Bologna, die altehrwürdige Universitätsstadt in Italiens Norden. Jahrtausendealte Geschichte, und eine Altstadt, die geprägt ist von ihren eindrucksvollen Steinhäusern und den in diese integrierten Bogengängen und Arkaden. Geschützt von Wind und Wetter kann man sich die ganze Stadt erschließen, jedes Haus bietet eine neue Variation der Bögen und Gewölbe, von klassizistisch schlicht bis barock überbordend. Allein um die insgesamt 38 km Arkaden abzuwandern, bräuchte der Bologna-Besucher vermutlich mehr als einen ganzen Tag, und selbst dann wäre wohl nicht sicher, dass er alle Variationen, alle Gewölbe, alle Bögen wirklich gesehen und bestaunt hat.
Für mich sind die Arkaden heute aber nur Mittel zum Zweck. Vom Busbahnhof am Nordrand der Altstadt leiten sie mich durch das Gewirr der Altstadtgassen bis in den Osten des Zentrums, und lediglich die allerletzten hundert Meter muss ich unter freiem Himmel zurücklegen. Nicht, dass das heute gestört hätte, an einem wunderbar milden und warmen Novemberabend wäre auch ein Spaziergang ungeschützt durch die Gassen ein reines Vergnügen gewesen, aber es fällt doch auf, wenn man nach einer halben Stunde Bummel durch die Arkaden plötzlich unter freiem Himmel steht.
Außenansicht
Knapp hundert Meter vom letzten Bogen entfernt also erreiche ich mein Ziel, die winzige Brauerei Birra Cerqua. Verborgen im Irgendwo, abseits der Touristenroute, in einem nur wenige Quadratmeter großen Raum befinden sich Brauerei, Theke und Ausschank. Der Stil, rustikale, unverkleidete Wände und Technik zur Schau zu stellen, simple und zweckmäßige Materialien zu nutzen, findet hier sicherlich seinen Höhepunkt. Die Wände sind mit einfachsten, groben Spanplatten abgehängt, rechter Hand befindet sich hinter halbdurchsichtigen Plastikwänden ein Lager für das Sammelsurium, das man in einem so winzigen Betrieb immer mal wieder braucht, was aber stets im Weg steht.
Dahinter dann Theke, gerade so weit entfernt von den Braukesseln, dass der Barmann, Eigner, Brauer Platz findet, um das Bier zapfen zu können. Die Brauerei selbst ist eine 2,5 hl Anlage der italienischen Firma easybrau, auf der im Wechsel immer wieder neue Biere entstehen.
Blick in den winzigen Innenraum
Heute, am 7. November 2015, bietet mir Giando, der hinter der Theke steht, drei verschiedene Sorten zum Verkosten an: Ein Desert Sun Summer Ale, ein mit nur 5,2 % Alkohol nicht zu starkes, erfrischend fruchtig-aromatisches gehopftes Helles, das lecker schmeckt und angesichts der für einen Novemberabend ungewöhnlich hohen Temperatur von 21° auch immer noch passt. Summer Ale im November, also.
Das zweite Bier, das Dunkelweizen, ist leider eine Enttäuschung. Ein leichter Säurestich, wenig weizentypische Aromen und nur geringe Rezens machen dieses Bier leider nicht zu einem Genuss. Spannenderweise ist es bei den Gästen gleichwohl beliebt …
Achselzuckend wende ich mich dem dritten Bier zu, dem Porqua Porter. Mit 6,0 % Alkohol ein wenig stärker als die anderen beiden Biere, mit leichten Röstaromen und sehr vollmundig. Na bitte, es geht doch – das Dunkelweizen scheint nur ein Ausrutscher gewesen zu sein.
Porqua Porter
Ich unterhalte mich noch einen Moment mit Giando, dem Barmann. Und erzählt ein wenig von der Geschichte der Brauerei. Seit drei Jahren braut die kleine Brauerei Birra Cerqua, sie ist die erste und bisher einzige Gasthausbrauerei in Bologna. Gute Rockmusik, immer wieder neue Biere und die absolute Reduktion auf das Wesentliche sind das Grundkonzept. Deswegen auch die simplen Wandverkleidungen und Trennwände, das einfache Mobiliar. Auch draußen, auf der Straße, nur einfache Klappmöbel, zwei Schirme und ein simpler Zaun drumherum. Die Gäste sollen sich auf das Bier konzentrieren und auf ihre Gespräche. Kein Schickimicki, viel schöner sei es doch, wenn jeder hier auf ein Bier vorbei kommt, ein Schwätzchen hält, und gerne dann weitereilt, bis er morgen wieder kommt. Es seien viele Stammgäste aus der Nachbarschaft da, einige wenige Bierliebhaber, die die Adresse gezielt aus dem Internet hervorgefischt haben, und nur ganz selten mal Gäste, die rein zufällig durch dieses Sträßchen gelaufen und dann hier eingekehrt sind.
wenn nicht gebraut wird, wird der Braukessel zur Deko umfunktioniert
„Ein nettes und bescheidenes Konzept“, denke ich, als ich mich von Giando verabschiede und mich wieder auf meinen Weg durch die Arkaden Bolognas mache. „Ob es sich in dieser Größenordnung rechnen kann? Alles sieht viel zu klein aus, um damit ausreichend Geld zu verdienen … – Ach, wahrscheinlich mache ich mir viel zu viele Gedanken. Alle wirkten doch rundum zufrieden, ich denke vermutlich wieder viel zu deutsch.“ Ich verscheuche meine Zweifel, freue mich über den netten Abend, und gemütlich wandere ich durch die endlosen Arkaden Bolognas, verliere mich aufs Neue im Altstadtgassengewirr …
Der winzige Brewpub Birra Cerqua ist täglich ab 18:30 Uhr bis 00:30 Uhr geöffnet, freitags und sonnabends bis 02:30 Uhr. Sonntags ist Ruhetag. Vom Hauptbahnhof oder vom Busbahnhof Bolognas sind es etwa fünfzehn Minuten zu Fuß durch die endlosen Arkaden, die auch bei schlechtem Wetter sicherstellen, dass man trockenen Fußes in der Brauerei ankommt.
Birra Cerqua s.r.l
Via Broccaindosso 5/c
40 125 Bologna
Italien
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