marktplatzes. Großes Kino, hier und heute am 26. Juli 2015!
Nachtrag 15. Oktober 2017: Über zwei Jahre sind vergangen. Diesmal ist es Herbst und nicht Hochsommer; zwar scheint die Sonne, aber es ist am späten Nachmittag schon empfindlich kühl, und so setzen wir uns lieber ins Innere, als auf der Terrasse zu frösteln.
Zum Auftakt bestellen wir uns ein Halbdunkles Lagerbier, wir erinnern uns noch an die Erfahrung von vor zwei Jahren, als die Biere umso besser waren, je dunkler sie eingebraut waren. Und wirklich: Erneut genießen wir ein vollmundiges Bier, kräftig aromatisch und wunderbar mit der würzigen und kräftigen Suppe, eine klassisch tschechischen Kulajda, harmonierend. Hm, fein!
Dann aber geht der Übermut mit mir durch, und ich bestelle mir den Olmützer Bierkäse, diesmal in der panierten und gebackenen Version. Dazu ein helles Bier, das Vášnivý Ležák. Die Reaktionen sind gemischt. Während mir der Käse ganz ausgezeichnet mundet, bekommt meine holde Ehefrau schon Hustenanfälle, wenn das Aroma nur über den Tisch wabert. Nun ja, mild ist anders, das gebe ich gerne zu… Dazu bräuchte es ein ebenso robustes Bier, aber da habe ich mit dem Vášnivý Ležák offensichtlich das falsche gewählt. Der Name ist ja vielversprechend – das leidenschaftliche Lager. Aber von Leidenschaft ist leider wenig zu spüren, zu dezent versteckt sich das Bier hinter dem würzigen Käse, wirkt zu mild, zu süßlich, zu schwach auf der Brust.
Aber trotzdem: Es ist erneut ein schöner Brauereibesuch. Die bezaubernde Bedienung ist aufmerksam und freundlich, die Atmosphäre angenehm. Fein!
Das Brauerei-Restaurant Černý Orel ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet. Zu erreichen ist es problemlos mit dem Auto; am Ostrand des Großen Platzes gibt es einen etwas größeren Parkplatz. Oder man kommt mit dem Fernbus der Student Agency von Brünn, der etwa 500 m entfernt vom Großen Platz am alten Bahnhof hält.
Pivovar Černý Orel
Velké náměstí 24/9
767 01 Kroměříž
Tschechien
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