Die Pivovar Ládví Cobolis, oder: Wie ein anfänglich ganz hervorragender Besuch in einer Gasthausbrauerei doch noch sehr unbefriedigend enden kann…
Tja, man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, hat meine Oma immer gesagt, als ich noch ein kleiner Junge war. Damals hat sich mir der Sinn dieser Metapher nicht immer erschlossen, und auch heute noch lasse ich mich gerne einmal rasch begeistern, nur um dann um so bedröppelter dreinzuschauen, wenn es anders endet, als erhofft.
Es ist Hochsommer in Prag. Die Sonne knallt, und in der Altstadt balgen sich die japanischen Touristen um die letzten freien Stehplätze in der Fußgängerzone. Nichts wie weg aus diesem Gewühl, hinunter in die Metro, und in wenigen Minuten sind wir draußen in Kobylisy, einem eher gesichtslosen Stadtteil, geprägt von Plattenbeton und sozialistischer Architektur der 70er Jahre. Eine endlos lange Treppe bringt uns in der Station Ládví ans Tageslicht, und direkt neben dem Treppenaufgang sehen wir das Kulturní Dům Ládví, das Kulturzentrum Ládví, benannt nach dem Hügel, auf dem es errichtet wurde.
Reichlich Beton in unterschiedlichen Schattierungen, verkleidet mit ebensowenig ansprechenden Sandsteinplatten, oder was auch immer das für Material ist. Viel Stein jedenfalls, wenig Wärme. Aber das kennen wir schon – die Satellitenstädte Prags sind architektonisch nicht so beeindruckend, dafür befinden sich hier oftmals die besten und preiswertesten Bierkeller und Brauereien.
Im Erdgeschoss des Kulturzentrums residiert die erst am 29. Mai dieses Jahres eröffnete Pivovar Ládví Cobolis – noch nicht einmal sechs Wochen ist es her. Ein paar Schritte geht es eine Betontreppe hoch und schon stehen wir mitten im überraschend großen Schankraum. Viel Platz ist hier – offensichtlich mehr, als man benötigt, denn die Tische und Stühle reichen bei weitem nicht aus, den Raum zu füllen. Locker könnte man vor der Theke noch Formationstänze aufführen und die dafür nötige Live-Band neben der Theke platzieren.
Aber es hält uns nicht drinnen, sondern wir suchen uns einen Platz auf der Terrasse, im Schatten des überdimensionierten Betonbalkons des oberen Stockwerks.
Auf dem Tisch liegt eine Karte mit dem Tagesmenü, und auf der Rückseite finden wir die Bierliste. Fünf oder sechs verschiedene Positionen sehe ich hier, aber mein Versuch, auch nur in Gedanken zu überlegen, wie wir die alle jetzt zur Mittagszeit verkosten können, ohne den Tag vorzeitig beenden zu müssen, scheitert bereits im Ansatz, als meine holde Ehefrau erklärt: „Ich trinke heute Mittag kein Bier!“ Begründung? Fehlanzeige. Und aus Erfahrung weiß ich, dass die Frage nach einem Grund sowieso nur sybillinisch beantwortet werden würde: „Weil ich keines trinke…“
Seufz. Ich bestelle mir also auf gut Glück mein erstes Bier aus der Liste, ein Nevada Ale 11° mit 4,2% Alkohol, in der Hoffnung, dass es geschmacklich vielleicht ein wenig in die Richtung eines Sierra Nevade Pale Ale gehen könnte. Dazu aus dem Mittagsmenü zwei Hauptgerichte, und schon trollt sich der Kellner wieder.
Gefühlt nur wenige Sekunden später kommt die Tagessuppe, ein kräftiger Linseneintopf mit Wurst, gleichzeitig wird das Bier serviert. Die Suppe ist schön scharf, schmeckt ausgezeichnet, und das Nevada Ale dazu macht seinem Namen alle Ehre. Kräftig hopfig, fruchtig-aromatisch, schön ausgewogen. Ein ganz wunderbares Bier. Selbstgefällig klopfe ich mir auf die Schulter: „Was habe ich doch wieder für eine tolle Brauerei ausgesucht!“
Die leeren Suppenteller werden abgeräumt, das nächste Bier bestellt. Diesmal das Summer Ale 6° mit – ja, ich frage noch einmal nach, es stimmt tatsächlich – 1,9% Alkohol. Blitzschnell wird es serviert, und es überrascht: Deutliches Hopfenaroma, eine kernige Bittere, ein runder Geschmack, der nur ganz leicht wässrig wirkt. Na, da habe ich aber schon Vollbiere getrunken, die labberiger geschmeckt haben. Ganz toll. Ein perfektes Sommerbier. Locker zwei Liter könnte man davon problemlos trinken, ohne etwas zu spüren, rechne ich in Gedanken aus. Klasse!
Nun passiert erstmal eine Weile nichts. Gar nichts. Die Kellner eilen vorbei, servieren an den anderen Tischen, sind geschäftig und ignorieren uns. Hauptgericht? Fehlanzeige. Nach einer reichlichen halben Stunde gelingt es uns, einen von ihnen anzuhalten und zu fragen, was denn nun mit unserem Essen sei. „Essen?“ Ratlose Blicke. „Na, der Hauptgang vom Tagesgericht!“ Nur langsam dämmert es.
Nach weiteren fünf Minuten kommt nun endlich das Essen. Qualitativ deutlich schlechter als die Suppe vorneweg. Unausgewogen gewürzt, ein bisschen zerkocht. „Da ist ja das Kantinenessen in Vyškov noch besser“, raune ich meiner holden Ehefrau zu. Es kommt, wie es kommen muss: Beide Teller werden mit reichlich Resten wieder abserviert. Dass wir in Tschechien mal nicht aufessen und es nicht an der Größe der Portion liegt, das kommt wirklich selten vor. Nee, das war nix!
Beim nächsten vorbeiflitzenden Kellner bestelle ich noch ein drittes Bier, und gleichzeitig auch noch zwei Kaffee. Das Bier kommt recht bald, auf den Kaffee warten wir bis heute. Und irgendwie scheint sich auch die Laune der Kellner zu verschlechtern. Man wird immer unhöflicher, für ein Lächeln ist keine Zeit, offensichtlich läuft irgendwo irgendetwas ziemlich schief. Dabei ist gar nicht so viel los, viele Tische sind unbesetzt, das Restaurant müsste eigentlich noch reichlich Kapazität für mehr Gäste haben.
Während ich also an meinem Světlý Ležák 12° mit 4,4% Alkohol herumtrinke und ob der frischen und kernigen Hopfennote in diesem sauberen Bier im Pilsner Stil ganz begeistert bin, sinkt die Zufriedenheit mit dem Service stetig weiter ab. Der Gipfel ist erreicht, als einer der Kellner im Vorbeiflitzen zwar fragt, ob alles in Ordnung sei, aber die Antwort, dass das nicht der Fall sei, weil wir schon seit zwanzig Minuten vergeblich auf unseren Kaffee warten würden, nicht mehr abwartet.
Nein, was als schöner Besuch begonnen hat, endet sehr unbefriedigend. Wir pfeifen auf den Kaffee, pfeifen aber ebenfalls auf das Trinkgeld, was die Laune des kassierenden Kellners dann auch nicht mehr bessert. Aber so ist das nun mal. Schlechter Service verdient kein Trinkgeld.
Missmutig gehen wir die paar Schritte zurück zur Metrostation und überlegen uns, wie es kommen kann, dass ein offensichtlich richtig guter Brauer in so einem Umfeld arbeitet. Mäßige Küche, schlechter und überforderter Service. Das haben seine ausgezeichneten Biere doch nicht verdient!
Fazit: Auf ein Bier im Stehen an der Theke würden wir hier jederzeit wieder herkommen – die drei verkosteten Biere waren alle ganz vorzüglich. Aber für alles andere gibt es bessere, viel bessere Adressen in Prag.
Die Pivovar Ládví Cobolis ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Die Metrostation Ládví (Linie C, die rote) und die gleichnamige Straßenbahnhaltestelle mit der Linie 93 liegen direkt vor der Tür, weniger als eine Minute Fußweg entfernt.
Pivovar Ládví Cobolis
Burešova 1661/2
182 00 Praha
Tschechien
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