Es war ein großer Sommer gewesen. Wochenlange Hitzewellen, viel zu wenig Regen, ausgedörrte Böden. Und ausgerechnet für heute war Regen angesagt. Kräftiger Regen. Keine sintflutartigen Starkregen, die auf den harten, vertrockneten Böden alles wegschwemmen, was die Dürre überstanden hat, und die Bauern so endgültig ruinieren würden, aber doch ordentliche und ergiebige Regenfälle. Die Bauern in der Region freut es. Endlich.
Und die Bierfans, die zum Teil eine weite Anreise auf sich nehmen müssen, um nach Bad Radkersburg zum The Who Cares for Beer Festival 2018 zu kommen? Für die hatte Vasja Golar ein großes Herz. Weitsichtig hatte der Eigner der Bevog-Brauerei, die das Festival veranstaltet, mit dem Schlimmsten gerechnet und wie schon im Vorjahr ein gewaltiges Zirkuszelt mitten auf den Maisacker gestellt.
„Who Cares for Beer?“ fragt denn auch das zwischen den beiden Haltemasten des Zirkuszelts aufgespannte Transparent, und die Antwort ist klar: Wir!
Den Zwängen einer anderweitig geplanten Reise folgend, bei der der Besuch des Festivals nur am Rande als kleines Extra anfällt, sind wir schon am frühen Nachmittag da; der Einlass ist vor wenigen Minuten erst geöffnet worden. Eine gute Gelegenheit, einmal alle Attraktionen abzuwandern und das Innere des Zirkuszelts zu erkunden.
Ein paar kleine Streetfood-Stände gibt es. Asiatische Küche (Lucy’s Asian Kitchen), Burger (Styrian Beef Bros – kein Bierfest ohne die klassische Kombination Beer & Burger, das läuft immer noch am besten), Wraps (Tijuana Wraps). Daneben, zum Glück ebenfalls mit einem robusten Zelt überdacht, eine schöne Spielecke für Kinder. Papa sitzt im großen Zelt und trinkt, Mama spielt mit den Kiddies im kleinen Zelt. Selten nur ist’s umgekehrt, also dass Mama trinkt und Papa spielt. Da geht noch was in Sachen Gleichberechtigung, auch bei der jungen Hipstergeneration.
Ein paar Schritte weiter ein kleines Dach, das fast zu klein ist, und darunter die Hopfensau. Bier aus der Betonmischmaschine. Kupfern glänzend, penibel poliert, steht ein Gerät im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, das die ultimative Weiterentwicklung des klassischen Betonmischers ist: Eine Hobbybrauanlage. Hier kann sich der Maurer sein Frühstück selbst brauen und fühlt sich gerade wie am Arbeitsplatz. Ist es mehr Gag als effiziente Technik, oder funktioniert es doch ganz hervorragend? Ich weiß es nicht, aber es erregt auf alle Fälle Aufsehen: Trotz des Regens stehen immer ein paar Interessierte um die Konstruktion herum.
Nachdem wir den Rundgang durch die Nässe beendet, einen Burger als Fundament für die kommende Bierverkostung im strömenden Regen gegessen und mit im Nacken herunterrinnenden Wassertropfen die Hopfensau gebührend besichtigt haben, ziehen wir uns ins Zelt zurück und suchen uns einen Platz. Schlagartig hört draußen der Regen auf, und die Sonne kommt heraus. Petrus scheint etwas gegen uns zu haben und spielt ein unfaires Spiel mit uns.
Rasch werden die Seitenwände des Zirkuszelts abmontiert, die Sonne wird hereingelassen. Zeit, die Bierliste zu studieren.
Ach, was heißt Bierliste? Es ist viel mehr, denn alles wird detailliert beschrieben. Zunächst eine Auflistung der teilnehmenden Brauereien, und zu jeder ein paar Erläuterungen:
- Alefried (AUT)
- Bakunin (RUS)
- Barut (SVN)
- Bevog (AUT)
- Blakstoc (AUT)
- Brewdog (GBR)
- Brasserie de la Senne (BEL)
- De Molen (NLD)
- Dogma (SRB)
- Eastside (ITA)
- FrauGruber (DEU)
- Garage Beer (ESP)
- Harbour (GBR)
- Kees (NLD)
- Monyo (HUN)
- Muttermilch (AUT)
- Oedipus (NLD)
- O’Hara’s (IRL)
- Pelicon (SVN)
- Põhjala (EST)
- Stone (DEU/USA)
- To Øl (DNK)
- Wild Beer (GBR)
23 Brauereien. Einerseits begeisternd. Eine tolle Auswahl, ein Wahnsinnsangebot. Andererseits frustrierend. Da schaffen wir ja nicht einmal ein Bier von jeder Brauerei. Und da jede Brauerei auch mehrere Biere dabei hat und die Liste insgesamt 101 Positionen umfasst, werden wir am Ende einer langen Verkostung immer noch zur langen Theke schielen und kucken, was wir alles haben auslassen müssen.
Aber mit Bier und Brauereien ist es nicht genug. Auf einer kleinen Bühne am Rand des Zirkuszelts spielen den ganzen Tag über verschiedene Musikgruppen: Jinho Jinza, Dej še’n litro, Fabrizio & Domenico Canale, Green Victoria und The Star Time Playboys. Am späten Nachmittag richtet dann auch noch der Comedy Circus Jackflash Show das, wofür ein Zirkuszelt eigentlich da ist, richtet eine kleine Manege ein und unterhält mit viel Witz und Akrobatik.
Was für ein vielfältiges Rahmenprogramm. Fast könnte man vor lauter Unterhaltung das Bier vergessen. Aber nur fast. Eine lange, lange Theke zieht sich an der hinteren Längsseite des Zelts entlang. Von links nach rechts stehen die Brauereien alphabetisch aufgereiht nebeneinander, von Alefried bis Wild Beer. Auf gelben Wolken stehen ihre Namen, darunter, dicht an dicht, die Zapfhähne. Alles einheitlich, jeder bekommt gleich viel Platz – pro Bier vielleicht 30 cm. Keine Extrawürste, weder für den Hausherrn Bevog noch für die sonst gerne groß auftrumpfenden Stone-Brauer aus Berlin.
Für uns Genießer sehr praktisch. Ein Blick ins Büchlein, und dann zielgerichtet zur Theke, ruckzuck ist das Wunschbier gefunden, genauso schnell geht es zum Platz zurück. Bleibt zu Anfang noch Zeit, mit den Jungs und Mädels hinter der Theke zu plauschen oder zu flirten, geht ab dem späteren Nachmittag nichts mehr. Es wird pausenlos gezapft, für Fachsimpelei ist hinter der Theke keine Zeit mehr. Um so mehr aber davor. Im dichten Gedränge trifft man sich („Hej, Du auch hier? Erzähl mal, lass mal kosten, und was machst Du sonst so?“), und der Gang zurück zum Tisch, wo die anderen der eigenen Gruppe sitzen und schwätzen, dauert von Mal zu Mal länger.
Und von Mal zu Mal kostet es mehr Konzentration, die Übersicht zu behalten. Was haben wir denn jetzt schon verkostet? Wie hat’s geschmeckt? Was möchte ich unbedingt noch probieren, bevor wir wieder wegmüssen? Trinke ich jetzt noch eins, oder höre ich erst noch das faszinierende Musikstück zu Ende? Oder soll ich gar beim Beer Yoga mitmachen? Ach, nein, das dann doch lieber nicht. Da gibt es genug andere, die sich da gerne zum Äffchen machen, belohnt mit einer Dose Freibier.
Zwischendurch ergibt sich noch die Chance, mit Vasja Golar durch seine Bevog-Brauerei zu stromern, einmal einen schnellen Blick auf die Braukessel und in den Lagerkeller zu werfen.
Rasch geht es aber zurück ins Zelt, und zum krönenden Abschluss werden nun noch ein paar extrem starke Biere verkostet. Ein kleines Glas, 0,1 l nur, wird durch mindestens zwei, drei Personen geteilt, anders ginge es jetzt gar nicht mehr. Aber toll, so noch ein paar echte Raritäten zu probieren.
Viel zu schnell ist der Tag vorbei, die Rückfahrt steht an, ein paar Kilometer liegen noch vor uns. Ein faszinierendes Fest, spannende Biere, ein unterhaltsames Rahmenprogramm, interessante Gespräche, neue Bekanntschaften und eine wunderbar harmonische Atmosphäre. Jederzeit wieder. Wenn Bad Radkersburg doch nur nicht so am Ende der Welt läge…
Und was habe ich nun wirklich getrunken? In chronologischer Reihenfolge:
- Dogma – S.M.A.S.H. Mosaic Session IPA (****) 4,7%
- Harbour – Red Wine Barrel Aged Pilsner (***) 4,5%
- Kees – Citra Pils (****) 4,5%
- Bevog – Punk Rock Holiday – Mexican Lager with Bergamot (****) 4,4%
- Bakunin – Ash – Smoked Sour Ale (**) 4,2%
- Monyo & Pirata – Afterparty – Saison with Cucumber & Kaffir Lime Leaves (****) 5,6%
- FrauGruber – Thirsty Demons IPA (****) 6,8%
- Kees – Barrel Project 18.08 (*****) 11,0%
- Bakunin – Disturbance RIS (****) 11,0%
- De Molen – Hel & Verdoemnis Bowmore – Barrel Aged Imperial Stout (*****) 10,5%
- De Molen – Bommen & Granaten – Woodford Reserve Eisbock (*****) 21,1%
- Monyo – Dead Rabbit – West Coast Double IPA (****) 9,5%
The Who Cares for Beer Festival 2018
Gewerbepark B9
8490 Bad Radkersburg
Österreich
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