Der 17. April 2009. Seit nun schon ‘zig Kilometern fahren wir durch die Weinfelder der Côtes du Rhône, und mich beschleichen so langsam Zweifel: Hier soll es tatsächlich eine florierende kleine handwerkliche Brauerei geben? Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob es in dieser Region überhaupt jemand gibt, der Bier trinkt – geschweige denn, braut?
Aber da sehen wir sie schon: Die Hauswand mit der Reklametafel, die in eine kleine Hofeinfahrt weist, zur La Grihète – Brauerei Artisanale du Sud, der handwerklichen Brauerei des Südens. Ein wenig versteckt im Innenhof des verwinkelten Gebäudes der Eingang zum Direktverkauf – leider geschlossen, Mittagspause. Aber ein paar Meter weiter steht eine Schiebetür zum Sudhaus offen, und vorsichtig schaue ich hinein, frage mit den wenigen Brocken Französisch, die ich kann, wann das Geschäft denn wieder öffnen würde. Die lachende Antwort lautet, dass für wahre Bierliebhaber das Geschäft natürlich immer offen sei. Anschließend kommt, ob meiner schlechten Sprachkenntnisse, die Nachfrage, woher ich denn käme.
„Aus Deutschland!“
„Ach so!“, heißt es nun in perfektem Deutsch, „Dann können wir ja deutsch sprechen!“, denn „Jeder richtige Brauer spricht deutsch, oder? Ich heiße übrigens Jean-Marc!“
La Grihète – Brasserie Artisanale du Sud
Ohne weitere Wünsche oder Fragen abzuwarten, schiebt mich Jean-Marc Raffner zum Verkaufsraum, öffnet den Kühlschrank und schenkt uns erstmal ein Bier ein.
„So, jetzt werden wir alle Sorten verkosten!“
Widerspruch offensichtlich zwecklos.
Während wir alle sechs Sorten, die gerade im Angebot sind, nach und nach probieren und im Detail diskutieren, kümmert sich Jean-Marc weiter um den gerade laufenden Sud, schaltet mal hier, guckt mal da, und erklärt und zeigt mir alle Details seines 10-hl-Sudwerks der Firma Braubeck. Wir kommen von Hölzchen auf Stöckchen, und die Zeit verfliegt nur so.
detaillierte Besichtigung des Sudhauses
Draußen im Auto, in der Mittagshitze, sitzt meine Frau und wartet auf mich. Ich schau nur mal kurz rein, hatte ich gesagt … Und da steht sie auch schon in der Tür. Mit gespielter Empörung hebt sie den Zeigefinger, nur um von Jean-Marc ebenfalls mit einem Bierglas ausgestattet zu werden.
„Oh, Madame, probieren sie doch mal diese Köstlichkeit, und Sie werden verstehen, dass Ihr Mann gar nicht rechtzeitig zurück kommen konnte!“, charmiert er.
Mit viel Liebe werden in dieser kleinen Brauerei die Biere hergestellt und an den südfranzösischen Geschmack angepasst. Ein bisschen milder, ein bisschen süßlicher, nicht zu schwer oder herb. Und trotzdem stilgerecht. Der Löwenanteil der Produktion geht auf Fässer, nur ein kleiner Teil auf Flaschen. 5-l-Kegs sollen auch noch ins Sortiment kommen. Jean-Marc sprüht nur so vor Ideen und Plänen, und ich bewundere seinen Mut, vor wenigen Jahren buchstäblich Haus und Hof verkauft zu haben und stattdessen die Brauerei zu gründen. Aber es läuft. Viel Enthusiasmus, Freude am Brauen und am Bier, die Unterstützung seiner Ehefrau und unermüdliches Engagement sind Garant für stetes Wachstum.
Die verschiedenen Hefestämme werden hier selber weitergezüchtet, für jedes Bier ein eigener, für das belgische Tripel sogar zwei. Das Weizenbier entsteht unter Verwendung einer historischen Weizensorte, die nur hier in der Provence wächst, dem sogenannten Weizen der Provence – dem Ble. Hier wird Bier nicht nur gebraut, hier wird Bier wirklich gelebt. Ein tolles Erlebnis.
Als ich irgendwann, nach sechs verkosteten Bieren und um unendlich viele Eindrücke reicher, schwer mit Bierflaschen, -gläsern, -deckeln und Brauereiprospekten beladen, wieder ins gleißende Tageslicht zurückstolpere, ist die Mittagszeit schon lange vorbei. Der Magen knurrt, aber alle Restaurants haben mittlerweile geschlossen, und wir machen uns auf die mühselige Suche nach etwas zum Essen – aber das ist dann eine andere Geschichte.
Der Rampenverkauf der La Grihète – Brauerei Artisanale du Sud hat keine festen Öffnungszeiten. Wenn jemand da ist, dann ist auch geöffnet. Sonst eben nicht. Es empfiehlt sich also ein Anruf vorher. Die Anreise ist sinnvoll eigentlich nur mit dem Auto möglich.
La Grihète – Brasserie Artisanale du Sud
69, Avenue Frédéric Mistral
26 110 Nyons
Frankreich
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