Brauwerk Wien
Wien
AUT

„Betreuter Biergenuss“ – was für ein schöner Ansatz. Einkehren, sich zurücklehnen und unter Aufsicht die besten Biere verkosten. Ein paar Informationen zum Bier bekommen, ein paar Empfehlungen, welches Essen wohl dazu passen würde, ein wenig fachsimpeln. Es kann so einfach sein.

Und so folgen wir dem Schild bereitwillig, das uns den Weg zu dem großen, verglasten Zylinder weist, der das Brauwerk Wien beherbergt.

Außenansicht

Die Ottakringer Brauerei, eigentlich ja eine recht große Industriebrauerei, die ich vor einigen Jahren auch schon einmal besucht und ausführlich besichtigt habe, hat sich in den letzten Jahren stark für die Bewegung der neuen Spezialbiere engagiert. Nicht nur, dass sie – wenn auch in recht großem Maßstab – mit dem Zwickel und dem Roten Zwickel zwei richtig gute Biere im Portfolio hat, nein, sie hat auch immer mal wieder mit interessanten Sonderbieren auf sich aufmerksam gemacht. Und was noch viel wichtiger ist: Sie zeigt auch keine Berührungsängste gegenüber den aufstrebenden Kleinbrauereien der jungen Szene.

Ganz im Gegenteil. Den Sommer über gibt es im Rahmen der Ottakringer Braukultur-Wochen neun Wochen lang ein Bierfest auf dem Brauereigelände. Und in jeder Woche darf sich eine andere Gastbrauerei mit ihren Bieren auf diesem Bierfest präsentieren. Neun Wochen, zehn Brauereien also, das heißt, neun Gastbrauereien und der Gastgeber, die Ottakringer Brauerei selbst.

Die Gründung des Brauwerks Wien war dann nur konsequent: Der Einstieg der Ottakringer Brauerei in die Craft-Bier-Szene. Ein großer Lagertank im Außenbereich der Brauerei wurde entfernt und an seine Stelle kam ein drei Stockwerke hoher Glaszylinder, der – von außen gut sichtbar – ein kleines Sudwerk, die dazugehörigen Gär- und Lagertanks und einen kleinen Ausschank beherbergt. Von der Geometrie her passt sich der Zylinder gut an die noch verbliebenen Lagertanks an, macht aber durch die Verglasung sofort deutlich, dass hier um etwas Besonderes geht.

„Brewed with Love and Music“ ist das Motto des Brauwerks Wien, denn zu jedem hier gebrauten Bier wird ein Lied einer österreichischen Band ausgewählt und so gewissermaßen eine gegenseitige Patenschaft übernommen.

Präsentation ist alles

Neugierig betreten wir am frühen Abend den Ausschank im Erdgeschoss des Glaszylinders. Viele Sitzplätze gibt es nicht – lediglich vier große Holztische mit jeweils einem halben Dutzend Stühlen rundherum. Dahinter schließt sich eine Reihe von leise vor sich hin blubbernden Gärtanks an, und zur Mitte des Glaszylinders die Theke.

Der fröhliche Kellner erläutert uns das Konzept des Brauwerks Wien. Vier durchnummerierte Hausbiere gebe es, und daneben ein paar Spezialbiere. Zum Teil vom Fass beziehungsweise aus dem Ausschanktank, zum Teil aber auch aus der Flasche. Der eigentliche Ausschank für diese Biere sei die Craft-Bier-Bar am Yppenplatz; der Ausschank hier vor Ort habe nur an zwei Tagen die Woche geöffnet und würde sich eher auf bewusste Verkostungen und auf Beer-and-Food-Pairing Aktionen fokussieren.

Und ein ganz besonderes Feature gebe es noch, fährt er fort, und das sei die Möglichkeit, dass hier Auftragssude entstehen, dass also jemand mit einer eigenen Bieridee kommt, die hier auf dem kleinen Brauwerk mit oder ohne seine unmittelbare Hilfe umgesetzt würde.

Eine spannende Sache, aber nun genug der Theorie – wir wollen die Biere nicht nur mit den Augen erfassen und schauen, wie sie im Tank vor sich hin blubbern, sondern auch verkosten.

Blick auf die Lagertanks

Schön systematisch, wie es sich für wahre Bierfanatiker gehört, gehen wir ans Werk. Die Hausmarke 1, ein Blond, macht den Auftakt. Ein mildes, rundes, aber recht unauffälliges Bier. Die Hausmarke 2, ein Session IPA, ist da schon interessanter und überzeugt mit ausgeprägt aromatischer Bittere bei überraschend geringem Alkoholgehalt. Hausmarke 3, ein Porter: Röstig, kräftig, selbstbewusst im Auftritt. Ein schönes Bier. Und schließlich die letzte Nummer im Reigen der Hausmarken, die Hausmarke 4 – ein Flanders Red. Das Bier polarisiert, ist es doch dem Stil angemessen ausgeprägt sauer. Die einen finden es begeisternd, die anderen bekommen nur mit Mühe einen Anstandsschluck hinunter. Ich gehöre zu den einen, genieße jeden einzelnen Schluck, erfreue mich an der präsenten, aber dennoch weichen Säure und dem fruchtig-estrigen Aroma. Ein schönes Bier!

Der Weihnachts-Weizenbock macht den Auftakt bei den Saisonbieren, ein Überbleibsel noch von der Weihnachtszeit und vermutlich bald alle. Kremiger Schaum fließt über den Glasrand, ein komplex-fruchtiges Aroma in der Nase und eine sämige Fülle am Gaumen. Ein gelungener Weizenbock, der in seiner geschmacklichen und aromatischen Vielfalt auch mit guten belgischen Starkbieren in einer Klasse spielen kann.

die Hausmarke 3 – das Porter

Das zweite Saisonbier, das Imperial Vienna Lager, ist demgegenüber ein wenig enttäuschend. Nicht wirklich schlecht, aber zu glatt, zu charakterlos. Ein einfach nur kräftiger eingebrautes Wiener – da hätten wir uns ein wenig mehr Originalität gewünscht. Ein gutes Bier, das schon, aber keine Offenbarung.

Und schließlich das einzige Flaschenbier des Abends, das Becker’s Grapy Ale – Härter ist kein Frauenname. Letzteres der originelle Titel des neuen Rock-Albums von Christian Becker. Getreu dem Motto „Brewed with Love and Music“ also ein Patenschafts-Bier. Mit Weintrauben gebraut, ein Crossover, ein Grenzgänger zwischen den Welten des Biers und des Weins. Mir haben diese Experimente bisher noch nie so richtig geschmeckt, und auch das Grapy Ale macht hier keine Ausnahme. Bitte sehr, entweder Bier oder Wein, beides kann ich respektieren, aber diese Experimente dazwischen, nein, auch diesmal bin ich geschmacklich nicht hundertprozentig überzeugt.

Beer-and-Food-Pairing

Wir lassen uns noch ein wenig in die Kunst des Beer-and-Food-Pairing einweisen, kombinieren Bier mit Datteln beziehungsweise mit bitteren Pralinen im Sacher-Stil. Eine spannende Genusserfahrung, und mit dem feinen Kredenzen auf einem Schieferbrettchen auch aufwändig inszeniert. Feine Sache! Da sind wir uns einig.

Das Brauwerk Wien ist donnerstags und freitags jeweils von 17:00 bis 21:00 Uhr geöffnet. Zu erreichen ist es mit der Straßenbahn; die Haltestelle Johann-Nepomuk-Berger-Platz ist direkt vor dem Eingang zum Brauereigelände.

Bilder

Brauwerk Wien
Ottakringer Platz 1
1160 Wien
Österreich

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