Irgendwo auf der Autobahn nördlich von Florenz. „Ich hätte jetzt gerne einen schönen Kaffee!“, tönt es vom Beifahrersitz, „… aber nicht in einer so langweiligen Autobahnraststätte!“
Seufz! Ich habe das Gefühl, wir sind doch gerade erst losgefahren. Aber diese Bitte ist Herausforderung und Chance zugleich. Denn: Was spricht dagegen, auch zu dieser frühen Stunde, es ist noch Vormittag, den Pausenkaffee mit einem Brauereibesuch zu verbinden?
Und Minuten später rollen wir, nach einem kurzen Check im Internet, wo es denn hingehen könnte, von der Autobahn herunter, über ein kleines Sträßchen in Richtung Osten und landen schließlich …
… in einem trostlosen Industriegebiet.
„Das meinst Du nicht ernst?“ Wenn Blicke, und zwar die vom Beifahrersitz, töten könnten …
ein kleines Biergärtchen inmitten des Gewerbegebiets
Wir umrunden die trostlosen Hallen, in denen sich vielleicht irgendwelche Baumärkte, Küchenfabrikanten oder sonst etwas verbergen, und erreichen nach fast einer kompletten Umrundung eine Art winzigen Biergarten. Birrificio del Mugello i’B steht darüber. Missmutig stapfen wir durch den Nieselregen und durch den Biergarten und betreten den Schankraum. Staunend bleiben wir stehen, der Missmut ist sofort verflogen.
Ein sehr ansprechend eingerichtetes kleines Restaurant. Bunte Bilder, einige von ihnen dreidimensional, moderner Wandschmuck, originelle Leuchten. Und mittendrin eine graue Theke, auf der eine schier endlose Reihe Bierflaschen steht. „Hier bin ich richtig“, denke ich und verkoste mich gedanklich schon durch die Biere, als die Stimme meiner Frau mich zurück ins Hier und Jetzt holt: „Hoffentlich gibt es hier überhaupt einen Kaffee!“ heißt es, und in der Tat, die Zweifel scheinen berechtigt. Niemand ist zu sehen, es herrscht eine Totenstille. Ob überhaupt schon geöffnet ist?
eine sehr ansprechende Inneneinrichtung
Wir sehen uns um. Gemütliche Sitzecken, schöne Tische zum Speisen. Nach endlosen Minuten, gerade als wir schon wieder gehen wollen, weil wir das Gefühl haben, weit vor den Öffnungszeiten durch eine nur zufällig nicht abgeschlossene Eingangstür illegal hier eingedrungen zu sein, kommt eine Dame und schaut uns überrascht an.
Ob wir wohl einen Kaffee und ein Bier bekommen könnten, versuche ich ihr klar zu machen. Sie spricht weder deutsch noch englisch, aber Café und Birra, das passt schon. Eifrig macht sie sich an der Kaffeemaschine zu schaffen, lässt gewaltige Mengen Dampf aufsteigen und stellt einen frisch aufgeschäumten Cappuccino auf den Tresen. „Und das Bier?“, denke ich. „Was ist mit dem Bier?“ Sie deutet auf die Zapfhähne auf der Theke und schaut mich fragend an. Als ich zögere, weist sie auf weitere Zapfhähne hinter der Theke – die Auswahl scheint ziemlich groß zu sein. Gerade als ich achselzuckend auf irgendeinen Zapfhahn deuten möchte, da sich mir die Bierstile hinter den blumigen Bezeichnungen auf die Schnelle nicht erschließen, kommt ein junger Mann hinzu. Auch er kann kein Englisch, versucht aber, die Stile mit Händen und Füßen zu erklären.
die Auswahl ist groß …
Alessandro ist, wie sich herausstellt, der Brauer, und nachdem ich mich ihm vorgestellt habe, würde er mir am liebsten zu jedem Bier eine Geschichte erzählen. Wenn doch nur die Sprachhürden nicht wären. Radebrechend holpern und stolpern wir durch die Vokabeln des Italienischen, Deutschen und Englischen. Seit 2007 gibt es die Brauerei, und er würde immer mal wieder neue Biere kreieren, gerne auch experimentieren.
Ich probiere einen Schluck des Belgian Golden Ales namens B.onda. Sehr schön. Genau so, wie ein belgisches Golden Ale schmecken muss.
… sehr groß!
Ob ich die Brauerei denn auch sehen könne, frage ich. Alessandro schaut für einen Moment missmutig in den strömenden Regen hinaus. Ein wahrer Wolkenbruch. „Nach dem Regen“, erklärt er.
Fünf Minuten später verstehe ich, warum. Er schiebt mich in sein Auto, und wir fahren ein paar hundert Meter in das Gewerbegebiet nebenan. In einer alten Halle steht die Brauerei. Ein kleines, schmuckloses, aber zweckmäßiges Fünf-Hektoliter-Sudwerk von einer italienisch-kanadischen Firma. Neun Tanks zu jeweils ebenfalls fünf Hektolitern habe er, und damit käme er ganz gut über die Runden, erzählt Alessandro. Auf 350 hl Jahresproduktion käme er im Moment, und als reiner Familienbetrieb liefe es mit Brauerei und Restaurant ganz gut. Ein paar Restaurants und Bars in der Region würde er mit Fässern beliefern, aber das meiste würde im eigenen Restaurant ausgeschenkt.
das Sudwerk steht in einer Halle fünf Minuten entfernt
Stolz zeigt er mir sein Malzlager, mit Malzen aus Belgien, Deutschland und Großbritannien. Besonders mit Dinkelmalz würde er gerne brauen, sagt er und deutet auf einen Sack mit Farro, also Dinkel. Im Kühlraum, bei den Fässern, lagert er die Hopfen. Dutzende von Hopfenbeuteln stehen dort, die verschiedensten Sorten der Welt. Deutsche, englische, amerikanische, neuseeländische.
Wir schauen uns weiter um. Alessandro zeigt mir den winzigen Flaschenabfüller, deutet an, dass er jede einzelne Flasche von Hand etikettiert, und erklärt schließlich, dass das Wasser aus einem Tiefbrunnen direkt unter der Halle käme, es müsse aber noch mit Chlor aufbereitet werden.
Blick ins Malzlager
Er fährt mich wieder zurück zum Restaurant. Ein paar Flaschen nehme ich mir noch mit, und freue mich, dass aus dem einen Kaffee so ein schöner Brauereibesuch geworden ist.
Halt, ein Bier müsse ich aber schon noch probieren, bremst mich Alessandro noch aus. Das würde er mit wilder Weinhefe brauen. Er nehme Weintrauben, lasse sie auf natürliche Weise vergären, wie jeder Winzer es auch tun würde, und dann schöpfe er die Hefe ab und vergöre sein Bier damit. Ich koste einen Schluck – und in der Tat: Ohne dass Trauben hinzugesetzt worden sind, schmeckt dieses blonde Bier ein wenig nach Rotwein. Kräftige, weinige Aromen hat die Hefe erzeugt. Ein spannendes Bier!
Alessandro und Volker
Jetzt rollen wir aber wirklich vom Hof, und Alessandro winkt uns noch nach.
Das Restaurant der Birrificio del Mugello i’B ist täglich von 10:00 bis 01:00 Uhr geöffnet. Es bietet gute italienische Küche, auch und besonders jenseits von Pizza und Pasta, und daneben eine hervorragende Auswahl von eigenen Bieren. Mindestens ein halbes Dutzend, meistens aber mehr Biere sind immer im Angebot. Parkplätze gibt es direkt vor der Tür im Gewerbegebiet; eine Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln scheint nicht wirklich möglich zu sein.
Birrificio del Mugello i’B
I’B Via Provinciale 14/h
Localiotà La Torre
50 038 Scarperia
Italien
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