„What the hell are you doing here?“ Francesco steht vor mir und piekt mir mit dem Zeigefinger auf die Brust. „Was zum Teufel machst Du hier?“
„Ja, aber… Wir haben uns doch hier verabredet! Du hast mir doch die Adresse gegeben!“, stottere ich meinen italienischen Freund an.
Francesco will sich ausschütten vor Lachen. Nein, grinst er breit, das sei keine Frage gewesen, das sei lediglich die Übersetzung des skurrilen Namens der Bierbar, vor der wir gerade stehen: Ma Che Siete Venuti A Fà.
Eine winzige Tür, darüber schummrig beleuchtet das Schild mit dem Namen der Bar, links und rechts ein winziges Laternchen, ebenfalls mit diesem Namen. Stünde nicht eine größere Gruppe junger Leute mit Biergläsern in den Händen vor dem Eingang, würde man vermutlich achtlos weitergehen, ohne auch nur einen Blick in die winzige Bar zu werfen.
Oh, was hätte man dann verpasst. Direkt hinter der Eingangstür ist links die schmale Theke, rechts davon ist gerade genug Platz, um sich hinter den in Zweierreihen an der Theke stehenden Gästen vorbeizuschieben – nur um festzustellen, dass der hintere Schankraum auch nicht viel größer ist. Drei, vier Tischchen, und ein Brett unter dem großen Flatscreen, auf dem man sein Bierglas abstellen kann.
Klingt jetzt noch nicht gerade atemraubend, aber gönnt man der Theke einen zweiten, genaueren Blick, so sieht man über ein Dutzend kupferne Zapfhähne sauber aufgereiht, sorgfältig beschriftet, mit einer Auswahl guter und zum Teil rarer Bierspezialitäten aus Deutschland, Italien und dem Rest der Welt.
Und die Stimmung ist enorm. Es läuft gute Rockmusik im Hintergrund, und auf dem Flatscreen, unter dem wir das letzte freie Plätzchen gefunden haben, wird live das Rugby-Endspiel Neuseeland gegen Australien übertragen. Fast alle Gäste sind Italiener, kaum Touristen oder englischsprachige Bierliebhaber sind zu sehen, geschweige denn Aussis oder Kiwis. Und trotzdem herrscht ein Lärm wie im Fußballstadion. Erstaunlich, welchen Schalldruck gerade mal ein Dutzend fußball- und bierbegeisterte Italiener erzeugen kann.
Trotz des Lärms versuche ich mich, mit Francesco ein wenig zu unterhalten. Vor uns haben wir ein Brewski Kathawka Coffee stehen und ein Amager Dank Dane. Das Brewski ist schon sehr gewöhnungsbedürftig, eine Berliner Weisse mit Kaffee-Aroma. Ein echt wildes, originelles Bier, gegen das das Amager Dank Dane, obwohl kräftig hopfig und aromatisch, gar nicht so recht ankommt, keine echte Wirkung erzielt.
Die Bar sei vor etwa fünfzehn Jahren als reine Sportsbar entstanden, als Idee von zwei Freunden, die freundlich rivalisierende Anhänger der beiden römischen Fußballvereine sind, erzählt Francesco. Aber sie wäre schnell zu einer Craft-Bier-Bar mutiert. Fußball gebe es hier zwar immer noch, und nächsten Mittwoch, beim Champions League Spiel Rom gegen Leverkusen bekäme man vermutlich kein Bein auf die Erde, so voll sei es dann, aber meistens könne man sein Bier hier richtig gut genießen.
Sprach’s und kam mit den nächsten beiden Bieren von der Theke zurück: BrewFist Harvest Cascade, einem knackig gehopften, dunklen Bock, und, aus der Wöllnitzer Talschänke in Jena, mit einem Lichtenhainer, einem ganz leicht rauchigen Sauerbier. Ich bin beeindruckt – das Lichtenhainer hätte ich hier gewiss nicht erwartet.
Der Eigentümer hat ein Faible für deutsche Biere, und er importiert die oft auch selbst, erklärt Francesco. Da gibt es dann immer wieder exotische deutsche Biere, von denen selbst die meisten deutschen Bierfans gar nicht wüssten, dass es sie gibt!
Das Rugby-Endspiel ist mittlerweile vorbei, der Lärmpegel geht aber nur unmerklich zurück. Meine Frau genießt sichtlich ihr Strada Regina Moreta, eine Art Lambic mit Kaktusfeigen, während die Italiener vor dem ausgeschalteten Flatscreen unverändert eine Lärmwand erzeugen, wie sie bei einem Testlauf eines Jet-Triebwerks auch nicht größer sein kann.
Francesco und ich wollen noch ein paar tiefergehende Gespräche über die Bierszene in Italien führen, und bevor wir von der Schreierei ganz heiser werden, beschließen wir, nach draußen zu gehen. Auch wenn’s schwerfällt.
Ich drehe mich noch einmal zurück, schaue die Reihe der Zapfhähne entlang. So viele Sorten noch, so viele Biere… Fast wäre ich wieder umgekehrt, aber Francesco zieht mich weiter. Morgen ist auch noch ein Tag, und Rom hat so viele andere gute Bierbars, sagt er. Aber ich gebe zu, diese hier ist die beste, vor allem, weil kaum Ausländer da sind, sondern fast nur Einheimische. Und Ihr zwei Deutschen, zwinkert er meiner Frau und mir zu, seid doch gar nicht aufgefallen, oder?
Die Bar Ma Che Siete Venuti A Fà liegt mitten im urig-gemütlichen Szene-Stadtteil Trastevere, aber so versteckt und unauffällig, dass man sie gezielt suchen muss und nicht zufällig findet. Die Bar ist täglich ab den Nachmittagsstunden bis morgens um 02:00 Uhr geöffnet, kein Ruhetag. Zu erreichen ist sie problemlos mit der Straßenbahnlinie 8, Haltestelle Belli, und einem Fußweg von etwa 500 m durch die Gassen Trasteveres.
Ma Che Siete Venuti A Fà
Via di Benedetta 25
00 153 Roma
Italien
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