Pivovarský Dům
Praha
CZE

Genie und Wahnsinn liegen oft so nah beieinander, und dass diese Feststellung auch für das Brauwesen gilt, lehrt die Erfahrung im Pivovarský Dům in Prag.

Während die Straßenbahn am 1. August 2015 langsam in Richtung Karlsplatz holpert, sehe ich durch die Scheiben den Schriftzug Pivovarský Dům, und darunter auch auf Deutsch Brauerei und Restaurant. Klare Sache, dass ich an der nächsten Haltstelle aussteige und ein paar Meter zurück laufe, mir dies einmal etwas näher anzusehen.

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die etwas triste Außenansicht

Von außen wenig attraktiv. Ein noch nicht wieder renovierter Bau, der den Charme sozialistischer Zeiten der Tschechoslowakei ausstrahlt. Dazu eine etwas merkwürdige Schaufenstergestaltung – dunkelgrüne Rahmen, fahl grau funzelnde Neonbeleuchtung. Die Gerätschaften im Schaufenster dann schon wieder etwas interessanter, ungewöhnlicher.

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Blick auf das kupferne Sudwerk

Also, hinein. Drinnen eine völlig andere Atmosphäre. Modern, einladend, freundlich. Ein auf Hochglanz poliertes Kupfersudwerk in der Ecke, von Scheinwerfern angestrahlt und mit ein paar Utensilien dekoriert – ein schöner Blickfang. Dahinter, durch eine Glasscheibe, der Blick auf offene Gärbottiche, durch einen pfiffig angebrachten Spiegel auch direkt hinein. Doch heute: Ein Enttäuschung. Die Bottiche sind leer.

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die Bottiche im Gärkeller sind leider leer

Ich nehme Platz und betrachte als erstes den Werbeaufsteller auf dem Tisch: Special of the Month – Grodziskie. Na, das ist doch einmal eine Ansage. Ein wirklich exotischer Bierstil in einer Gasthausbrauerei. Ohne noch länger nachzudenken, bestelle ich, und im Nu steht ein Glas vor mir. Spritzig, leicht rauchig, ein hervorragender Durstlöscher. Und vor allem, im Gegensatz zu den meisten polnischen Vertretern dieses Bierstils, ohne den schleimigen Nachgeschmack auf der Zunge, der mich diesen Bierstil eigentlich hassen lässt. Ein hervorragendes Bier, ein exotischer Stil – genial!

Derart verwöhnt werde ich übermütig, leichtsinnig fast, und bestelle eine Bierprobe mit allen acht angebotenen Biersorten, ohne vorher in der Karte zu prüfen, was es denn überhaupt gibt. Es kommt ein Karussell mit acht kleinen Gläschen, und ich sehe schon auf den ersten Blick, welches Elend nun auf mich wartet. Neben dem Grodziskie gibt es das übliche Brauhaus-Triplett Hell – Dunkel – Weizen, und die anderen vier Gläschen sind mit aromatisierten Bieren gefüllt. Mir wird ganz anders…

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das Bier-Karussell

Tapfer trinke ich mich einmal um das Karussell herum. Das Helle als Allerweltsbier ganz gut trinkbar, ebenso das Dunkle. Das Weizen hingegen schmeckt pappig, oxidiert, und das Grodziskie erfreut auch beim zweiten Mal. Aber dann beginnt der Abstieg. Ist das Kávové als mit Kaffee aromatisiertes Dunkles noch halbwegs trinkbar, so kommt das Višňové, das Kirschbier, mit einem chemischen Aroma daher, das nicht nur grauslich ist, sondern durch Bittermandelaromen regelrecht bedrohlich wirkt.

Aber es geht noch besser. Beziehungsweise schlechter. Das Kopřivové, also das Nesselbier, leuchtet schon in kräftigem Grün sehr abschreckend, und der Geschmack hält, was die Farbe verspricht. Übel.

Der absolute Tiefpunkt kommt aber noch, und zwar das Bananenbier, das Bananové. Nicht die Spur von natürlicher Banane, sondern chemische Aromastoffe, und das in einer Intensität, als habe jemand mit einer Pipette einen ganzen Tropfen Isoamylacetat in das Glas geträufelt. Eine Geschmacksexplosion auf der Zunge, aber eine der schlimmsten Art. Angewidert stelle ich das Glas zurück – seit langer Zeit zum ersten Mal wieder bringe ich es nicht über mich, auszutrinken. Schlimm, schlimm, schlimm!

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die Einrichtung ist von ansprechender Eleganz

Genie und Wahnsinn – so nahe beieinander. In den Gläsern mit dem Grodziskie und dem Bananové einträchtig nebeneinander stehend…

Aber nicht alle Gäste scheint dies zu stören. Die Damen in einer Gruppe junger Leute am Nachbartisch freuen sich am Farbenspiel des Nesselbiers und offensichtlich auch an den künstlichen Aromen des Kirsch- und des Bananenbiers. Nun, es sei ihnen gegönnt, auch wenn ich innerlich den Kopf schüttle.

Das Pivovarský Dům ist täglich von 11:00 Uhr an durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Zu erreichen ist es am besten mit der Straßenbahn, die direkt 50 m weiter hält (Linien 4, 6, 10, 16, 22, 23). Mit dem Auto zu kommen, hat keinen Zweck – hier in der Altstadt einen Parkplatz zu finden, ist wie ein Sechser im Lotto.

Bilder

Pivovarský Dům
Ječná 14
120 44 Praha 2
Tschechien

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