Nach einer etwas mehr als zweijährigen Pause einmal wieder eine Städtetour de Bier nach Wien. Natürlich darf da ein Treffen mit der Kampagne für Gutes Bier Österreich und damit verbunden eine schöne Verkostung nicht fehlen.
Unsere Gastgeber haben dazu den Biergarten der Bierosophie ausgesucht, eines gemütlichen Bierrestaurants am Rande des 16. Bezirks, das erst 2016 eröffnet hat. Zwar ist es recht deutlich konzernorientiert und die angebotenen Biere stammen fast alle aus dem Umfeld der zu großen Teilen Heineken gehörenden Paulaner-Gruppe, aber die Atmosphäre ist sehr angenehm, der Service freundlich und das Essen lecker.
Und, was im Zusammenhang mit der heutigen Verkostung das Wichtigste ist, man erlaubt uns, im Biergarten Biere zu verkosten, die wir – beziehungsweise die KGBier – selbst mitgebracht haben. Auch nicht gerade selbstverständlich. Allerdings muss man der Ehrlichkeit halber auch dazu sagen, dass die KGBier die Bierosophie als Stammtischlokal des Jahres 2017 ausgezeichnet hat. Man kennt sich, man schätzt sich gegenseitig.
Wir suchen uns zunächst ein gemütliches Plätzchen im Schatten, genießen ein deftiges Mittagessen, um eine solide Grundlage für die Verkostung zu schaffen, und stimmen den Gaumen mit einem frischen Hacker-Pschorr Zwickel auf die folgenden Biere ein. Wiener Braukunst, das soll das Leitthema sein. Eine bierige Reise durch die Wiener Brauereien und ihre Bierstile hat uns Dietmar Eder, der Obmann der KGBier, versprochen.
Der Anfang ist behutsam und zurückhaltend und für uns Deutsche eigentlich wenig aufregend: Das Ottakringer Gold Fassl Pils. Eines der wenigen echten Pilsbiere in Österreich. Sehr hell, klar und für österreichische Verhältnisse erstaunlich bitter. Klar, IPA und Konsorten stellen die Bitterwerte des Gold Fassl locker in den Schatten, aber für ein Bier, das aus einer großen Brauerei kommt und für den Massenmarkt gedacht ist, der vor bitteren Bieren gerne zurückschreckt, ist es erstaunlich kräftig gehopft. Und blitzsauber im Geschmack.
Bier Nummer 2 kommt aus derselben Brauerei, ist aber viel typischer für Wien. Das Wiener Lager der Ottakringer Brauerei hat vor wenigen Jahren erst den fast schon vergessenen, leicht bernsteinfarbenen und vollmundig-aromatischen Bierstil wieder in die Regale der Supermärkte gebracht. Rund und weich, sehr dominant malzig. Man muss den Stil mögen, und wenn das der Fall ist, dann ist das Ottakringer ein ausgezeichneter Repräsentant.
Kaum hatte seinerzeit Ottakringer diesen Bierstil gewissermaßen wiederbelebt, sah sich natürlich die Schwechater Brauerei vor den Toren Wiens gezwungen, diesen Schritt nachzuvollziehen – immerhin ist er dort doch im neunzehnten Jahrhundert erfunden worden! So folgt denn Bier Nummer 3, das Schwechater Original Wiener Lager, mit Betonung auf dem „Original“. In einer geprägten Reliefflasche mit nostalgischem Etikett erinnert man daran, dass Schwechat die Heimat dieses Bierstils ist. Man merkt Unterschiede zwischen beiden Bieren, aber jedes für sich ist ausgezeichnet.
Noch ein weiteres Wiener Lager hat Dietmar im Angebot, wenn auch von einer nun deutlich kleineren und unbekannteren Brauerei, nämlich der Rodauner Biermanufaktur. Strizzi nennt sich dieses Bier. Ursprünglich benannte man Zuhälter mit diesem Begriff (vom tschechischen Wort Strýc, Onkel, abgeleitet), aber später weichte man das Wort auf und es steht lokal mittlerweile für Ganoven und Schwindler im weitesten Sinn. Das Bier ist erneut eine leicht abgewandelte, aber ebenfalls gelungene Interpretation des Stils.
Mit Bier Nummer 5 verlassen wir den Stil des Wiener Lagers. Die kleine Braumanufaktur Schalken, betrieben von Roland Schalken im 16. Bezirk, produziert Biere in allen möglichen Stilen, auch wenn Dietmar zugeben muss, dass er selbst gar nicht weiß, ob es sich bei dieser Braumanufaktur um eine echte Brauerei oder um eine Wanderbrauerei ohne eigenes, festes Equipment handelt. Aber egal, denn das Wit, ein leichtes Weizenbier, das nicht nur wit-typisch mit Weizenrohfrucht, Koriander und Orangenschale eingebraut worden ist, sondern auch mit Hafer, schmeckt ganz vorzüglich.
Und noch ein weiteres Bier von Roland Schalken folgt als Nummer 6, und zwar ein Kölsch. Das zwar so nicht heißen darf, aber brautechnisch eines ist. Während andere ihre Biere dann Bönnsch oder Brunnsch nennen, um nicht gegen den Markenschutz zu verstoßen, wird hier ein eher internet-affiner Ansatz gewählt: Kølx. Umlaute und diakritische Zeichen sind in! Das Bier selbst entspricht den Erwartungen, passt weitestgehend zum Stil, ist allerdings, und das wäre dann auch in Köln selbst ein Grund, dieses Bier nicht Kölsch nennen zu dürfen, unfiltriert. Streng genommen ist es also ein Wiess.
Mit der Lemon Thyme Gose von Next Level Brewing wird es jetzt deutlich exotischer. Intensive Thymian-Aromen entströmen dem Bier schon vor dem ersten Schluck, und zur Gose-typischen Säure und leichten Salzigkeiten finden sich auch noch Zitrusaromen. Eine echte Herausforderung für klassische Bierdimpfl, dieses Bier überhaupt als Bier zu akzeptieren, lässt man sich aber auf das Spiel mit den Aromen ein, findet man ein ganz vorzügliches und erfrischendes Sommergetränk vor.
Mit Bier Nummer 8 geht die Serie der Sommerbiere allerdings zu Ende. Das Alpha-Tier, ein New England India Pale Ale von BrewAge, ist mit seiner extremen Hopfung definitiv schon zu intensiv, um in der Sommerhitze noch zu erfrischen. Es ist ein ganz ausgezeichnetes Bier, das schon, aber die Bittere ist fest und kernig und fordert eher einen kühlen Kopf, um sie wirklich genießen zu können.
Mit dem vorletzten Bier kehren wir noch einmal kurz zum Wiener Lager im weitesten Sinne zurück. Das Brauwerk, die kleine Handwerksbrauerei, die zur Ottakringer gehört, produziert ein Imperial Vienna Lager, also ein stärker eingebrautes und wohl auch stärker gehopftes Wiener Lager. Mehr Alkohol, mehr Malz, mehr Körper, mehr Aroma, mehr Geschmack. Mit 7,2% definitiv kein Sommerbier mehr, aber eines, das gefällt. Der Herbst kommt bestimmt, und zum fallenden Herbstlaub wird dieses Bier wunderbar passen.
Den Schlusspunkt setzen noch einmal die Jungs von BrewAge. Mit dem Affenkönig, einem Imperial India Pale Ale mit mächtigen 8,2% und einer Hopfung, die in Wien ihresgleichen sucht, trumpfen sie noch einmal auf. Ja, das wäre ein tolles Bier für einen völlig verregneten Novembertag. Eine Bittere, die Tote wiederauferwecken kann, gepaart mit einem mächtigen Körper. Für uns am Ende einer langen Verkostungsreihe in der Nachmittagshitze eine echte Herausforderung, aber trotzdem ein ganz ausgezeichnetes Bier.
Jedes einzelne Bier war von Dietmar geduldig und in allen Details vorgestellt worden, und seine Mithelfer von der KGBier, Susanne und Gerhard, haben fleißig die Flaschen sortiert, bereitgestellt und eingeschenkt. Grad schön war’s, und innerhalb von zehn verschiedenen Bieren haben wir die Weite der Wiener Bierwelt kennengelernt. Hervorragend gemacht – vielen Dank!
Dass nun pünktlich nach dem Ende der Verkostung nun ein Gewitter heranrollt und uns aus dem Biergarten vertreibt – was soll’s? Eine kleine Abkühlung tut nach so viel Bier sicherlich gut!
Verkostung mit der Kampagne für Gutes Bier Österreich
Bierosophie
Gablenzgasse 60A
1160 Wien
Österreich
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