Schon einige Male bin ich auf der Sankt Pöltener Autobahn an den großen Tanks der Privatbrauerei Egger vorbeigefahren, wenn die Zeit auch nie gereicht hatte, einmal halt zu machen und die Brauerei aus der Nähe zu betrachten. Und so blieb immer nur meine Verwunderung über das große Firmengelände und die gewaltigen Holzlager. Und die Frage: Selbst, wenn die Brauerei ausschließlich mit Holz heizen würde – so viel braucht die doch nicht wirklich, oder?
Die Antwort auf meine – zugegebenermaßen eher rhetorische – Frage bekomme ich am 26. April 2019, als Patrizia Simperl, Assistentin der Geschäftsführung, mit zwei Kollegen, Bernhard Plöckinger, Stellvertretender Leiter Qualitätssicherung, und Florian Berger, Leiter der Lohnfüllung, uns zu einer ausgiebigen Führung durch die Brauerei begrüßen. Lachend klären sie uns auf, dass die Privatbrauerei Egger, so groß sie mittlerweile auch in den vierzig Jahren ihres Bestehens geworden sei, doch nur die weitaus kleinere Säule im Geschäftsbetrieb der Firma Egger sei; Hauptgeschäftsfeld sei die Herstellung von Holzprodukten – Spanplatten, Werkstoffen und anderen Materialien. Aber natürlich gebe es eine gewisse Symbiose, denn die Holzabfälle aus der Werkstoffproduktion ließen sich beispielsweise hervorragend zur Energiegewinnung nutzen, und die für den Brauprozess benötigte Energie könne so nahezu CO2-neutral gewonnen werden.
„Kommt’s doch einfach mal mit“, heißt es, und wir gehen zunächst ins Sudhaus.
Heiß und feucht schlägt uns die Luft entgegen, als Bernhard Plöckinger die Tür zum Sudhaus aufstößt. Die riesigen Edelstahl-Geräte sind in vollem Betrieb, durch den Glasdeckel sehen wir die heiße Maische im Bottich kreisen. Der große Raum ist blitzsauber, penibel wird hier auch der letzte Winkel geputzt und jeder Quadratzentimeter Stahl auf Hochglanz getrimmt. Schöne Aufnahmen von Gerstenfeldern zieren die Wände und lassen die Edelstahlbottiche davor regelrecht schweben. Rund 450 hl entstehen hier pro Sud.
Uns steht nach wenigen Minuten bereits der Schweiß auf der Stirn – einen Saunagang hatten wir nicht mit eingeplant, und so erweisen sich unsere Jacken und Pullover dann doch als ein bisschen zu warm. Die ersten Schweißtropfen fallen auf den frisch geputzten Boden…
Die schöne Eleganz des Sudhauses kann uns nicht länger fesseln – wir brauchen frische Luft. Wir gehen durch die Tür, über ein paar Treppen, und erreichen als nächstes die riesige Abfüllhalle. Die Flaschen, die auf den schier endlosen Bändern durch die Halle sausen, machen erstaunlich wenig Lärm. „Wieso ist das hier so leise, sonst versteht man in der Abfüllhalle doch sein eigenes Wort nicht“, fragt einer aus unserer Gruppe, und Florian Berger lacht: „Die Anlage läuft nicht unter Volllast, sondern dümpelt im Moment eigentlich nur so vor sich hin. Ihr solltet mal den Lärm hören, wenn zu Spitzenzeiten die Abfüllgeschwindigkeit hochgejagt wird!“
Er ist verantwortlich für die Lohnfüllung, die hier in der Brauerei ebenfalls ein großer Teil des Geschäfts ist. Für andere Brauereien, aber auch für Hersteller von alkoholfreien Getränken wird dieser Service angeboten – Abfüllung in unterschiedliche Flaschen- und Dosenformen und -größen.
Wir gehen direkt an eines der Transportbänder heran. Direkt vor unseren Augen sausen die gerade frisch verkorkten Flaschen vorbei. Dieses Tempo, das ist nur ein Herumdümpeln? Wie schnell die Flaschen dann wohl vorbeijagen, wenn die Anlage in vollem Betrieb ist?
Bernhard Plöckinger fischt geschickt eine Flasche vom Band und erklärt uns das neue Etikettendesign der Brauerei. Dunkelgrün, beige und weinrot. Genauso geschickt fädelt er die Flasche wieder in den Ablauf ein. „So, genug der Theorie, jetzt gehen wir in den Lagerkeller und probieren mal ein Bier direkt aus dem Tank. Oder?“
Die Reaktion der Gruppe ist eindeutig. Bei allem technischen Interesse lockt die Verkostung des Biers natürlich noch ein bisschen mehr als die Besichtigung noch so spannender Prozesstechnik.
Der Lagerkeller ist natürlich kein Keller, sondern eine riesige Halle, in der mehr als ein Dutzend gewaltige ZKGs, also zylindrokonische Gärbehälter in Reih und Glied so aufgestellt sind, das wir nur ihre konischen Enden über uns sehen. Bis zum Ende der Halle Leitungsgewirr, dazwischen schmale Wege, viele Warnschilder und … ein kleiner Tisch mit einer Brotzeit.
Wir schnappen uns jeder ein Glas und dürfen, von der Qualitätssicherung freundlich beäugt, das Zwickel direkt aus dem riesigen Tank zapfen. Ein bisschen zu jung ist es noch – ein leichter hefiger Geschmack ist noch zu spüren, und wer ganz lange ins Glas hineinschnuppert und vor allem wartet, bis das eiskalte Jungbier in der Hand ein bisschen wärmer geworden ist, identifiziert noch einen ganz leichten Hauch von Schwefel. Schwefelwasserstoff, um genau zu sein. Völlig normale Aromakomponenten in dieser Phase – wenn das Bier ausgereift, von der Hefe heruntergenommen und abgefüllt sein wird, werden diese Aromen völlig verschwunden sein.
Aber was viel wichtiger ist: Das Jungbier offenbart jetzt schon eine feine, ausgewogene Balance und ein schönes, dezentes Aromenspiel. Dazu das Bewusstsein, selbst direkt aus der Quelle gezapft zu haben…
Wir hören noch einiges über die Brauerei, aber auch über den angeschlossenen Getränkehandel. Alkoholfreie Getränke, Wässer – die Produktpalette ist ziemlich groß, und die Privatbrauerei Egger doch so viel mehr als nur ein Anhängsel zum Spanplatten-Betrieb.
War uns im Sudhaus zu heiß, wird es uns im Lagerkeller nun langsam zu kalt. „Wir gehen mal besser wieder raus hier“, heißt es, und vor allem Patrizia Simperl schaut erleichtert, auch wenn sie die Kälte in ihrem Sommerkleid tapfer ertragen hat.
Unser technisches Interesse wird in der Lagerhalle noch einmal geweckt. Führerlose Transportmaschinen sausen zwischen den Hochregalen hin und her und transportieren Kisten, Kästen und Kartons. „Was passiert eigentlich, wenn man einer solchen Maschine im Weg steht?“, kommt die obligatorische dumme Frage. Eigentlich ja keine dumme Frage, aber wenn der Frager sie in dem Moment stellt, in dem er mit dem Rücken zu einer auf ihn zu fahrenden Maschine stellt, diese hinter ihm stehen bleibt und einen optischen und akustischen Alarm auslöst, wirkt sie dann doch situationsbedingt dumm, weil … schon beantwortet.
Geduldig drückt Florian Berger ein paar Knöpfe an dem gelben Transporter, und leise summend setzt sich das Gefährt wieder in Bewegung.
„So, zum Abschluss unserer Besichtigung…“, setzt Patrizia Simperl an, und wir erwarten ein paar freundliche Abschiedsworte. „… gehen wir jetzt noch ins Bräustüberl. Dort können wir noch etwas essen und trinken!“
Oh, eine schöne Überraschung zum Abschluss. Bei reichlich Bier, gerne auch ein Alkoholfreies Zwickel (vermutlich das einzige alkoholfreie Kellerbier auf dem österreichischen Markt) für diejenigen, die heute noch viel vor haben, und deftigem Leberkäse sitzen wir noch eine gute Stunde mit unseren Begleitern zusammen.
Eine Industriebrauerei haben wir besichtigt, keinen handwerklichen Kleinbetrieb, der für exotische Bierspezialitäten steht. Aber eine Firma, die sauber durchorganisiert ist und mit penibler Detailtreue ihre Prozesse analysiert und optimiert hat. Gerade auch der Bereich der Arbeitssicherheit und wie die diesbezüglichen Vorschriften präzise umgesetzt worden sind, hat uns gefallen. Dazu eine sehr herzliche und unkompliziert-fröhliche Gastfreundschaft und – zu guter Letzt – noch ein großer Geschenkkarton mit Egger-Bieren, den wir überreicht bekommen. In der Summe war’s ein sehr schöner Bierausflug vor die Tore der Landeshauptstadt Sankt Pölten.
Die 1978 in Unterradlberg in Betrieb genommene Privatbrauerei Egger hat mittlerweile einen Jahresausstoß von rund einer Million Hektolitern Bier erreicht. Sie ist spezialisiert auf Märzen, Zwickel, Alkoholfrei und Radler. Im Rahmen einer anderthalb bis zweistündigen Führung kann sie nach Voranmeldung besichtigt werden. Dank der Begleitung durch den Bierpapst Conrad Seidl kamen wir in den Genuss einer besonders ausführlichen Führung in einer Kleinstgruppe. Von der S33, Abfahrt Herzogenburg-Süd, sind es mit dem Auto zwei Minuten bis zum großen Parkplatz vor dem Eingangstor.
Privatbrauerei Fritz Egger GmbH & Co KG
Tiroler Straße 18
3105 Sankt Pölten – Unterradlberg
Österreich
Wir freuen uns, dass Sie uns bei uns waren und bedanken uns recht herzlich für Ihren freundlichen Blog.
PS: Unsere Brauereitour erfreut sich wachsender Beliebtheit.
Einen freundlichen Blog-Beitraq zu schreiben, fällt angesichts Ihrer Gastfreundschaft leicht! Schön war’s!
Mit bestem Gruß,
VQ